Neid und Missgunst - wie damit umgehen?
Ich bin 55, w, arbeite seit einiger Zeit verstärkt an mir und meinem (teils nicht vorhandenen) Selbstwert.
Mein Leben lang war ich immer mal gefühlt nicht "gut genug" und habe mit viel Leistung mein "Außen" davon überzeugt, dass ich wichtig und wertvoll bin.
Klappte das mal nicht, war ich auf jede und jeden neidisch und missgönnte anderen selbst Dinge, die mir nicht wichtig waren - nur, weil ich sie nicht so haben konnte.
Nicht wie bei einigen Neid auf besseren Job, tolleren Mann, Einkommen etc. sondern bei mir ist es Neid auf Gefühle, die zu haben ich mir wünsche und anderen nicht gönnen kann.
Besonders schlimm ist es seit etwas über einem Jahr, seit ich erfahren musste, dass mein Mann 2 Affären (eine davon mit einer gemeinsamen Bekannten) hatte. Nach der ersten schlimmen Phase hänge ich in der Wut fest. Wut auf alles, was den Geliebten an intimen Gefühlen "geschenkt" wurde, während ich warmgehalten und belogen wurde und doch viel mehr für meinen Mann getan habe ...
Ich weiß inzwischen, dass dieser Neid, diese Wut, diese Missgönnen aus der Kindheit kommen soll. Daran beginne ich zu arbeiten.
Es gab eine lange Zeit (bis vor einigen Tagen), da war ich mit mir und unserem neuen Leben mehr als zufrieden. Sogar dankbar.
Und jetzt plötzlich ploppen immer wieder Dinge auf, Gefühle von großem Neid. Das schwächt meinen Selbstwert stark, aber ich habe gerade keine Ahnung, was ich dagegen tun kann und wie...
Ein Beispiel:
Ich war dieser Tage spazieren, im Wald. Sah am Eingang zwei Autos (KZ aus verschiedenen Kreisen) und ein Stück den Wald rein ein Pärchen auf einer Decke, die sich zärtlich vergnügten. Mittagspausen-Treffen. Für mich war zu 99% klar: die beiden sind kein festes Paar (Neid und Hass verbündeten sich in mir)
Und obwohl ich beide nicht kannte und auch nicht dort zwischen Zecken und sonstigem Viehzeug liegen wollte, gab es mir einen Stich.
Ich war neidisch, nicht auf die Frau, sondern mir wurde bewusst, dass ich mir diese Art der anfänglichen Verliebtheit und Zärtlichkeit fehlt.
Ich war neidisch auf meinen Mann, der diese Phasen trotz unserer Ehe noch einmal erleben durfte. Und ich fühlt mich von Leben zu kurz gekommen. Um eine Erfahrung betrogen...
Und auf dem Weg zurück fragte ich mich immer wieder: warum konnte ICH das nicht haben? Ich weiß, das ist dämlich, aber so habe ich es empfunden.
Warum will ich Gefühle haben, die ich gewiss so nie wieder empfinden werde (weil man diese ersten Verliebtheitsgefühle rein chemisch gar nicht mit seinem langjährigen Partner erleben kann)?
Ich liebe meinen Mann und wir haben unserer Beziehung eine Chance gegeben.
Wir arbeiten an uns und sind uns so nah wie nie in den 22 Jahren.
Woher kommt diese Sehnsucht? Und schlimmer als die Sehnsucht: woher kommt diese Missgunst, dass andere etwas erleben, was mir versagt bleibt? Der Neid auf meinen Mann und seine Geliebten, dass sie das haben konnten, was ich nicht haben konnte?
Weiß jemand, wie ich damit umgehen kann, dass ich solche Gefühle habe? Eine Soforthilfe für meine Gedanken?
Ich weiß, ich muss an mir arbeiten. Ich will an mir arbeiten. Ich bin sehr fleißig und gleichzeitig nicht sehr geduldig.
Danke für eure Tipps und Antworten.
2 Antworten
Verständlich, dein Mann hatte ein Erlebnis, das er sicher auch irgendwie gebraucht hat und du fühlst dich nun nicht nur betrogen sondern auch benachteiligt.
Rede mit deinem Mann darüber. Immerhin bist du diejenige, der eurer Beziehung eine neue Chance gegeben hat, also solltest du auch sage ich mal eine Freikarte bekommen, für diese Erlebnisse ebenfalls zu haben, ohne dass er eifersüchtig sein darf. Das wäre doch nur fair, oder?
Man lebt nur einmal, also warum legt man sich auf einen Partner fest? Das heißt ja nicht, dass man sich deswegen trennen muss, wenn alles andere harmoniert. Vielleicht könnt ihr mal Swingerclubs besuchen oder ihr einigt euch auf eine offene Beziehung mit euren eigenen Regeln. So etwas könnte sogar euere Bindung noch etwas verstärken und du musst nicht mehr eifersüchtig auf vermutliche Affairen am Waldrand sein.
Ich bin kein Therapeut und kann deswegen nur aus eigener Erfahrung sprechen.
Erst einmal habe ich gemerkt, dass der Mensch immer das will was er nicht hat. Das ist ja auch der Grund, weshalb Leute mit vollem Konto, coolen Autos und teuren Villen nicht automatisch glücklicher sind.
Hat man eine Beziehung würde man gerne frei sein.
Ist man frei, hätte man gerne eine feste Beziehung.
Hat jemand ein tolles Auto will man auch eines (so geht es mir).
Hat man ein tolles Auto, will man so ein tolles Haus wie der Freund/Kollege.
Dass ihr euch näher seid als noch nie ist mega schön. Dass du noch neidisch auf ihn bist, zeigt aber (in meinen Augen) dass du ihm nicht ganz verziehen hast. Ja das mit der Verliebtheit ist so eine Sache. Auch ich, in einer längeren Beziehung habe diese nicht mehr und meine Frau sicherlich auch nicht.
Dafür haben wir etwas tieferes. Eine tiefere Verbnundenheit. Wir unterstützen uns gegenseitig uns sind stolz aufeinander. Und nein, nicht jeder Tag oder jede Woche ist einfach. Auch bei uns gibt es Reibereien.
Was hilft mir jeweils?
Mach eine einfache Pro- und Contraliste. Und du wirst sehen dass die Pros wahrscheinlich überwiegen. Alles kann man nicht haben, aber wenn dann doch die Situation mit mehr Pros.
Es stimmt wohl, dass man meist das will, was man nicht hat. So bin ich normalerweise nicht. Ich glaube manchmal, der Neid und die Wut auf ihn, dass er "mehr" Gefühle und schöne Stunden hatte, ist mein Ego.
Nein, ganz verziehen habe ich ich noch nicht. Das steht außer Frage. Für mich ist nach 22 gemeinsamen Jahren meine heile Welt zusammen gebrochen.
Ich hätte meinem Mann so dreiste Lügen und Heimlichkeiten nicht zugetraut. Ich habe an unser Glück geglaubt, zusammen sein zu dürfen und dachte, er fühlt genauso. Gesagt hat er es. Bewusst verletzen oder gar austauschen wollte er mich nicht.
Auch er wollte sein Bild von sich, welches ich von ihm habe, nicht mit der Wahrheit zerstören. Auch er wollte wie ich nicht zugeben, dass wir innerlich eben manchmal nicht aus Liebe für den anderen fühlen, denken und handeln.
Ich dachte bis vor einem Jahr, dass auch wir diese Verbundenheit haben. Ich habe mir das einfach schön geredet. Das weiß ich erst, seit wir JETZT ganz anders und achtsamer miteinander umgehen. Rücksichtvoller und bewusster, was passieren kann.
Deshalb bin ich dankbar, auch wenn ich den meisten Schmerz ertragen musste.
Die Pro- und Conta-Liste ist eine gute Idee. Dankeschön dafür.
Ich werde versuchen, zu meinen Gefühlen zu stehen, auch wenn ich mich für manche schäme (wie eben für Neid und Missgunst). Wer gibt schon gerne zu, so zu sein?