Was sind eure Lieblingsgedichte?

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wie wäre es zb mit diesem Gedicht von Rainer Maria Rilke:

Der Panther

*

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe

so müd geworden, dass er nichts mehr hält.

Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe

und hinter tausend Stäben keine Welt.

*

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,

der sich im allerkleinsten Kreise dreht,

ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,

in der betäubt ein großer Wille steht.

*

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille

sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,

geht durch der Glieder angespannte Stille -

und hört im Herzen auf zu sein.


oder etwas von ernst jandl? zb "Ottos Mops":

http://www.youtube.com/watch?v=oMtCa-_ygto


Kurt Schwitters mag ich auch sehr gerne, hier eines seiner bekanntesten Gedichte ("An Anna Blume"):

members.peak.org/~dadaist/English/Graphics/annablume.html

Elli Michler ---- Ich wünsche Dir Zeit

-

Ich wünsche Dir nicht alle möglichen Gaben.

Ich wünsche Dir nur, was die meisten nicht haben:

Ich wünsche Dir Zeit, dich zu freu´n und zu lachen,

und wenn du sie nützt, kannst du etwas draus machen.

-

Ich wünsche Dir Zeit für dein Tun und Dein Denken,

nicht nur für Dich selbst, sondern auch zum Verschenken.

Ich wünsche Dir Zeit – nicht zum Hasten und Rennen,

sondern die Zeit zum Zufriedenseinkönnen.

-

Ich wünsche Dir Zeit – nicht nur so zum Vertreiben.

Ich wünsche, sie möge Dir Übrigbleiben

Als Zeit für das Staunen und Zeit für Vertrau´n,

anstatt nach der Zeit auf der Uhr nur zu schau´n.

-

Ich wünsche Dir Zeit, nach den Sternen zu greifen,

und Zeit, um zu wachsen, das heißt, um zu reifen.

Ich wünsche Dir Zeit, zu Dir selber zu finden,

jeden Tag, jede Stunde als Glück zu empfinden.

Ich wünsche Dir Zeit, auch um Schuld zu vergeben.

-

Ich wünsche Dir: Zeit zu haben zu Leben

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)

Nähe des Geliebten

Ich denke dein, wenn mir der Sonne Schimmer

Vom Meere strahlt;

Ich denke dein, wenn sich des Mondes Flimmer

In Quellen malt.

Ich sehe dich, wenn auf dem fernen Wege

Der Staub sich hebt;

In tiefer Nacht, wenn auf dem schmalen Wege

Der Wandrer bebt.

Ich höre dich, wenn dort mit dumpfem Rauschen

Die Welle steigt.

Im stillen Haine geh' ich oft zu lauschen,

Wenn alles schweigt.

Ich bin bei dir, du seist auch noch so ferne,

Du bist mir nah!

Die Sonne sinkt, bald leuchten die Sterne.

O wärst du da!

.

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)

Rastlose Liebe

Dem Schnee, dem Regen.

Dem Wind entgegen,

Im Dampf der Klüfte,

Durch Nebeldüfte,

Immer zu! Immer zu!

Ohne Rast und Ruh!

Lieber durch Leiden

Möcht ich mich schlagen,

Als so viel Freuden

Des Lebens ertragen.

Alle das Neigen

Von Herzen zu Herzen,

Ach, wie so eigen

Schaffet das Schmerzen!

Wie soll ich fliehen?

Wälderwärts ziehen?

Alles vergebens!

Krone des Lebens,

Glück ohne Ruh,

Liebe, bist du!

Ich habe mehrere...dies ist eins davon:

Tage der Wonne,

Kommt ihr so bald?

Schenkt mir die Sonne

Hügel und Wald?

Reichlicher fliessen

Bächlein zumal.

Sind es die Wiesen?

Ist es das Tal?

Blauliche Frische!

Himmel und Höh!

Goldene Fische

Wimmeln im See.

Buntes Gefieder

Rauschet im Hain;

Himmlische Lieder

Schallen darein.

Unter des Grünen

Blühender Kraft

Naschen die Bienen

Summend am Saft.

Leise Bewegung

Bebt in der Luft,

Reizende Regung,

Schläfernder Duft.

Mächtiger rühret

Bald sich ein Hauch,

Doch er verlieret

Gleich sich im Strauch.

Aber zum Busen

Kehrt er zurück.

Helfet, ihr Musen,

Tragen das Glück!

Saget, seit gestern

Wie mir geschah?

Liebliche Schwestern,

Liebchen ist da!

- Johann Wolfgang von Goethe

"Die Schnupftabaksdose" v. Ringelnatz, oder etwas ernsthafter "Der Panther" von Rilke.