Welche Leute/Welche Gruppe von Leuten hatte 1920 Telefone?

6 Antworten

1920, 2 Jahre nach Ende des 1. Weltkriegs, war eine absolute Notzeit. In dieser Zeit hatten nur die reicheren Deutschen private Telefone, d.h. sicher nicht diejenigen, die dem "Mittelstand" zugehörig waren.

Bestimmte Berufsgruppen hatten sicher private Apparate, so z.B. Journalisten großer Zeitungen, viele Juristen (ein Staatsanwalt muss ja z.B. bei Ermittlungen in einem Mordfall auch privat erreichbar sein...), viele Ärzte, aber beileibe nicht alle, besonders auf dem Land nicht.

In den mittleren und späten Zwanzigern (bis zur Wirtschaftskrise) dürften sich dann private Telefone etwas weiter verbreitet haben, aber trotzdem galt das auch weiterhin als für die größte Masse der Deutschen als unerreichbarer Luxus, vor allem auf dem Land.

Also für 1920 weiß ich es nicht genau - aber von Anfang der 1930er kann ich Dir ein Beispiel erzählen. Ich denke aber nicht, daß der Unterschied zwischen 1920 und 1930 sehr groß war. Meine Urgroßeltern mütterlicherseits hatten z.B. ein Telefon - so steht's in einem Verzeichnis von 1932. Aber sie hatten eben auch ein Gut mit 200 ha Land, und 15 Landarbeiterfamilien (also das ganze Dorf) arbeiteten für sie. In diesem Verzeichnis, das nur die größeren Höfe erfaßt hat, sind Telefonanschlüsse relativ selten. Also auch nicht jeder Großbauer oder Gutsbesitzer hat ein Telefon gehabt.

Meine Urgroßeltern und Großeltern väterlicherseits hatten als Handwerker (Schuhmacher) hingegen nie ein Telefon - weder in den 1920ern noch später (übrigens auch kein fließend Wasser). Der Durchschnittsbürger wird wohl damals eher kein Telefon gehabt haben. Der war sicher froh, wenn er überhaupt Strom hatte. Das war in den 20ern vor allem auf dem Lande keineswegs selbstverständlich.

So um 1922/23 herum fing dann das Leben wieder an und die Wirtschaft (nicht gerade bvei uns) ging wieder nach oben. Da zwischen bestimmten Städten schon Telegrafenleitungen bestanden, sind diese sicher auch für die ersten Telefonleitungen benutzt worden. Kleinere Orte, die dazwischen lagen, profitierten halt davon. Wer sich dann so einen Telefonaparat kaufte, hing nicht nur vom Geldbeutel, sondern auch von der persönlichen Einstellung ab.

Wenn du den Einzug der ersten Handys (auch Automobiltelefone genannt) in Deutschland dir an siehst, dann ist das in etwa vergleichbar, was die private Bevölkerung anging. Der Nutzen war halt, dass man unterwegs telefonieren konnte. Das war zu Beginn der breiten Masse völlig egal! Nur wenige telefonierten mit so einem "Backstein". Es galt eher als ein Zeichen eines unnützen Statussymbols. Da aber der Zuwachs der Geräte anstiegt und sich auch die Technologie verbesserte, hat sich das Gerät durchgesetzt.

Der Unterschied zwischen Stadt und Land war damals enorm:

"Zugleich hatte die 4,3-Millionen-Stadt Berlin mit fast 500.000 Anschlüssen Ende der Zwanziger die höchste Telefondichte der Welt."

http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/alltag/

Meine Mutter hat mir erzählt, dass sie zuhause auch ein Telefon besaßen. Sie ist 1923 geboren. Ab wann exakt dieses Telefon dann installiert wurde, weiß ich nicht. Es wurde selten benutzt, aber ihr Vater war der einzige Angestellte der örtlichen Raiffeisen Niederlassung. Die gab es in allen Dörfen. Die Bauern brachten da ihr Geld hin und kauften ihre Düngemittel usw. ein. Da er selber ja auch von der Landwirtschaft lebte und diese Raiffeisenstelle ja nur stundenweise geöffnet hatte, bekam er vom AG ein Telefon zuhause installiert. Die Leuteim Dorf bzw. Kunden hatten zwar keines, aber für Bestellungen, Rückfragen mit Leitern der Haupstellen war dies sinnvoll und er war für diese dnn jederzeit erreichbar, auch wenn keine Öffnungszeiten waren.