Kennt jemand Gedichte zur Grossstadtlyrik?

2 Antworten

Das hattet ihr vermutlich auch schon, aber falls nicht: Städter von Alfred Wolfenstein:

Dicht wie Löcher eines Siebes stehn
Fenster beieinander, drängend fassen
Häuser sich so dicht an, daß die Straßen
Grau geschwollen wie Gewürgte stehn.

Ineinander dicht hineingehakt
Sitzen in den Trams die zwei Fassaden
Leute, wo die Blicke eng ausladen
Und Begierde ineinander ragt.

Unsre Wände sind so dünn wie Haut,
Daß ein jeder teilnimmt, wenn ich weine.
Flüstern dringt hinüber wie Gegröhle:

Und wie stumm in abgeschlossner Höhle
Unberührt und ungeschaut
Steht doch jeder fern und fühlt: alleine.


Besuch vom Lande, von Erich Kästner:

Sie stehen verstört am Potsdamer Platz
und finden Berlin zu laut.
Die Nacht glüht auf in Kilowatts.
Ein Fräulein sagt heiser: Komm mit, mein Schatz!
und zeigt entsetzlich viel Haut.


Sie wissen vor Staunen nicht aus und nicht ein.
Sie stehen und wundern sich bloß.
Die Bahnen rasseln. Die Autos schrein.
Sie möchten am liebsten zuhause sein
und finden Berlin zu groß.


Es klingt, als ob die Großstadt stöhnt,
weil irgendwer sie schilt.
Die Häuser funkeln. Die U-Bahn dröhnt.
Sie sind das alles so gar nicht gewöhnt
und finden Berlin zu wild.


Sie machen vor Angst die Beine krumm
und machen alles verkehrt.
Sie lächeln bestürzt. Und sie warten dumm.
Und stehn auf dem Potsdamer Platz herum,
bis man sie überfährt.


stxllae 
Beitragsersteller
 16.09.2015, 18:54

Danke schön aber das hatten wir schon im Unterricht :)

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Pangaea  16.09.2015, 18:57
@stxllae

Schade.

Aber ich habe noch eins, ist eiigentlich der Text zu einem Chanson von Hildegard Knef:

Berlin, dein Gesicht hat Sommersprossen,
und dein Mund ist viel zu groß,
dein Silberblick ist unverdrossen,
doch nie sagst du:"Was mach' ich bloß?"


Berlin, du bist viel zu flach geraten
für die Schönheitskonkurrenz.
Doch wer liebt schon nach Metermaßen,
wenn du dich zu ihm bekennst?


Berlin, du bist die Frau mit der Schürze,
an der wir unser Leben lang zieh'n.
Berlin, du gibst dem Taufschein die Würze,
und hast uns dein "Na und?" als Rettungsring verlieh'n.


Berlin, deine Stirn hat Dackelfalten,
doch was wärst du ohne sie?
Wer hat dich bloß so jung gehalten,
denn zum Schlafen kommst du nie.


Berlin, mein Gemüt kriegt Kinderaugen,
und mein Puls geht viel zu schnell,
nimmst du mich voller Selbstvertrauen
an dein verknautschtes Bärenfell.

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