Was ist die Ursache für die Gründung der griechischen Kolonisation?

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Es gibt mehrere Ursachen für griechische Kolonisation/für die Gründung von Kolonien durch Griechen in der Antike, nicht nur eine einzige für alle zutreffende Ursache.

Griechische Kolonisation ist die Gründung und Entwicklung von Kolonien durch das Volk der Griechen. Dies bezieht sich auf die Landnahme und Besiedelung von Gebieten außerhalb des angestammten Siedlungsraums. Kolonie ist die Bezeichnung für das Gebiet/die Stadt (wobei der griechische Begriff Polis [πόλις] sowohl mit „Stadt“ als auch mit „Staat“ oder Stadtstaat wiedergeben wird) und den dort lebenden Personenverband.

In Griechenland gab es in der Antike eine Vielzahl an Staaten, die Gründung ging daher von verschiedenen griechischen Staaten aus. Eine Kolonie (griechisch Apoikia [ἀποικία] = Außensiedlung) war sozusagen die Pflanzstadt/Tochterstadt einer Mutterstadt (griechisch μητϝόπολις) und typischerweise mit ihr in irgendeiner Weise eng verbunden, aber politisch selbstständig.

Schon um 1000 v. Chr. gab es Kolonisation der Ionier an der Westküste Kleinasiens.

Die antiken Griechen haben (vor allem in der Zeit etwa 750 - 500 v. Chr.; «Große griechische Kolonisation») viele Städte rings um das Mittelmeer und das Schwarze Meer gegründet.

Ursachen für Koloniegründung:

Wirtschaftliche Schwierigkeiten wie sie auf der Kyklakeninsel Thera, wo Dürre und Mißernten ein Anstoß für die Gründung von Kyrene 631 v. Chr. waren, hervorragten (vgl. als antike Quelle dazu vor allem Herodot 4, 150 -159), spielten nicht durchgehend eine entscheidende Rolle. Für die Koloniegründung werden mehrere Gründe angegeben und (mit nicht immer gleichen Meinungen) erörtert:

  • Überbevölkerung (aufgrund von Bevölkerungszunahme) und Landmangel (z. B. reichte bei Erbteilung das Land des Einzelnen nicht mehr zur Existenzerhaltung)

  • Suche nach neuen Chancen von daheim Unterlegenen und Verlierern (z. B. bei Konzentration des Landes in den Händen weniger Adliger, Flucht der Bevölkerung von Städten [z. B. Phokaia] bei Bedrohung in kriegerischen Auseinandersetzung)

  • Unternehmungsgeist, Abenteuerlust, Ehrgeiz von Adligen (vor allem in Umbruch- und Krisenzeiten, Streitigkeiten und Spannungen, bei Einschränkungen durch Aufstieg neuer Schichten und bei Nötigung zur Einordnung)

  • Handelsinteressen (Verbesserung und Sicherung von Handelswegen und –beziehungen, Suche nach neuen Rohstoffquellen)

  • machtpolitisch-strategische Ziele (vor allem im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr. wichtig; bei den Stadtgründungen in der Zeit des Hellenismus [Alexander der Große und seine in verschiedenen in aus seinem Reich hervorgegangenen Staaten herrschenden Nachfolger] war oft auch der Gedanke militärischer Sicherung einer erreichten Herrschaft in einem Gebiet von Bedeutung)

Informationen:

Walter Eder, Kolonisation I. Allgemein. In: Der neue Pauly (DNP) : Enzyklopädie der Antike ; Altertum. Herausgegeben von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band 6: Iul – Lee. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 1999, Spalte 646 - 647

Walter Eder, Kolonisation IV. «Große» griechische Kolonisation. In: Der neue Pauly (DNP) : Enzyklopädie der Antike ; Altertum. Herausgegeben von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band 6: Iul – Lee. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 1999, Spalte 653 - 664

Michael Stahl, Gesellschaft und Staat bei den Griechen: Archaische Zeit. Paderborn ; München ; Wien ; Zürich : Schöningh, 2003 (UTB : Geschichte ; 2430), S. 155 – 163

Wolfgang Schuller, Griechische Geschichte. 6., überarbeitete und erweiterte Auflage. München : Oldenbourg, 2002 (Oldenbourg Grundriss der Geschichte ; Band 1 A), S. 13 – 15

Linda-Marie Günther, Griechische Antike. 2., aktualisierte Auflage. Tübingen ; Basel : Francke, 2011 (UTB ; 3121. Studium Geschichte), S. 46 – 54

Oswyn Murray, Das frühe Griechenland. [Autorisierte Übersetzung und Bearbeitungder englischen Ausgabe von Kai Brodersen]. 6. Auflage. München : Deutscher Taschenbuch-Verlag, 1998 (dtv Geschichte der Antike ; 30139), S. 132 - 160

Wolfgang Leschhorn, „Gründer der Stadt" : Studien zu einem politisch-religiösen Phänomen der griechischen Geschichte. Stuttgart : Steiner, 1984 (Palingenesia ; Band 20). ISBN 3-515-04181-8

Theresa Miller, Die griechische Kolonisation im Spiegel literarischer Zeugnisse. Tübingen : Narr, 1997 (Classica Monacensia ; Band 14). ISBN 978-3-8233-4873-3 Paul Faure, Die griechische Welt im Zeitalter der Kolonisation. Stuttgart : Reclam, 1981. ISBN 3-15-010302-9

John Boardman, Kolonien und Handel der Griechen : vom späten 9. bis zum 6. Jahrhundert v. Chr. [Übertragen aus dem Englischen von Karl-Eberhardt und Grete Felten]. München : Beck, 1981. ISBN 3-406-08039-1