Utilitarismus nach John Stuart Mill?
Hallo allerseits! Mal eine Frage zum Utilitarismus und Bentham/Mill:
Mir ist klar, welchen Prinzipien der Utilitarismus folgt. Mir ist auch klar, welche Unterschiedlichkeiten zwischen den Auffassungen Bentham und Mill bestehen. Aber warum könnte man meinen, dass seine Theorie über qualitative Unterschiede von Glück nicht vereinbar ist mit dem Utilitarismus? An welchem Punkt könnte man meinen, dass das nicht miteinander vereinbar ist?
Lieben Dank im Voraus
1 Antwort
Prinzipiell könnte John Stuart Mill der Großvater von Jeremy Bentham sein. Der Utilitarismus ist ja eine intellektuelle Bewegung seit der angelsächsischen Aufklärung, die mit Locke über Hume begann und als politisches Ziel die Freiheit mündiger Bürger hatte, die Abschaffung der Bevormundung durch die Aristokratie und Kirche. Da wurde sehr schnell als zentrales Problem erkannt, dass sich ein selbstbestimmendes Volk die Werte und Orientierungskriterien nicht von den Feudalherren und dem Klerus vorschreiben lassen kann. Utilitarismus ist das Bestreben, Gesetze und ihre Grundlagen, die ethisch-moralischen Werte aus der Lebenspraxis des Volkes heraus zu bestimmen und nicht mehr als "himmlische Vorschrift höherer Mächte" zu akzeptieren. Utilitarismus ist Wertesäkularisierung. Da wir das in Deutschland als obrigkeitshörigem Volk nie hatten, ist Utilitarismus hier auch immer fehlgedeutet worden.
Als politische Bewegung ist Utilitarismus natürlich eine Diskussion mit Lernerfahrung, denn von Locke bis Mill ist ja die angelsächsische politische Ordnung vollkommen umgestülpt worden. Die haben sich ihre Demokratie erkämpft und in diesem Prozess baut ein Utilitarist auf den Erfahrungen der Vorgängergeneration auf. John Stuart Mill ist die Karl Marx Generation und Mill ein Anti-Marx. Das Wort "Glück" ist auch eine schlechte Übersetzung, denn es geht im Utilitarismus immer um das Wohl der gesamten Gesellschaft in Einklang mit möglichst viel individueller Freiheit. In Deutschland hat man ja sich viel auf den extrem abstrakten kategorischen Imperativ des Herrn Kant eingebildet, in England hat man sehr viel praxisnäher diese Dinge diskutiert. Besonders Mill hat den Begriff der Freiheit des Individuums angesichts der Notwendigkeiten diskutiert, die eine gelingende Gesellschaftsordnung stellen. Im Gegensatz zum deutschen Idealismus drückt sich der Utilitarismus nicht mit großen abstrakten Begriffen um die konkreten Probleme der Spannungen zwischen Individuum und Gesellschaft herum. So ist es kein Wunder, dass Mill einige praktische Fragen 75 Jahre später als Bentham anders bewertet. Er war mit einer Frauenrechtlerin verheiratet, was zu der Zeit in Deutschland unmöglich gewesen wäre.