Das gilt bei uns alles als unprofessionell. Wenn ich z.B. daran denke, dass mein Vater vielleicht in 10 Jahren Tod ist, wenn er so alt wird wie sein Vater, dann möchte ich am liebsten jeden Tag Zeit mit ihm verbringen. Da erscheint mir jede Zeit weg von daheim als elende Verschwendung.
Oder wenn ich ganz aktuell schaue: Es gibt viele Verwandte, bei denen es vielleicht in zwei, drei Jahren vorbei ist. Verwandte, wo man jetzt schon merkt, dass es steil bergab geht. Da ist für mich der Gedanke, nur am Wochenende in der Heimat zu sein, eine absolute Horror-Vorstellung, weil ich dann so viel Zeit wie möglich noch mit ihnen verbringen möchte.
Auch Familienfeste, Geburtstage, heimische Traditionen usw. Ich hab nie Angst, die weite Welt zu verpassen; ich hab in der weiten Welt immer Angst, meine Heimat zu verpassen.
Ich krieg allein schon beim Gedanken an einen Wegzug Heimweh, obwohl ich noch gar nicht weg bin.
Aber wenn ich mit anderen Leuten darüber rede, dann werd ich immer ein bisschen verspottet. Ich gelte als Weichei.
Es gibt ja Leute, wo z.B. die Kinder in Frankfurt und die Eltern in Hamburg wohnen und wo man sich vielleicht höchstens an Weihnachten mal sieht. Das wär für mich der reinste Horror. Wenn mein Vater dann noch 5 Jahre leben würde, würd ich ihn dann ja nur noch 5 Tage mal sehen. Ich weiß echt nicht, wie Leute das aushalten.
Ich bin 20, aber ich kann immer erst beruhigt ins Bett gehen, wenn ich ein Bussi vom Papa bekommen habe, weil ich immer denk, das könnte ja die letzte Nacht sein. Und manchmal würd ich am liebsten wie als Kind im Bett zusammen mit meinen Eltern schlafen.
Und bevor ihr mir irgendwelche Komplexe unterstellt, ich hab meine Freunde genauso lieb und möchte sie am liebsten immer um mich herum haben.
Aber wenn ich sowas irgendwo erzähle, werd ich immer nur ausgelacht oder mir wird gesagt, dass ich erwachsen werden soll.