Was sind Weichenstellungen in der Weimarer Revolution?

3 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Eine Weichenstellung bestimmt, in welche Richtungen und Wege etwas weitergeht (der bildliche Ausdruck stammt vom Zugverkehr). Bei Weichenstellungen in der Revolution 1918/9(Novemberrevolution)/der Anfangsphase der Weimarer Republik geht es darum, welche Entwicklungen, Entscheidungen und Ereignisse den weiteren geschichtlichen Verlauf grundlegend in bestimmte Richtungen lenkten. Die Weichenstellungen waren wichtige Festlegungen, die für eine längere Zeit Auswirkungen hatten und die weitere Entwicklung in erheblichem Ausmaß prägten.

Zum Thema gehören die Ausrufung einer Republik und die Entstehung einer parlamentarischen Republik mit einer von einer gewählten Nationalversammlung beschlossenen Verfassung. Das Frauenwahlrecht wurde eingeführt. Der Föderalismus (Bundesstaat mit wichtigen Befugnissen der einzelnen Länder) wurde in der Revolution grundsätzlich beibehalten. Etwas mehr Zentralismus gab es durch etwas gestärkte Befugnisse des Reiches, z. B. die Hoheit über die Einkommensteuer (Reichsfinanzreform).

Sozialdemokraten setzten in der Mehrheit auf eine Zusammenarbeit mit Parteien und Personen, die im Bürgertum verankert waren.

In der Arbeiterbewegung verschärfte sich eine Spaltung zwischen auf eher langsame und schrittweise Reformen setzenden und eher revolutionär ausgerichteten Kräften. Im Lauf der Revolution enttäuschte die Entwicklung und die Politik der MSPD (Mehrheitssozialdemokratische Partei Deutschlands) Teile der Arbeiterschaft und eine teilweise brutale Niederschlagung von Protesten und Aufständen (durch Armeetruppen und Freikorps) vertiefte Spannungen und Gegensätze.

Wesentlich sind einige Weichenstellungen, die auch als Basiskompromisse oder Grundsatzentscheidungen bezeichnet werden.

1) Militärpolitik

Wilhelm Groener, Generalquartiermeister der Obersten Heeresleitung (OHL), und Friedrich Ebert, Vorsitzender des SPD (1917 – 1922 MSPD (Mehrheitssozialdemokratische Partei Deutschlands), zur Unterscheidung von der USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands)) und Mitglied in der vorläufigen Regierung des Rates der Volksbeauftragten verständigten sich am 10. November 1918 in einem Telefongespräch. Die alte Armee versicherte Loyalität und Unterstützung für die neue Regierung, die Offiziere bekamen Anerkennung ihrer Befehlsgewalt. Auch nach Rückführung der Truppen von der Front wurde keine republiktreue Armee geschaffen, sondern die (vorläufige) Reichswehr war vom Führungspersonal der Armee des Kaiserreiches geprägt.

2) Sozialpolitik

In einem unter anderem von Hugo Stinnes und Carl Legien ausgehandelten, am 15. November vereinbarten Abkommen zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften machten die Arbeitgeber Zugeständnisse, erreichten aber zugleich eine Erhaltung wesentlicher Besitzverhältnisse und gesellschaftlicher Verhältnisse. Die Gewerkschaften wurden als Vertretung der Arbeiterschaft aberkannt, in einem Modelle der Sozialpartnerschaft berechtigt, kollektive Vereinbarungen für die Beschäftigten (Tarifverträge) auszuhandeln. Unter anderem wurde ein Achtstundenarbeitstag bei vollem Lohnausgleich eingeführt und die Zentralarbeitsgemeinschaft der industriellen und gewerblichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Sozialisierung und Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft konnten die Arbeitgeber mit dem Abkommen praktisch vermeiden.

3) politische Verfassung

Auf dem Reichsrätekongress vom 16. bis 21. Dezember 1918 in Berlin stimmte einen deutliche Mehrheit für einen frühen Wahltermin zu einer Nationalversammlung, bereits am 19. Januar 1919. Dies stellte die Weichen für eine repräsentative parlamentarische Demokratie und gegen eine Räterepublik.

Im Internet sind unter anderem bei Wikpedia sind Informationen zu finden, z. B. unter den Stichwörtern „Weimarer Republik“, „Novemberrevolution“, „Ebert-Groener-Pakt“, „Stinnes-Legien-Abkommen“, „Reichsrätekongress“, „Weimarer Verfassung“.

In Büchern gibt es Darstellungen, z. B.:

Eberhard Kolb/Dirk Schumann, Die Weimarer Republik. 8., überarbeitete und erweiterte Auflage. Oldenbourg : München, 2013 (Oldenbourg Grundriss der Geschichte ; Band 16), S. 1- 23

Andreas Wirsching, Die Weimarer Republik : Politik und Gesellschaft. 2., um einen Nachtrag erweiterte Auflage. München : Oldenbourg, 2008 (Enzyklopädie deutscher Geschichte ; Band 58) S. 1- 10


colin123 
Beitragsersteller
 17.04.2013, 15:16

Vielen Danke für die hilfreiche Antwort!

1
Albrecht  16.04.2013, 06:06

1918/9 wurde das Führungspersonal in Verwaltung und Justiz sehr weitgehend beibehalten, auch wenn dieses sehr obrigkeitsstaatlich, autoritär und der Demokratie abgeneigt war.

0

Über die Revolution von 1918/19 und die Weimarer Republik findest du im Netz sehr viel Material. Die Wiki-Artikel sind beispielsweise ganz brauchbar.

Weichenstellungen in einem solchen Kontext sind Ereignisse und Entscheidungen, die den weiteren Verlauf der Geschichte in bestimmte Bahnen lenkte. Eine solche Weichenstellung, nicht die einzige, wäre z. B. der Ebert-Groener-Pakt.

Hi.
Du verstehst anscheinend das Wort "Weichenstellung" nicht. Wenn eine Weiche gestillt wird, fährt ein Zug in eine bestimmte Richtung und nicht in die ursprüngliche).

Die Frage bedeutet also etwa:
Welche Faktoren führten zur Revolution...?
Wodurch wurde sie ausgelöst?

Gruß, earnest


colin123 
Beitragsersteller
 15.04.2013, 18:49

Oke, danke! Und was genau waren diese ''Weichen''?

0
earnest  15.04.2013, 18:50
@colin123

Das kannst Du in Deinem Geschichtsbuch und im Netz nachlesen.
Zum Beispiel, wenn Du "Deutschland 1918/19" googelst.

0
earnest  17.04.2013, 13:17
@earnest

Nachtrag.
Zwei dieser "Weichen" findest Du aber vielleicht nicht in jedem Geschichtsbuch.
Dann schau bei PeVau und Albrecht:

-"Ebert-Groener-Pakt"
-"Stinnes-Legien-Abkommen"

Beide sind von großer Wichtigkeit.
(Und ich entschuldige mich im Nachhinein für die "gestillte" Weiche.)

0