Warum wird in Deutschland und auch anderen EU-Ländern nicht darauf geachtet, dass der ländliche Raum attraktiv bleibt?

5 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Das ist leider wie so oft eine simple Geldfrage. Die Landflucht ist hausgemacht und schon seit Anfang der 70ger im Gange .Früher waren kleine Gemeinden eigenständige Kommunen mit eigener Verwaltung und eigener Infrastruktur. Kleine Gemeinden wurden eingemeindet und verloren ihre Selbständigkeit. Verwaltung und damit der größte Teil der Mitbestimmung wurden an die Hauptgemeinden abgegeben. Was sich in den letzten Jahrzenten nur schleichend bewegte multipliziert sich nun rapide seit den letzten Jahren. Auch hat die Privatisierung von Grundbedürfnissen einiges dazu beigetragen.

Eine kleine Gemeinde, nehmen wir als Beispiel die in der ich wohne, ländliche Gegend mit etwa 750 Einwohnern. Bis Mitte der 70ger noch selbständig. Ausgestattet mit vier Einzelhandelläden, Bäckerei, Schuhmacher, Frisör, Metzgerei, Arztpraxis, Grundschule, Kindergarten, Post, zwei Bankfilialen, Schwimmbad, Fotoladen, Briefkästen, Telefonzellen und noch ein paar Kleinigkeiten die diese Gemeinde zu einem Wohnraum mit perfekter Infrastruktur machten.

Übrig geblieben sind die Bäckerei die Grundschule, nach einigen Kämpfen blieb sie erhalten, Schwimmbad, nur erhalten durch einen Förderverein, und der Kindergarten. Die Infrastruktur ist völlig zusammen gebrochen. Folgen sind der Verlust von vielen Arbeitsplätzen und der Lebensqualität. Ortsansässige Kinder suchen ihre Zukunft in den umliegenden, größeren Städten. Dadurch gehen sie der Bevölkerung auf kurz oder lang verloren.

Durch die Privatisierung nehmen wir als Beispiel nur mal die Post gilt Angebot und Nachfrage. Es lohnen sich die teureren Investitionen einfach nicht um so eine kleine Gemeinde zu versorgen. Früher gehörte so was zur Grundversorgung. Bezahlen dürfen wir natürlich diesen miesen Service genauso wie das komfortable Angebot der Großstädte.

Sicher kommen jetzt auch Einzelhändler in den Hauptgemeinden in Bedrängnis durch heranrückende Großkonzerne.

Unser Leben wird von Gewinnmaximierung bestimmt und geleitet. Da ist es am billigsten die Herde auf einem Haufen zu haben. Ob das für die Zukunft die richtige Lösung ist wage ich zu bezweifeln.

Ich will mir gar nicht ausmalen was passiert wenn es einmal zu einem unerwarteten Ereignis kommt und die Infrastruktur in einer riesigen Metropole zusammen bricht.

spelman 
Fragesteller
 14.05.2019, 13:17

Du beschreibst haargenau das Problem, dass ich meine.

Ich hatte die Frage ja auch absichtlich im Rahmen des hier angepriesenen EU-Themenspecials gestellt. Leider ist offenbar doch kein Vertreter der EU-Kommission anwesend oder mag sich dazu äußern.

Ja, Geld ist das Thema. Ich glaube aber, wenn man die Gesamtrechnung aufmacht, also inklusive Energie (CO2), verbrauchter Rohstoffe, Wasser- und Abwasser-Problemen und vielleicht sogar die Lebensqualität in Betracht zieht, dass die Mega-Städte sehr deutlich teurer für die Gesellschaft werden.

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KingLouis1  14.05.2019, 13:37
@spelman

Sicher ist das eine teuere Angelegenheit...aber für wen? Rate mal wer das alles bezahlt. Die Verantworlichen stehlen sich aus der Verantwortung. Heute schiebt man Ziele vor sich her. Je weiter desto besser. Sicher ist die konzentation von Abgasen CO2 ein grosses Problem, aber wenn ich dann Vorschläge höre man sollte solche Messtationen nicht gerade hier auftstellen. Da drüben, ein paar hundert Meter wäre es ja nicht so schlimm, da muss ich mir schon am Kopf kratzen. Ja warum stellt man die nicht gleich im Stadtwald auf. Da ist es doch bestimmt noch perfekt in Ordnung. Früher hätte man jedem mit so Aussagen den Vogel gezeigt, heute ist es Medienfähig. Auch ist es leicht die Bevölkerung zu manipulieren. Nehem wir das Beispiel Plastikmüll. Die ganze Bevölkerung schreit entrüstet auf und versucht jede Plastiktüte zu umgehen ohne sich einmal die richtige Frage zu stellen.

Wie kommt MEIN Plastikmüll,den ich trenne und gesondert entsorge, in dafür vorgesehene Behälter deponiere, ja die sogar dafür vorgesehen sind ins Meer??????

Ich denke wenn man darüber etwas nachdenkt würde die Lösung des Problems irgendwo anderst liegen als ob ich eine Tüte mehr oder weniger benutze.

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Schön ich träum auch manchmal von gebraten Tauben die einem in den Mund fliegen.

Ich wohne in einem 50 Seelen Dorf. Also dann bauen wir ein Gymnasium. Klar in dem wären 10 Schüler. Ein Skatepark wäre auch toll und eine U Bahn

spelman 
Fragesteller
 14.05.2019, 12:54

Bist Du in dieses Dorf gezogen, oder wohnst Du dort, weil Du dort aufgewachsen bist? Oder anders gefragt: wieso wohnst Du in diesem kleinen Dorf?

Ich meine nicht, dass jedes 10-Häuser-Dorf ein Gymnasium haben soll. Aber in kleine Städte, die häufig von solch kleinen Dörfern umgeben sind, könnten es, wenn man nicht alles zentralisieren würde. Das Problem ist doch heute, dass die Jugend mit der Ausbildung oft weit weg zieht. In der Regel bleiben sie dann in der Stadt, kommen zu Festtagen zu den Eltern zurück, freuen sich, dass alles noch so ist "wie früher", arbeiten dann weiter in der Stadt, bis irgendwann die Eltern sterben. Dann erkennen sie, dass dieser Ort, den sie in Erinnerung haben, nicht mehr da ist. Den Rückweg gibt es nicht, weil es dort eben keine Arbeitsmöglichkeiten gibt. Ich kenne Menschen, die daran zerbrochen sind.

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DaAnzeiger  14.05.2019, 12:56
@spelman

Das Elternhaus steht dort. Auch habe es in der 60.000 Einwohner Stadt versucht bin aber gescheitert.

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Hallo,

vielen Dank für diese wichtige Frage! Wir können hier nur für die EU-Ebene sprechen und nicht für die einzelnen Länder.

Und da, auf EU-Ebene, gibt es einige Instrumente, die wir den EU-Ländern geben können, um das Leben im ländlichen Raum attraktiver zu machen. Vor allem gibt es verschiedenen EU-Fördertöpfe - das Geld daraus verteilen nicht direkt wir, sondern die Behörden vor Ort, in Deutschland also die Bundesländer. Und sie können EU-Geld gerade auch in die Entwicklung des ländlichen Raums investieren.

Zum einen besteht die Landwirtschaftspolitik der EU nicht nur aus der "klassischen" Förderung für Landwirte über die Direktbeihilfen, sondern auch aus einer sogenannten zweiten "Säule", bei eine der Prioritäten die "Entwicklung der ländlichen Wirtschaft und der ländlichen Gemeinschaften, einschließlich der Schaffung und des Erhalts von Arbeitsplätzen" ist.

Auch den Europäischen Sozialfonds (ESF) und den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) können die Staaten und Bundesländer nutzen, um in den ländlichen Raum zu investieren.

Aber neben Geld gibt es hier noch viele andere Themen: zum Beispiel unterstützt die Kommission auch Initiativen im Bereich eHealth, damit auch in ländlichen Gebieten ärztliche Versorgung sichergestellt ist - selbst wenn eine Arztpraxis weiter weg ist.

Viele Grüße,

das Presseteam der Vertretung der Europäischen Kommission

spelman 
Fragesteller
 15.05.2019, 13:35

Danke für die Antwort. Das es Fördertöpfe gibt, ist eine gute Sache. Entscheidend ist, was damit tatsächlich geschieht und wie gut die Effekte der Förderung kontrolliert werden.

Eine häufige Kritik an Förderungen, welche die Landwirtschaft betreffen, ist, dass "nach Fläche" gefördert wird, also die großen Agrarbetriebe am Meisten erhalten. Ziel sollte es jedoch sein, Betriebe zu fördern, die möglichst viele Leute einstellen, Landschaftspflege und Umweltschutz betreiben.

Wichtig ist ja auch die medizinische Versorgung auf dem Land. eHealth ist sicher eine Möglichkeit. Viele Menschen bevorzugen aber den direkten Kontakt. Hier muß es Erleichterungen geben für Ärzte, die tageweise Sprechstunden auf dem Land anbieten.

Das Wichtigste sind und bleiben aber die Schulen. Wenn die Jugend ab der 5. Klasse ins Internat in die Großstadt geht (ich kenne solche Fälle, mit dem Schulbus in 1,5h Umkreis kein Gymnasium zu erreichen), kommt sie nicht zurück.

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Sinnvoller wäre die Infrastruktur zu verbessern.

spelman 
Fragesteller
 14.05.2019, 12:48

Welche Infrastruktur, und wo?

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Das ist zyklisch und vollkommen normal. Irgendwann wird es wieder die „Landflucht“ geben, wie in den 90ern.

spelman 
Fragesteller
 14.05.2019, 12:42

Es gibt ja Familien, die aufs Land ziehen. Bevorzugt mit noch kleinen Kindern. Leider arbeiten die Eltern dabei aber trotzdem in der Stadt und nehmen lange Pendelwege auf sich, damit ihre Kinder auf dem Land aufwachsen. Sind die Kinder dann der Grundschule entwachsen, stellen die Familien fest, dass es keine weiterführenden Schulen in erreichbarer Nähe mehr gibt, geben das Landleben auf und ziehen wieder in die Stadt.

Das "Dorf wie früher" ist nicht mehr zu halten, zu wenige Menschen arbeiten in der Landwirtschaft, welche die Haupt-Erwerbsquelle auf den Dörfern früher war. (Es sollten allerdings wieder mehr sein, wenn man Glyphosat und Co vermeiden will!) Meine Vorstellung wäre es kleine Städte zu fördern bzw. aus Dörfern kleine Städte zu entwickeln, die Arbeitsplätze, Schulen etc. vor Ort bieten, auch Landwirtschaft, aber eben noch klein genug sind, dass es überschaubar bleibt, vieles zu Fuß oder mit dem Fahrrad erledigt werden kann, und die Menschen die Natur dennoch vor der Haustür haben.

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Lord2k14  14.05.2019, 12:52
@spelman

Sinnvoller wäre, die Infrastruktur aufs Land zu verbessern. Züge, Busse, etc...

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spelman 
Fragesteller
 14.05.2019, 12:59
@Lord2k14

Einerseits ja. Aber das ist ja auch immer mit viel Energie verbunden (die wir sparen sollten, das ist die einfachste Art, CO2-Emissionen zu reduzieren!). Andererseits sind lange Wege, auch bei guter Infrastruktur, auch Lebenszeit. Gut wäre es, wenn man seinen Lebensmittelpunkt (Arbeit, Wohnen, Schule) lokal hat, und Verkehrsmittel nur ein- oder zweimal in der Woche benötigt, um Besorgungen oder Besuche zu machen.

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