Ich komme zwar nicht aus Russland, bin aber Südländerin und muss gestehen, dass ich dir in vielen Punkten erfahrungsgemäß Recht geben muss. Will damit nicht sagen, dass es so in der Tat ist, sondern dass ich selber diese Erfahrungen gemacht habe.
Wenn ich unten bin, frage ich die Leute in den Geschäften manchmal aus Jucks heraus, was sie von den Deutschen so halten. Durch und durch größtenteils Positives, aber: in 9 von 10 Fällen ist die Standardaussage gefallen
„Die sind so kühl und emotionslos“ oder aber, dass dieses Familienwesen, was bei uns nunmal sehr stark ausgeprägt ist, bei den Deutschen (heißt jetzt nicht bei allen!) kaum bis gar nicht ausgeprägt ist. Da heißt es des Öfteren „Du bist 18, kannst jetzt auch ausziehen, Tschau.“
Sowas würde es bei uns gar nicht geben. Bei uns ist es vielmehr so, dass es die Leute mit tiefer Trauer erfüllt, wenn die eigenen Kinder das Haus verlassen. Sie werden unheimlich vermisst und gerade dazu drum gebeten, so oft wie möglich doch bitte anzurufen oder wieder einzuziehen. Also alles weitaus emotionaler. Kann man jetzt negativ oder positiv sehen. Ich fand es jedenfalls immer wundervoll, dass meine Familie unabhängig von meinem Alter tagtäglich an meiner Seite ist und ich mich jederzeit auf sie verlassen kann und umgekehrt genauso. Mein Vater hat größtenteils deutsche Kumpels und auch die haben ihm schon häufig gesagt, wie toll sie diesen familiären Zusammenhalt bei uns finden und dass sie sich dieses an sich auch mal von ihren eigenen Kindern wünschen würden, weil die teilweise kaum noch Kontakt hätten und eher Distanz und Ignoranz - eben Kühle - herrscht. Kenne aber mit Sicherheit auch deutsche Familien, bei denen das so ähnlich ist wie bei uns.
Was Liebe und Beziehungen betrifft, stimme ich deinen Ausführungen auch zu. Gerade bei uns Mädels ist es höchste Eisenbahn, wenn mit 30 noch kein richtiger Lebenspartner da ist. Da mischen sich bei uns tatsächlich auch Freunde und Bekannte ein, aber noch recht subtil und nicht allzu aufdringlich. Also die setzen einen jetzt nicht unter Druck oder starten Verkuppelungsaktionen. Vielmehr spitzen die ihre Öhrchen und wenn sie da einen passenden Single Kandidaten finden, dann heißt es manchmal „Der ist doch ganz süß. Schreib ihn doch mal an.“ Ob man es dann macht oder nicht, bleibt einem selbst überlassen. Unsere Freunde, Familien und Bekannten wollen dann natürlich auch, dass man dann glücklich wird und einen Partner an der Seite hat. Teilweise ist es sogar recht extrem, wenn es z.B. eine etwas hoch betagte Dame sein sollte oder aber auch Mann und diese unverheiratet sind, bzw. kinderlos, dann kriegt man bei uns tatsächlich den Stempel draufgedrückt „Mit ihm/ihr stimmt doch was nicht, dass da nix an Partner oder Kindern ist.“ Ist ein mieses Vorurteil und auch nicht gerade fair, wenn sich Menschen tatsächlich dazu entschlossen haben sollten, einfach alleine zu bleiben. Etwas, was „unsere Leute“ niemals verstehen würden, weil es für sie eine absolute Selbstverständlichkeit ist, ab einem gewissen Alter auch mal Nägel mit Köpfen zu machen. Ganz so wirklich lässt es sich nunmal auch nicht leugnen, weil der Wunsch nach Liebe und Geborgenheit in unserer Natur liegt.
Was jetzt die Anzahl der Kinder betrifft, so teile ich deine Aussagen nicht. Es ist halt dem demographischen Wandel (Wirtschaft, Lebensstandard etc.) verschuldet, dass die Geburtenrate nicht so hoch ist, wie in Ländern mit einem geringen Entwicklungs- und Lebensstandard.