Neuer Partner stottert

4 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Ich finde Deine Frage sehr interessant, und ich antworte als Logopäde, der hochgradig auf Stottern spezialisiert ist, und als jemand, der bis zum Alter von 29 Jahren schwer gestottert hat.

Ich weiß aus vielen Fällen, die mir persönlich bekannt sind, dass es viele Paare mit einem stotternden Partner gibt, in denen das Stottern keine Rolle spielt. Wenn das Stottern sehr schwer ist, wie es bei mir der Fall war, ist das natürlich kaum möglich. Aber es ist wohl so, dass man sich als Partner auch an schwere Formen von Stottern so stark gewöhnen kann, dass man es, wie man so sagt, "nicht mehr hört". (Das ist mit anderen Merkmalen wie krumme Nase oder abstehende Ohren bekanntermaßen auch so.)

Es kommt im übrigen, dann aber eher bei Formen von leichterem Stottern, auch vor, dass die Partner nie über das Stottern sprechen und der stotternde Partner tatsächlich meint, seine Partnerin "wüsste gar nicht", dass er stottert. Wenn das dann im Vorgespräch zur Sprache kommt, lächelt die Partnerin dann meist und sagt: "Das glaubst vielleicht Du. Ich habe das schon am ersten Tag gemerkt, als ich Dich kennenlernte." Dafür habe ich nicht nur ein, sondern mehrere Beispiele erlebt.

Direkt zu Deiner Frage:

Natürlich ist es sinnvoll und hilfreich, das Thema anzusprechen. Ich bin ohnehin der Meinung, dass man über alles sprechen kann, auch über Dinge, die für einen Partner heikel oder unangenehm sind. Ich möchte es mir hier ersparen, Beispiele aufzuzählen. Das können Dinge sein, die der Partner ändern kann (das betrifft i.d.R. Verhaltensformen) oder die er nicht ändern kann (i.d.R. körperliche Gegebenheiten).

Du scheinst der Meinung zu sein und vielleicht ist auch Dein Partner dieser Meinung, dass Stottern nicht veränderbar ist. Das halte ich für falsch. In dem sehr lesenswerten Buch "Neustart im Kopf" (The Brain That Changes Itself) über die Plastizität des Gehirns wird dargestellt, dass es mehr oder weniger nichts gibt, was das Gehirn nicht (wieder) lernen kann. Die Fähigkeit eines Stotterers, flüssig zu sprechen, gehört dazu. Was fraglich ist, ist die Heilung des Stotterns im engeren Sinn (Stottern weg beim spontanen Sprechen in allen Situationen), die durch Therapie bei Erwachsenen so gut wie nie erreicht wird.

Stottern ist m.E. so heikel nicht. Aber es scheint einen Konsens unter nichtstotternden Menschen zu geben, dass das Thema Stottern für Stotterer heikel ist. Sie fürchten, dass sie den Stotterer verletzen können und möchten das natürlich nicht. Der Stotterer wiederum schließt daraus, dass Stottern wohl so etwas Schreckliches ist, dass man besser nicht darüber sprechen sollte. Diese beiden Missverständnisse zusammen genommen führen dazu, dass Stottern nicht zum Thema werden kann.

Das ist aber objektiv gesehen, vollkommener Quatsch.

Die Fragen, die Du hast, finde ich absolut nachvollziehbar. Mich würde es als Partner oder auch als Kollege einer Frau nach Kinderlähmung (das gibt es ja auch in den unterschiedlichsten Formen) interessieren, wie sie die Störung sieht, wie es ihr damit geht und gegangen ist, was gemacht worden ist, was noch gemacht werden kann usw. Darüber müsste doch gesprochen werden können, ohne dass gleich die Botschaft mitgesendet wird: "So, wie Du bist, kann ich Dich nicht akzeptieren."

Ich vermute mal, dass Dein Partner entweder (1) tatsächlich erleichtert ist, dass das Thema endlich zur Sprache kommt, oder (2) dass er sich wortkarg verweigert (That's not a real problem for me. It used to be one, but not anymore.), oder (3) er wird Dir sehr interessante Dinge erzählen, durch die Du ihn erst wirklich kennenlernst.

Im Fall (2) musst Du dann entscheiden, ob Du weiter bohrst (what was it that has brought the change?) oder nicht. Er gibt vielleicht einmal eine günstigere Gelegenheit.

Im Übrigen scheinst zu alles "richtig" zu machen, nicht unterbrechen (jedenfalls nicht mehr, als das mit einem nichtstotternden Gesprächspartner auch vorkäme), aufmerksam zuhören (jedenfalls so aufmerksam, wie Du auch einem nichtstotternden Gesprächspartner zuhören würdest).

Kleiner Tipp: Frage nicht, warum er stottert. Kein Stotterer kann einen vernünftigen Grund dafür angeben, warum er stottert. Die Vermutung, dass es einen Grund (häufig "Ursache" genannt) dafür gibt, dass jemand stottert ist eine Erfindung der Psychotherapie. Tatsächlich ist die Frage ebenso sinnlos, wie die Frage, warum jemand O-Beine hat.


Salser 
Beitragsersteller
 19.01.2013, 11:39

Vielen Dank für diese sehr hilfreiche Antwort.

"**Stottern ist m.E. so heikel nicht. Aber es scheint einen Konsens unter nichtstotternden Menschen zu geben, dass das Thema Stottern für Stotterer heikel ist. Sie fürchten, dass sie den Stotterer verletzen können und möchten das natürlich nicht. Der Stotterer wiederum schließt daraus, dass Stottern wohl so etwas Schreckliches ist, dass man besser nicht darüber sprechen sollte. Diese beiden Missverständnisse zusammen genommen führen dazu, dass Stottern nicht zum Thema werden kann.******"

Darauf wäre nie darauf gekommen.... Er hatte beruflich viel mit Kunden zu tun, und es gibt, wenn er mit mir redet ganze Sätze die er neu beginnen muss, weil ich sie nicht verstehen kann. Das heißt ihm ist bewusst dass ich sein stottern mitkriege. Als er meine Mutter zufällig und unvorbereitet traf, stotterte er bei der Nennung seines dreisilbigen Vornamens so stark, dass meine Mutter nicht verstehen konnte, dass dass sein (ausländischer) Name ist. Würde also schon denken, dass sein stottern stark ist. Ich hatte versucht einiges im Netz darüber rauszufinden und las Sachen wie "der Betroffene meidet häufig Berufe in denen er Kundenkontakt hat" . Ich habe nicht die leiseste Ahnung wie Kunden darauf reagieren, aber von stotternden Kindern habe ich schon häufiger mitgekriegt dass sie deshalb verspottet werden. Mein Freund erzählt auch offen von Situationen in denen er mal mit einem Kollegen, Bekannten oder völlig Fremden irgendwelche Auseinandersetzungen oder Beleidigungen erlebt hat, allerdings hat er auch in dem Zusammenhang dass stottern nie erwähnt. Es ist irgendwie so, als ob es nicht da wäre, aber ich habe keine Ahnung wie viel oder wenig Einfluss es tatsächlich auf sein berufliches und privates Leben hat.

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Andreas Starke  20.01.2013, 17:13
@Salser

Danke für die gute Bewertung meiner Antwort.

Aus dem, was Du dazugeschrieben hast, kommen mir gewisse Zweifel, ob Dein Freund überhaupt stottert. Es könnte auch sein, dass es sich bei seinem umflüssigen (und undeutlichen) Sprechen um "Poltern" (engl. cluttering) handelt. Dafür wären der Neubeginn von ganzen Sätzen und auch die Abwesenheit eines Störungsbewusstseins typisch. (Das Polterer nicht leiden, ist übrigens nicht immer gegeben, trifft aber bei vielen zu.)

Auch das Beispiel mit seinem Vornamen ist nicht so ganz klar, da ich ja Deinen Freund noch nicht sprechen gehört habe.

Was ich anbieten könnte, wäre ein Untersuchung- und Beratungsgespräch, gern auch auf Englisch. Schreib mir eine Mail, wenn Ihr Interesse habt.

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Ich gab dir vorhin per P.N. eine Info, anhand derer ein stottern zu begreifen ist. Entsprechender Hinweis ist im Text zu finden und dürfte deutlicher machen was zum stottern führen konnte. Falls es diesen Ursprung hat, kann es durch viel Übung korrigiert werden.

Schaut euch das Video gemeinsam an, ihr werdet vieles unter anderen Gesichtspunkten sehen und verstehen können. Notfalls kannst du es auch alleine anschauen und entscheiden ob du es nochmal mit ihm anschauen möchtest.

Du wirst mit ihm gemeinsam rausfinden können, was alles störend ist, wenn man es mal begreift. Ich gehe davon aus, das Video ist hilfreich, ein kleiner Augenöffner.

Falls viele am Video interessiert sind, stelle ich den Link nachträglich hier ein.


Salser 
Beitragsersteller
 26.01.2013, 21:55

Dass ist nett aber ich habe keine PN von dir, schickst du es mir nchmal? Vielen Dank schonmal

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Ich bin weder ein Mann noch stottere ich, doch wenn ich mir versuche mich da einzufühlen, so würde ich sagen, wenn er darüber reden möchte hätte er es längst getan. An seiner Stelle würde ich es einfach genießen, dass ''diese Lappalie'' zwischen uns kein Thema ist und du so gut damit umgehst ohne ''nachzubohren''.

frag ihn und wenn er schon als kind gestottert hat,ist er dran gewöhnt und nimmt es nicht mehr wahr.mich stören sprachfehler nicht,mein schwager hat auch einen sprachfehler,ich verstehe ihn gut und er selbst kommt damit zurecht.er sagt immer,es ist eben so und nicht zu ändern.


Andreas Starke  29.12.2012, 17:24

Na, das ist ja eine tolle Antwort! Wenn er als Kind schon gestottert hat, ist er daran gewöhnt und nimmt es nicht mehr wahr. Wenn dem so wäre, würde die überwiegende Mehrheit aller Stotterer das Stottern nicht mehr wahrnehmen, weil Stottern in fast allen Fällen im Alter von 2 bis 5 Jahren erstmalig auftritt.

Ein Stotterer, der sein Stottern nicht wahrnimmt, ist nach meiner Erfahrung aus der Arbeit mit über 700 Patienten, die ganz seltene Ausnahme. Und wenn, dann handelt es sich vermutlich gar nicht um Stottern.

Ich vermute, dass der einzige Stotterer, den Du kennst, Dein Schwager ist. Seine Aussage, dass "es eben so ist und nicht zu ändern ist", scheint mir eher eine Folge von erfolglosen Therapieversuchen und unsinnigen Ratschlägen der Umwelt zu kommen, als aus der mangelnden Wahrnehmung. Auch an Dich den Ratschlag: Rede doch mal mit ihm darüber. Aber nicht, "ob er ein Problem hat", sondern darüber, ob er sein Stottern wahrnimmt. Das ist doch auch eine interessante Frage.

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realistir  26.01.2013, 16:45
@Andreas Starke

deine Antwort gefällt mir, du machst dir Gedanken.

Wenn Er schon als Kind gestottert hat, stellt sich für mich die Frage ob das angeboren war oder erst durch irgendetwas erzeugt wurde.

Es ist also denkbar dass manche nur stottern wenn sie in gewisse Situationen kommen. Also Situationsbedingt stottern. Falls sowas vorliegt, könnte es korrigiert werden.

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Salser 
Beitragsersteller
 22.12.2012, 19:39

Was soll ich denn deiner Meinung nach fragen? Ich gehe schon davon aus, dass er als Kind gestottert hat. Ist ja eher selten dass das erst im Erwachsenenalter auftritt.

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heidebaerchen  22.12.2012, 19:41
@Salser

na ob er ein problem hat oder du eins machst,meine güte...ich kenne euch doch nicht.

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heidebaerchen  22.12.2012, 19:48
@heidebaerchen

und wenn es dich auch nicht stört,dann belass es,warum diskutieren,wo es nix zu bereden gibt.

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Salser 
Beitragsersteller
 22.12.2012, 20:00
@heidebaerchen

Die Frage : "Schazt, hast du ein Problem oder mache ich aus denem stottern ein Problem? " Fänd ich ehrlich gesagt nicht so toll!

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heidebaerchen  22.12.2012, 20:08
@Salser

also ich würde es dabei belassen,ihr seit doch auch so glücklich und liebt euch,warum übers stottern den kopf zerbrechen?ich verstehe das nicht.

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Salser 
Beitragsersteller
 22.12.2012, 20:18
@heidebaerchen

vermutlich hast du recht, Ich werde das Thema nicht ansprechen, oder zumindest warten bis das Thema aufkommt.

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Andreas Starke  29.12.2012, 17:33
@Salser

Naja, das wäre (siehe meine anderen Beiträge) ein schlechtes Ergebnis dieser Diskussion. Du bist schon auf dem richtigen Dampfer gewesen, als Du die Frage gestellt hast. Es ist ja tatsächlich absurd, in einer liebe- und vertrauensvollen Beziehung solch ein Thema wie Stottern auszusparen.

Dabei geht es natürlich nicht darum, dass Du "herauskriegst", was für ein Problem zum Stottern geführt hat oder welches Problem er damit lösen will ("Hast Du ein Problem, oder was?"), sondern darum, dass Ihr darüber sprecht, wie er das Stottern erlebt, welche Erfahrungen er damit gemacht hat und, wenn das Gespräch wirklich gut wird, welche Gefühle er damit verbindet ("Wie geht es Dir dabei?").

Lass Dich nicht irre machen. Dein erster Instinkt, der Dich dazu gebracht hat, Deine Frage zu stellen, war richtig!

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