Metrum von dem Gedicht 'wartende' von ulla hahn?

2 Antworten

@JoachimWalter (ich kann aus unerfindlichen technischen Gründen nur meine Beiträge, die meiner Freunde und unkommentierte Antworten kommentieren...)

Hast Du die Links gelesen? Im zweiten kann man ja nicht viel lesen.

Thema: "die Erwartungshaltung der Gesellschaft bezüglich der sozialen Kontakte der Frau und die daraus resultierende Einengung der Individualität". Das ist jedoch zu kurz gedacht - da hat jemand nur das halbe Gedicht gelesen. Ab dem Schnitt wird die Wartende doch selbstbewusst. Sie geht nicht, weil die anderen gucken, sondern weil es ihr zu dumm ist zu warten: Sie schlägt das Buch zu! Peng! Es stimmt nicht, dass die Verslänge unregelmäßig ist: Die ersten beiden Strophen sind vollkommen regelmäßig: Jambus, 5hebig, abwechselnd weibliche und männliche Kadenz, also abwechselnd 11 und 10 Silben. Unregelmäßig wird es erst in den Dreierstrophen - und ich würde das frei nennen! Das Prinzip "je kürzer der Vers, desto wichtiger die Aussage" finde ich völlig daneben. Der formale Bruch und die damit symbolisierte, veränderte Haltung der Wartenden wurde gar nicht erkannt. Für mich ist das keine 1-, weil an der Wartenden vorbei geschrieben wurde. Es ist nur von außen interpretiert, nicht von innen.

Bei den zwei Vierzeilern ist es ein regelmäßiger, 5hebiger und offensichtlicher Jambus mit abwechselnd weiblicher und männlicher Kadenz.

Dann findet ein Bruch zwischen den Vierer- und Dreierstrophen statt - sowohl inhaltlich als auch formal. Sie hat die ganze Zeit gewartet, ist in ihrem Buch versunken, hat sich in ihm versunken. Doch das Eis schmilzt. Sie taucht auf (aus dem Buch), aus dem Warten. Formal zeigt sich das durch den Bruch mit dem Metrum, durch die Zeilensprünge und den Strophensprung. Die letzten Strophen werden metrisch immer freier; während in der ersten Dreierstrophe noch der Jambus erkennbar ist, sind die ersten beiden Zeilen der letzten Strophe metrisch frei, dann übernimmt, wenn man die Form beachtet und nach Zeilen guckt, ein selbstbewussterer Trochäus die letzte Zeile. Die Form beachtend deshalb, weil diese Strophe durch die Zeilensprünge prosaisch ist. Die Wartende hat sich nicht nur inhaltlich gelöst vom Warten, sondern sich auch aus dem formalen Korsett der ersten beiden Strophen befreit.


earnest  11.09.2015, 09:03

Robert Gernhardt hätte gesagt: "Korsette find' ich sowas von besch.ssen ..."

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