Katholisch: Kein Sex vor der Ehe - Ist da was dran (bitte um Erklärung)?

4 Antworten

Da sich sowohl der evangelische als auch der katholische Glaube beide auf dasselbe Buch beziehen, kann ich dir auch antworten^^

In der Bibel selbst findest du soweit ich weiß keinen direkten Hinweis darauf, dass Gott es von dir erwartet. Kontextual hat es natürlich damals sehr viel Sinn gemacht (siehe die anderen Kommentare), aber nur weil das heute vielleicht nicht mehr ganz zutreffend ist, heißt das nicht, dass es nicht trotzdem gut sein kann zu warten.

Wenn du selbst katholisch bist und das deinetwegen fragst, lass mir dir dazu zwei Gedanken mitgeben.
a.) Du solltest so eine Frage nicht hier stellen, sondern sie mit Gott bequatschen.
b.) Wenn du quasi kurz davor stehst und die Entscheidung anhand der Antworten dieser Community triffst, dann glaube ich - unabhängig von deinem Glauben - dass du noch nicht bereit bist.

Auch wenn unsere Gesellschaft das inzwischen vergessen hat (oder es frohlockend ignoriert) ist Sex etwas besonderes und nichts, was man einfach so weggibt. Der Grund dafür liegt nicht in dem was Andere über dich sagen (übrigens auch nicht andersherum) oder weil du dann ein ganz besonders guter Katholike bist, sondern ganz einfach an dir. Die Regeln die Gott aufstellt sind nicht dazu da, um dir das Leben zu versauen, sondern um dein Herz zu beschützen. Beim ersten Mal wird ein Hormon namens Oxytocin ausgeschüttet (bei jedem Mal, aber beim ersten Mal am stärksten) und das bindet dich körperlich und seelisch an deinen Partner.

Beim Sex geht es nicht um Selbstbefriedigung und dein Partner ist nicht dein Sexspielzeug, sondern es geht um Vertrauen und es ist ein Geschenk. Ob du warten willst ist trotzdem eine Entscheidung zu der du dich nicht drängen lassen solltest. Vor allem die Menschen hier im Forum (mich eingeschlossen) können dir nicht sagen was richtig ist, denn wir denken alle anders und alle subjektiv darüber.

Damals hat es Sinn gemacht, da eine schwangere unverheiratete Frau starke gesellschaftliche Probleme hatte.

Zudem durfte man sich damals so gut wie nicht scheiden lasen, es war also ein "sicheres" Umfeld (mit Mutter und Vater) für das Kind garantiert.

Zudem zeigt es, dass die Ehe etwas heiliges war und man sie so ehrt.

Ich habe mehrere Freundinnen und Bekannte, die auf Sex vor der Ehe verzichten wollen. Viele von ihnen sind sehr gläubig, die eine aber gar nicht.

Die Jungfräulichkeit soll eben auch etwas reines darstellen, auch durch das (ganz) weiße Brautkleid gezeigt.

Ich habe mich dagegen entschieden, auch wenn mein Opa vermutlich "durchdrehen" würde, wenn er es wüsste... Er war bei meiner Mutter sehr streng, auch wenn sie sich nicht dran gehalten hat. :D

Mir persönlich war wichtig, dass ich auf jemanden warte, mit dem ich mir eine Zukunft vorstellen kann (also wirklich langfristig mit Hochzeit, evtl. Kindern usw.) und nicht einfach direkt mit dem erstbesten Freund zu schlafen. Daher habe ich auch länger gewartet, ehe ich mir sicher war. Man weiß ja nie was er will und plant, aber für mich sollte es "der eine" sein und wir sind nun schon fast 4 Jahre glücklich zusammen, mit einigen Schicksalsschlägen die wir zusammen durchgestanden haben.  

Keine Ehe vor dem Sex!

Jungfräulichkeit wird oft völlig überbewertet. In ferner Vergangenheit war eine jungfräuliche Braut die Gewähr dafür, dass der frischgebackene Ehemann nicht versehentlich die Nachkommen eines Konkurrenten großzieht bzw. eine ledige Mutter ohne Versorger mittellos zurückbleibt. Daher haben praktisch alle Religionsstifter den vorehelichen Verkehr zur "Sünde" erklärt und entsprechend sanktioniert - was ja auch durchaus gut gemeint und mangels Alternativen der einzig mögliche Weg war. Daher hat diese Praxis und das Ideal der Enthaltung bis zur Ehe auch Eingang in viele Kulturen gefunden.


Leider gibt es immer noch Kulturen, welche diese (und andere - ich sag nur "Ernährungsvorschriften") gut gemeinten jahrhundertealten Regeln bitterernst nehmen ohne diese in den Kontext der heutigen Zeit zu setzen - bis hin zum (Ehren-)Mord... .
Dank Geburtenkontrolle, Safer Sex und Vaterschaftstest sind die eigentlichen Beweggründe für die Forderung nach Jungfräulichkeit längst obsolet. Jetzt geht es nur noch um den obskuren Begriff der "Ehre" - wobei meiner Meinung nach der wichtigste Beweggrund die Angst vor dem Vergleich ist ("Was ist, wenn meine Frau/mein Mann mit einem meiner Vorgänger mehr Spaß hatte...?").

Interessant ist, dass dieses Ideal dann allerdings oft mit allerlei Doppeldeutigkeiten umgangen wird. So ist es manchen Muslimen gestattet eine Zeitehe einzugehen - d.h. ein Mann kann eine Frau (Prostituierte) für eine Stunde "heiraten" und verstößt so nicht gegen heilige Gebote. Viele Gläubige - auch in der christlich-amerikanischen "Purity-Bewegung" haben einfach bis zur Ehe ausschliesslich Oral- und Analverkehr und bleiben so "rein" und "jungfräulich" bis zur Ehe... . Sex ist ja etwas, was den Partner nicht "abnutzt" oder "entweiht" - warum also das ganze Bohei?

Ob man also sein modernes Leben nach den Buchstaben uralter Schriften und Gebräuche richtet und ein schlechtes Gewissen haben muss, weil man nicht mehr lebt wie vor tausend und mehr Jahren, muss jeder für sich entscheiden bzw. sich überlegen, ob er sich von anderen Menschen (Pfarrer, Imam, Rabbi oder sonstwem) sein Leben diktieren lassen möchte.

Menschen mit gesundem Selbstbewusstsein begrüßen es, wenn die Frau/der Mann auch noch andere Erfahrungen hatte, denn sonst fragen sich viele erst später, wie es denn mit einem anderen Partner wäre und gehen irgendwann fremd... . Da Sex auch ein wichtiger Faktor in einer Beziehung ist (auch wenn einige Moralapostel dies immer wieder bestreiten), sollte man sich auch im Bett verstehen. Hier den Partner erst zu heiraten und dann herauszufinden, ob man die gleichen Vorstellungen von gutem Sex hat, ist als würde man an der Schiessbude versuchen einen Treffer zu landen - blind und mit nur einem Schuss. Viel Glück dabei... .

Die Vorstellungen einer romantischen Hochzeitsnacht zweier Jungfrauen ist in der Praxis dann auch weit weniger romantisch als verkrampft, bemüht und peinlich - dann lieber eine(n) Partner(in) mit Erfahrung.

Seid nett aufeinander!

R. Fahren

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Langjährige Tätigkeit als Life-Coach und Fachbuch-Autor

bine12  03.08.2019, 17:27

Chapeau, mein lieber. Klasse und lebensklug wie immer! Danke!!!

Das ist relativ, früher hat das natürlich definitiv Sinn gemacht, da dabei auch das Kind ein Kriterium war, aber heute halten sich wohl nur sehr strikte Gläubige daran, vor allem wenn man bedenkt wie stark die Generationen sich nun unterscheiden. Es ist auch nicht mehr so unüblich nur zusammen zu leben, ohne verheiratet zu sein, meist wird dann halt noch zwecks Steuer geheiratet. 

Im Endeffekt bin ich mir ziemlich sicher, dass viele Leute Sex vor der Ehe haben, schließlich Heiratet man ja nicht nach 1 Monat in dem man zusammen ist, sondern nach einer längeren anhaltenden Beziehung... sonst könnte man ja die ganzen Paare die sich mit 16-17 gefunden haben und mit 20-21 wieder trennen, (Schule, Uni, Arbeit, Umzug ändert teils die Sicht auf die Dinge), Scheiden lassen. 

Außerdem ist ja der Sex auch ein Bestandteil einer Beziehung, wenn dieser gar nicht erst ausgelebt wird und später dieser bemängelt wird, ist das auch nicht eine Beziehung der gesunden Art. 

Klar gibts dabei ausnahmen, aber kenne von meinen, "Christen-Freunden" keiner der sich da so strikt daran hält, finde es schon bemerkenswert, das sie jeden Sonntag in die Kirche gehen und auf Kirchlichen Events jedesmal aushelfen.