Tyrannei der Alten?

4 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Bei meinen Eltern war das ganz anders. Sie waren einfach klasse, liebevoll und nett. Ihre Ratschläge waren gut dosiert und wirkungsvoll. Wir haben uns fast gekloppt um die Zeit mit ihnen und lachten viel gemeinsam.

Sie haben nie gejammert. Im Gegenteil, sie haben uns positiv vorgelebt, wie man auch die 3. Phase des Lebens genießen kann. Klar kann man dieses oder jenes nicht mehr machen. Das gehört halt dazu. Aber im Gegensatz zu deinen Großeltern, waren bei ihnen die Gläser immer halbvoll statt halbleer.

Meine Eltern haben viel miteinander unternommen. Kurz vor der Goldenen Hochzeit liebten sie sich noch mehr, als zu Beginn ihrer Ehe. Den gemeinsamen Lebensabend genossen sie und die Zeiten mit uns waren eine Draufgabe. Dafür benötigenten sie keine Dauerbespaßung von außen. Sie blickten auf ein erfülltes Leben und hatte noch bis zu ihrem Tode viele schöne Pläne.

Da sie angenehme Menschen waren, liebten es Kinder und Enkel bei ihnen zu sein. Die Kinder saßen zu Opas Füßen und lauschten seinen Geschichten aus seiner Jugend oder bauten z. B. Vogelhäuser mit ihm. Die Mädels backten mit Oma Plätzchen oder guckten Fotos. Am liebsten wollten wir wissen, welche Ticks oder Marotten die einzelnen Leute hatten oder probierten alte Kleider und Hüte von ihr auf, die wir auf den Fotos gesehen hatten. Wir haben uns dann alle darin fotografiert in der gleichen Pose. Meine Mutter zeigte uns, wie man die Sachen anlegte oder zeigte vergessene Frisuren. So kam es, dass ich mal einen Hüfthalter anhatte und meine Tochter lernte so auf Hacken zu laufen.

Besonders gerne haben wir auch "Mensch ärgere dich nicht" gespielt. Dabei stellten wir fest, dass meine Mutter gnadenlos mogelt. Als Kind ist mir das gar nicht aufgefallen. Wenn die Kinder im Bett waren zeigten sie uns auch gerne wie man leckere Schnäpse macht oder Bowle. Die haben wir dann auch gewissenhaft geprüft. Waren alle lecker. ;-)

Ich könnte hier noch lange in Erinnerungen schwelgen. Natürlich sprechen meine Kinder noch viel davon und wir versuchen das mit ihnen weiterzuleben.


Katze446 
Beitragsersteller
 13.11.2019, 20:44

Davon kann ich nur träumen.

Es wäre so schön, die letzten Jahre mit den Großeltern als schöne Erinnerung zu haben und vor allem würde ich mir auch wünschen, dass sie selbst glücklicher sind und noch Freude am Leben haben.

Stattdessen wird nur das Negative gesehen. Ich verstehe nicht, wie man sich die letzten Jahre seines Lebens so sehr selbst verderben kann.

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Realisti  13.11.2019, 20:45
@Katze446

Das könnte eine Charakterzug sein, den sie schon immer hatten und jetzt offener ausleben. Ich weiß nicht wie man Neid und Mißgunst in den Griff bekommen kann.

Du kannst nur davon lernen und versuchen es genau so später mal nicht zu machen.

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Katze446 
Beitragsersteller
 13.11.2019, 21:02
@Realisti

Vor allem meine Oma hat noch ein Problem: Sie kann mit schlechten Erlebnissen aus der Vergangenheit nicht abschließen. Sie holt alte Dinge hervor, die Jahrzehnte zurückliegen, bis zu 50 Jahre und jammert noch immer darüber. Selbst wenn es nur ein Nachbarschaftsstreit war.

Ja, das Leben ist nicht leicht, aber jeder Mensch hat sein Päckchen zu tragen und auch andere Leute haben/hatten Probleme.

Eine Therapie lehnt sie natürlich ab. Sie zieht mich und meine Mutter teilweise so sehr da mit rein, dass ich selbst weine und als sie einmal heulend am Telefon war und sagte, sie bringt sich jetzt um, habe ich beim Weißen Ring angerufen, weil ich nicht mehr konnte.

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Realisti  14.11.2019, 11:44
@Katze446

Viele die mit Selbstmord drohen, drohen nur um Aufmerksamkeit zu bekommen. Beim nächsten Mal sagst du ihr klipp und klar: "Gut, dann schicke ich dir jetzt die Feuerwehr und den Notarzt. Allerdings könnte das in der Klappsmühle für dich enden." Das dürfte die Perspektiven ein wenig gerade rücken.

Es gibt immer einen der macht und einen der machen läßt-. Geh das mit mehr Humor und viel Prakmatismus an. Mitheulen hilft niemandem, aber Ironie, Humor und klare Ansagen schaffen das eher.

Google mal das Wort: Coabhängigkeit. Euer gut gemeintes Mitgefühl und euer Bestreben es ihnen recht zu machen, verschlimmert alles.

Wenn meine Mutter über den Kaffee gemeckert hätte, hätte ich ihn ihr weggenommen und durch Wasser ersetzt: "Liebe Mutti, so ein Spülwasser kann ich dir nicht zumuten. Das hier ist bestimmt leckerer."

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Katze446 
Beitragsersteller
 14.11.2019, 11:59
@Realisti

Vielen Dank, das sind sehr wichtige Ratschläge!

Hast mir die Augen geöffnet.

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Realisti  15.11.2019, 14:12
@Katze446

Vielen Dank für den * und drück deine Großeltern mal ganz tüchtig.

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es ist das ganz normale Leben, wenn du später in ihrem Alter bist, werden deine Kinder und Enkelkinder das gleiche sagen. Es ist Generationenübergreifend. Wenn die Alten mal nicht mehr da sind, wünscht du dir, dass sie nochmals jammern würden. Mensch in deren Alter passiert nichts mehr spannendes, es wiederholt sich für deine Großeltern jeden Tag. Aufstehen, frühstücken, Mittagessen Kaffee und Kuchen Abendbrot alles nach festem Zeitplan. Da kommt ein Arztbesuch schon einem Highlight nahe. Also sei verständnisvoll auch wenn es schwer fällt, du wirst auch mal alt


Katze446 
Beitragsersteller
 13.11.2019, 20:20

Wie würdest du dich fühlen, wenn deine Oma ständig bei dir anruft und heult, dass ihr Leben keinen Sinn mehr macht und sie lieber sterben würde??????

Und das macht sie seit Jahren. Immer und immer wieder, fast jede Woche. Ein normales Gespräch ist kaum möglich, weil sie nur damit beschäftigt ist, wie schlecht es ihr geht. Und dann muss ich sie wieder bemitleiden.

Jede Form der Hilfe lehnt sie ab: Egal ob Putzfrau, Seniorentreffs, Ausflüge für Senioren oder was auch immer. "Bringt doch eh nichts" ist dann ihre Antwort. Sie weigert sich auch, zu einem Arzt zu gehen.

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Ja, ich kenne das auch .. aber .. es ist meine Mutter, sie ist mitte 70 .. sie wird nicht mehr ewig leben und hat viel für mich und vor allem meinen Sohn getan. Meine Kindheit war nicht sonderlich glücklich .. aber ..sie ist jetzt bemüht.. das erkenne ich an und beiße eben auch mal die Zähne zusamme. ICH finde man ist es den Eltern schuldig.


Katze446 
Beitragsersteller
 13.11.2019, 20:29

Das sind meine Großeltern. Ja, ich liebe sie - aber ich erzähle dir mal, wie unsere Treffen ablaufen:

Wir gehen zusammen im Wald spazieren und statt die Sonne und das schöne Wetter und die Vögel zu genießen, spricht sie die ganze Zeit über das Holz, das im Wald rumliegt und dass die Jungen zu faul sind es aufzulesen. Wenn ich ihr erkläre, dass die meisten Menschen gar nicht mit Holz heizen und auch gar nicht fähig sind, es irgendwie abzutransportieren und es dazu auch noch illegal ist. Dann spricht sie nur davon, wir sollen nicht so faul sein und das Holz auflesen. Wir heizen aber mit Öl.

Lade ich sie in ein Café ein, sagt sie nur, den Kaffee kann man auch zuhause trinken, das spart Geld. Dann beschwert sie sich wieder, dass sie nur zuhause rumhockt.

Backe ich Kuchen für sie und lade sie zu mir nach Hause ein, ist sie nur damit beschäftigt, mir zu sagen, dass meine Fenster mal wieder geputzt gehören, dass ich meine Badematten waschen soll, dass ich nicht richtig gesaugt habe, dass ein Fleck auf der Tischdecke ist usw.

Das Ganze geht schon seit Jahren so.

Ich würde mich freuen, die letzten Jahre mit meinen Großeltern in freudiger Erinnerung zu behalten, aber meine Oma sieht nichts Positives mehr im Leben, nur noch das Negative.

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Realisti  13.11.2019, 20:50
@Katze446

Wenn mir einer so meckert, dann würde ich dem den Lappen in die Hand drücken und sagen: "Wer meckert, muss es wegmachen." Vielleicht überlegt sie es sich dann zu nörgeln.

Natürlich rutscht mir auch mal ein Genörgel raus. Meine Kinder drücken mich dann und sagen so Sachen wie: "Wir haben dich ganz doll lieb, aber wer nörgelt fliegt raus." Und dann ziehen sie mich den Rest des Tages damit auf.

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Bei uns ist es genau umgekehrt. Die Enkelkinder stellen nur Ansprüche, sind faul und verstehen nichts. Spielen nur auf den Computer und sind nicht bereit zu lernen und mal kleine Arbieten nur zu machen.


Katze446 
Beitragsersteller
 13.11.2019, 20:02

Eines der Enkelkinder bin ich und ich bin schon 35 Jahre, meine Schwester 34 und mein Bruder 30. Wir haben selbst schon Kinder, also haben meine Großeltern sogar Urenkel.

Wir gehen arbeiten, renovieren das Haus, haben Babys/Kleinkinder zu versorgen und auch unsere Last zu tragen. Sich dann immer anhören zu müssen, wir hätten es so gut und die armen Großeltern haben so gelitten, nervt irgendwann. Keiner stellt in Frage, dass es nach dem Krieg sehr schlimm gewesen ist, doch das hat nicht nur meine Großeltern betroffen, sondern die ganze Generation. Der Mehrheit ging es auch nicht anders in dieser Zeit. Aber in den Augen meiner Großeltern haben NUR SIE ALLEIN es schlecht, allen Anderen geht es gut.

PS: Sie haben ein längst bezahltes Eigenheim, genug Geld und vor allem meine Oma war niemals ernsthaft krank.

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