Ich verstehe das Gefühl 'Liebe' nicht. (Achtung - langer Text)
Hallo,
ich verweile schon etwas länger auf diesem Planeten, doch was mir nie wirklich klar geworden ist, ist das Gefühl der Liebe. Ich verstehe dieses Phänomen nicht bzw. ich kann damit nichts anfangen.
Ich hatte schon öfters den Wunsch, für ein Mädchen etwas zu empfinden. Ich habe sehr oft die Schule gewechselt. In jeder neuen Klasse habe ich es mir dann schlußendlich zu meiner persönlichen Aufgabe gemacht, ein Mädchen zu "lieben": Sprich, ich habe mir eingeredet, sie würde mir gefallen, ich "liebe" sie nun. Doch gesagt habe ich es nie einer. Fragt mich nicht, wieso ich das tat, ich wollte es einfach auch, weil sehr viele in meinem (damaligen) Alter schon "verliebt" waren. Doch irgendein Gefühl kam nie auf. Selbst heute nicht. Ich bin nun schon etwas älter, doch das Gefühl ist mir stetig fremd geblieben. Ich gebe zu, im ersten Moment bin ich extrem oberflächlich, ich schaue auf das Äußere des Mädchen, ich leugne es nicht. (wie soll ich Charakter von außen her sehen können?). Natürlich, ich finde Mädchen schon irgendwie hübsch oder süß oder niedlich, aber wenn eines zu mir kommen würde und sagen würde, dass sie mich beispielsweise mag oder so, weiß ich nicht, wie zu reagieren, da ich dieses Gefühl nicht erwidern kann. Ich weiß nicht wie? Bin ich im Kontakt mit einem Mädchen, dass ich glaube gern zu mögen (was ich irgendwie dann auch tue), entsteht einfach nicht das "Gribbeln im Bauch", wie man so sagt. Es ist alles so - steril. Neutral. Ich habe viel Literatur über die Liebe gelesen, um mir irgendetwas anzueingen, aber ich habe mitbekommen, man kann es nicht erlernen oder so, oder ich stell mich einfach nur sehr ungeschickt an.
Ich möchte noch etwas ergänzen - vor knapp einer Woche habe ich , während ich durch die Stadt lief, ein Mädchen getroffen, welches geradewegs auf mich zukam. Sie hielt mir ein Klemmbrett hin, wo ein Zettel war. Es war irgendetwas zum spenden. Für einen Verein für Taubstumme. Denn auch sie war taubstumm. Sie tat mir irgendwie ungemein Leid, doch schien sie nicht wirklich unglücklich. Ich kenne sie nicht. ICh weiß nicht wer sie ist. Ich werde sie bestimmt nie wieder sehen. Doch denke ich oft an sie. Dabei war es allerhöchstens eine Minute, in der wir etwas miteinander zu tun hatten. Hat das mit Liebe zu tun? Ich fühle nicht wirklich was, wenn ich an sie denke, doch tu ich es oft. Oder ich fühle doch eine Menge, doch erkenne es nicht.
Was ist Liebe? Vielleicht hat sich ja tatsächlich jemand diesen Text durchgelesen, und weiß Antworten. Aufgrund der Zeichenbegrenzung musste ich massig kürzen.
Danke schon mal für die Antworten.
14 Antworten
![](https://images.gutefrage.net/media/user/Metoba60/1444744319_nmmslarge.jpg?v=1444744319000)
Hallo Myrick.
Die Bedeutung des Wortes Liebe wird häufig überschätzt und durch Literatur und Medien falsch interpretiert.
- Es gibt das Begehren. Das ist das Gefühl, wenn man den anderen aus Gründen der Körperlichkeit oder anderer Faktoren besitzen will.
- Es gibt die Sympathie. Das ist der Zustand, der sich einstellt, wenn die Chemie zwischen zwei Menschen stimmt.
- Es gibt das Klammern. Das ist die Verzweiflung, die einen überfällt, wenn man Angst hat, alleine leben zu müssen.
- Es gibt das Idealisieren. Das ist der Zustand, der eintritt, wenn wir jemanden auf ein Podest stellen, weil wir ihn zum anhimmeln brauchen.
- Es gibt die Nüchternheit. Das ist es, was der Kopfmensch bevorzugt, der glasklare, nüchterne Vorstellungen von einer Beziehung hat zum Überleben in der Gesellschaft und zur eigenen Fortpflanzung.
Liebe jedoch ist nur eines: Die beste Freundin der Zeit. Der beste Kamerad des Vertrauens. Der Dutz-Bruder der Gewohnheit.
Sprich, Liebe kommt niemals plötzlich auf einem flammenden Ross daher geritten. Sie braucht ihre bereits oben genannten drei Freunde um zu entstehen und um zu wachsen.
Ich persönlich habe Angst vor der Art Liebe, so wie sie viele Menschen verstehen. Sie verstehen darunter: Freiheitsentzug. Eigentum. Reine Körperlichkeiten. Macht über einen anderen Menschen.
Das ist nicht die Art von Liebe, die ich mir wünsche und die ich bereit bin anderen zu geben. Wenn ich "liebe" erwarte ich gar nichts von dem Objekt (sei es Mensch, Tier, Pflanze). Sie ist einfach da, weil sie ein Gefühl von mir ist, das oder denjenigen zu schützen und mich zu freuen, wenn es ihm gut geht. Ich möchte ihn nicht besitzen. Ich liebe ihn einfach.
MfG.
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Schöne Antwort. Besonders die Aufzählung (Begehren, Sympathie...) gefällt mir sehr. Jetzt fällt mir gerade nicht wirklich was ein, irgendetwas sinnvolles als Antwort zu schreiben, tut mir Leid. Ich finde die Antwort nur sehr gut, hab sie mir schon mehrmals durchgelesen - so habe ich das noch gar nicht gesehen. Danke schön.
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Liebe kann man nicht erlernen, das stimmt. Und zu spät um Liebe zu erfahren ist es eigentlich nie. Und was heißt denn "schon länger auf diesem Planeten"? Ich hab mich mit 18 das erste mal wirklich verliebt, ist also auch etwas später als die meisten.
Es muss ja einen Grund haben, dass sie dir nicht aus dem Kopf geht, das muss nicht unbedingt Liebe sein, aber wenn du so oft an sie denken musst, dann wird da schon ein Gefühl da sein. Versuch es zu erkennen, sei aber nicht enttäuscht, wenn es nicht Liebe ist.
Zu beschreiben was Liebe ist, ist schwer, da jeder Liebe anders empfindet, wenn du nach Zitaten zum Thema Liebe (z.B. Quotes Love) googelst, erhältst du vllt einen Eindruck was Menschen gefühlt haben. Aber sehe das nicht als die reine Wahrheit. Deine Wahrnehmung wird sich vermutlich noch verändern, mit der Zeit. Sei geduldig, versuch dich nicht zu zwingen etwas zu empfinden, auch wenn es dir schwer fällt, das ist eher kontraproduktiv.
Ich hoffe ich konnte ein wenig helfen, auch wenn es bei so einem Thema immer schwierig ist. Hast du denn weibliche Freunde?
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Unten die Themen Asperger und Autismus, hast du die hinzugefügt, Myrick, oder jemand anders? Bist du Autist?
Autismus ist nicht identisch mit Gefühllosigkeit!
Empfindest du nur Liebe, bzw. Verliebtheit nicht? Kribbeln im Bauch ist Verliebtheit, nicht Liebe, Liebe kommt erst danach.
Oder hast du generell Probleme, deine Gefühle zuzuordnen oder überhaupt erst zu erkennen, dass bzw. ob du Gefühle hast und welche?
Lies mal diesen Text:
http://de.wikipedia.org/wiki/Alexithymie
Ich möchte hier auch mal eine Lanze brechen:
Gehörlose Menschen mögen den Ausdruck "taubstumm" nicht so sehr, da sie sich selbst nicht als stumm empfinden, da sie - über andere Kanäle als die verbale Sprache - sehr wohl kommunizieren.
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Oh, die Themenpunkte "Asperger" und "Autismus" habe ich eigentlich nicht hinzugefügt... aber es ist richtig; ich habe das Asperger-Syndrom.
Es ist generell so, dass ich es mir sehr schwer tue, irgendwie Gefühle für etwas aufzubringen. Als mein Vater vor 2 Jahren aufgrund eines schweren Verkehrsunfalls ums Leben kam, konnte ich keine Trauer empfinden oder aufbringen, obwohl meine ganze Familie stetig trauerte und mich oft fragte, ob ich meinen Vater denn nicht vermissen würde. Ich konnte und wollte diese Frage nie beantworten, denn einerseits ist es mir bewusst, dass sie ein "Ja" hören wollen, weil es sonst auf Diskussionen aus wäre. Aber die richtige Antwort wäre "Nein" gewesen. Ich vermisse ihn nicht.
Ich kenne zwar Gefühle, sprich, ich weiß was sie bewirken, aber selbst hatte ich sie nie, auch ist es für mich sehr schwer, sie an anderen Menschen zu erkennen bzw. zu deuten, was mich dann auch oft überfordert, weil ich dann nicht weiß, was ich mit der Person tun soll, wenn sie zum Beispiel traurig ist oder so.
Und danke für die Richtigstellung - es war mir nicht bewusst, dass der Begriff "taubstumm" eher abwertend klingt. Danke.
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Ah, ok, ich bin auch Asperger-Autist. :-)
Es kommt durchaus vor, dass Asperger-Autisten auch alexithym sind, also gefühlsblind. Das ist nicht zwingend so, aber ich kenne zwei Aspies, die alexithym sind.
Evtl. kannst du den Psychiater, der dich diagnostiziert hat, mal darauf ansprechen, ob das auf dich zutreffen könnte.
Gefühle bei anderen Menschen nicht (so gut) erkennen zu können, gehört aber an sich schon zu Asperger. Mimik und Gestik interpretieren geschieht bei vielen, wenn nicht gar den meisten, Aspies nicht automatisch, sondern mehr oder weniger gut erlernt.
Kein Problem, ich wusste das auch lange nicht, dass Gehörlose das nicht mögen. Mit der Erklärung finde ich es halt verständlich. Und ich will ja auch nicht, dass Autismus als Krankheit betitelt wird zum Beispiel.
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Du schreibst weiter unten, dass du Asperger-Autist bist.
Daran hatte ich übrigens schon gedacht, bevor ich deinen Kommentar gelesen hatte.
Ich denke, Gefühle für einen anderen Menschen können sich verschieden äußern. Es müssen nicht unbedingt die Schmetterlinge im Bauch sein.
Ob die kurze Begegnung mit Liebe zu tun hat? Keine Ahnung, aber es ist schon vorgekommen, dass eine Sekunde so einiges - wenn nicht gar alles - verändert hat.
Entgegen landläufiger Meinung, haben Asperger-Autisten sehr wohl Gefühle. Manchmal sogar so viele, dass sie davon überwältigt sind.
![](https://images.gutefrage.net/media/user/jurihandl/1444747132_nmmslarge.jpg?v=1444747132000)
Liebe entsteht nicht einfach so wenn du jemanden siehst. Du kannst ein Mädchen hübsch finden, das heißt aber nicht das du sie liebst.
Ich kann es dir nicht genau sagen, aber laut deiner Beschreibung ist das taubstumme Mädchen das erste, welches dich wirklich interresiert.
So fängt es an. Du denkst oft an sie. Willst sie wieder sehen. Machst dir gedanken über sie. Wenn du sie dann wirklich öfter siehst und dich an ihre Gesellschaft so gewöhnt hast und dich dabei so Wohl fühlst, dass du nicht ohne sie sein willst, fängst du an sie zu lieben!
Hör auf es finden zu wollen! Das ist wie bei einem Handy. Es klingelt nicht, wenn es sich beobachtet fühlt!
Ich werde es wohl nie wirklich erfahren, was ich genau für sie empfinden - oder eben nicht, da ich keine Ahnung habe, wer sie wirklich ist, woher sie kommt und das alles. Es ist eher sehr unwahrscheinlich, dass ich sie wieder per Zufall in der Stadt treffen würde.
Um ehrlich zu sein, habe ich nur weibliche Freunde. Mit den anderen Jungen komme ich nie wirklich klar bzw. fällt es mir bei ihnen viel schwerer, irgendetwas zu machen (ein Gespräch führen oder so).
Danke für die Antwort.