Trauma wäre übertrieben. Schlimme Erlebnisse in der Tat. Normalweise rede ich nicht darüber, aber da hier alles anonym ist, warum nicht.

"Was ist passiert?"

Eine alkoholkranke Mutter, die es nicht nur schaffte die Familie in 5 Einzelteile zu zerlegen, sondern auch durch ihre Aggressivität aufgefallen ist. Bei 4,0 Promille noch vernünftig reden und stehen zu können Respekt. Sie schaffte es das Familienauto, in ihrem alkoholisierten Zustand, kaputt und trocken gefahren. Die Scheidung meiner Eltern kam wenig später. Sie war betrunken an meinem Geburtstag, nächtlicher Terror etc. Sie zog betrunken durch die Siedlung und versteckte in jedem Winkel des Hauses ihre Sektflaschen. Bei der Hausräumung mehr als 100 Stück gefunden. Ich hatte den Fehler gemacht bei ihr zu bleiben, da ich Standortveresessen war. In dem Haus war ich aufgewachsen, ich kannte nichts anderes und wollte nicht in die Nachbarstadt. Auch kein Leben in einer Mietwohnung. Es war für mich befremdlich und ich war krankhaft konservativ eingestellt. Damals war ich 11 oder 12 und mein Vater schlug mich in noch früherer Kindheit mit der Faust, der Gürtel kam entweder zum würgen oder peitschen. Aber mein Vater ging in Therapie und unterließ vorerst jegliche gewaltvolle Auseinandersetzung. Meine Schwester wurde nie geschlagen, mein Bruder nur sehr wenig. Als einziges und jüngstes Kind von drei wurde ich besonders in Mitleidenschaft gezogen, weshalb das Verhältnis weniger gut war, als das zu meiner Mutter. Aber das Haus war der Hauptgrund. Da hingen die Erinnerungen dran, die mir in dieser schweren Zeit blieben.

Mit meiner Mutter allein dauerte es nur zwei Tage bis sie wieder Alkohol nahm. Alleine mit einer alkoholkranken Mutter mit 11 oder 12. Irgendwann ging das Essen aus und der nächste Supermarkt war zu Fuß oder mit dem Fahrrad nicht erreichbar. Glücklicherweise kamen manchmal meine Großeltern vorbei - die eine weite Anreise haben. Aber da sie so weit entfernt wohnen, konnten sie nicht bleiben. Mit anderen Worten, ich war wieder allein und rationierte mir die Lebensmittel. Meine Mutter hungerte währenddessen aus. Sie wollte nur Alkohol. Selbst als ich ihr Essen anbot und ihr was kochte, sie wollte nie. Nach einer Zeit bekam ich Angst, dass sie sterben würde. Eine Woche ohne Essen und nonstop Alkohol mit Leberzirrhose ist kritisch.

Zwischenzeitlich eskalierte es auch mit der Gewalt, als ich Initiative ergriff und ihren Alkohol wegkippte. Daraufhin zertrümmerte sie mir meinen Fernsehr, meinen PC konnte ich mit Mühe retten, indem ich ihr auf den Kopf schlug. Manchmal sperrte ich mich auch im Bad ein um den Kampf zu entkommen.

Das einzige was mir blieb war die Schule und die Politik, an die ich mich wie an einem Strohhalm klammerte.

Nach einer Zeit kam auch das Jugendamt. Sie sahen einen blauen Fleck an ihrer Stirn und ich galt plötzlich als Schuldiger und als unerziehbar. Ich versuchte es denen zu erklären, was zählt ist aber nur der blaue Fleck an der Stirn und ich musste für ca. eine Woche ins Heim. Als 12 Jähriger wurde ich damals nicht für voll genommen. Ich nahm meiner Mutter sogar das Geld weg, damit sie sich kein Alkohol mehr kaufen konnte und ich am Kiosk noch ein paar Getränke und Süßes holen konnte. Stattdessen nahm sie das Eurosammelalbum (habe auch so eins) meines Vaters und plünderte es. Die D-Mark Scheine waren auch weg.

Nach der Woche (die schlimmste meines Lebens), ich hatte geheult wie ein Schlosshund, kamen dann beide Elternteile zu einem Gespräch, was mit mir nun geschehen solle. Mein Vater wollte mich zunächst nicht, weil er kaum Platz in seiner neuen Wohnung hatte. Bei meiner Mutter konnte ich nicht mehr. Im Heim wollte ich nicht. Als keine Einigung erzielt wurde und ich auch nicht zu meinen Großeltern wollte, da ich sonst die Schule wechseln müsste (Standortversessenheit) hatte ich am Tisch erneut geheult. Mein Vater bekam Mitleid und nahm mich auf.

Das Leben normalisierte sich mit der Zeit. Meine Schwester zog irgendwann aus, ich konnte das gemeinsame Zimmer mit meinen Vater verlassen, mit der Zeit kam auch wieder Geld in die Kassen, wir hatten nämlich nur einen Betonboden gehabt und Decken zum schlafen darauf. Zumindestens für die ersten paar Monate. Später konnten wir Laminat verlegen, mein eigenes Zimmer wieder etc. Auch konnten wir was anderes als Dosensuppe essen.

Bis zu jenem Tag, an dem Teil 2 meines Schicksalsschlages kam. Ich nenne diesen Abschnitt Verrat. Nach meiner Kur in Rheinland Pfalz (das war in der Zeit, wo die Krim gerade von Russland besetzt wurde - ich kann mich noch an die riesigen Schlagzeilen der Zeitungen erinnern) hatte sich mein Vater gerade von seiner ersten Freundin getrennt, die unheimlich nett war und sehr fürsorglich dazu. Er lernte wieder eine neue, die zweite, Freundin kennen und diese war weniger nett und noch weniger fürsorglich. Und da mein Vater unheimlich beeinflussbar ist, meine Schwester war inzwischen selbstständig, mein Bruder auch, lebte ich mit meinen Vater alleine.

Er war teilweise die ganze Woche weg und dann war ich wieder ganz alleine. Ich verstand mich mit der neuen Freundin auch nicht besonderlich, bis der Tag kam, an denen diese zusammeziehen wollten. Das hieß für mich wieder Umzug, eine neue Stadt, neue Schule, die Standortveresessenheit war nach wie vor stark, aber er wollte mir ihr zusammenziehen und heiraten - nach ein paar Monaten Bekanntschaft. Gesagt getan stieß dieses Vorhaben sowohl bei mir, als auch bei meiner Schwester auf Widerstand. Und meine Schwester ist maßgeblich tonangebend und überzeugend. Sie ist das geborene Alphatier. Schlimmer als Oskar Lafontaine.

Es kam kurzzeitig zur Trennung zwischen meinen Vater und der neuen Freundin, da sich ein einfacher Witz, den meine Schwester äußerte, hochgespielt hatte. Mein Vater und seine Freundin trennten sich also, meine Schwester brach den Kontakt zu meinen Vater ab (bis heute unverändert), mein Bruder blieb neutral. Ich war erstmal irritiert, aber erleichtert zugleich. Kein Umzug. Doch mein Vater war in Trauer. Er hat geflennt und trotz der Warnung meiner Geschwister, mich nicht einzumischen (Gott war ich ein Idiot) musste ich meinem Vater helfen. Also griff ich zum Telefon und rief seine Freundin an. Unsere Beziehung war sehr unterkühlt, aber solange meine Vater glücklich war, war ich es auch. Ich sagte ihr, ich werde eure Beziehung wieder richten, wenn du mir versprichst, dass ihr bis zu meinem Auszug (der noch etwa drei kurze Jahre dauerte, zu diesem Zeitpunkt) nicht zusammenzieht, weil ich gerne auf der Schule bleiben wollte. Standortversessenheit. Das gleiche Versprechen nahm ich meinem Vater ab. Ich rief sie an, da sich beide noch liebten, es aber voneinander nicht wussten und stellte den Kontakt wieder her, und erklärte die Situation, beide sprachen sich aus, versöhnten sich, waren wieder zusammen. Beide waren mir dankbar und spendierten mir sogar ein großzügigen Restaurantbesuch, nur mir gewidmet.

Selbst die Freundin sagte, sie hätte mich total falsch eingeschätzt, mag mich eigentlich doch bla bla bla. Ich war ein Narr.

Denn beide hielten es für angemessen ihre Pläne weiterzuverfolgen, wollten wieder zusammenziehen, das Verhältnis distanzierte sich wieder, mein Vater war wieder über Wochen weg, ich wieder allein und sollte mit wegziehen. Ich versuchte an das Versprechen zu erinnern, mein Vater zitierte mir unverschämterweise zum gebrochenen Versprechen sogar Adenauer: "Was gehen mich meine Reden von gestern an", ich versuchte mit der Freundin zu sprechen und als ich ihr mein Herz auschüttete, warum ich nicht umziehen wollte, sagte sie eiskalt und im Ton leicht beschämt: "Versink jetzt bitte nicht in Selbstmitleid." Damit endete das Gespräch. Ich fühlte mich schamlos ausgenutzt, meine tonangebende Schwester pflichtete mir zum ersten Mal bei, aber er war bereits in seiner Mid-Life Crisis angekommen. Er hatte vor allem Angst vor dem Älter werden.

Mein Verhältnis zu meiner Mutter war derweil wieder unterkühlt, war mit ihr einmal bei McDonalds essen gegangen, zur Aussöhnung, holte mich schon betrunken ab, baute ein Unfall, Fahrerflucht, beleidigte mich, ich lief zu Fuß zurück... Danach ging sie in Therapie, wie schon 100 Mal zuvor auch.

Mit meinem Vater kam es dann auch wieder zu Handgreiflichkeiten. Sich vorher noch entschuldigt für die gewaltvolle Kindheit, die ich hatte, kam es wieder zu kämpfen. Ich beschwerte mich wieder alleine zu sein, der Kühlschrank war wieder leer, er beschuldigte mich dass ich Essen irgendwo bunkern und verstecken würde, was absurd war - ich hatte einfach nur viel Hunger, wie es als Heranwachsender damals so war - er nahm mich infolge der Meinungsverschiedenheit in den Schwitzkasten, schlug mich wieder ins Gesicht und einmal überlegte er im Gerangel und den gegenseitigen Beleidigungen, die wir beide von uns gaben, sogar meinen Kopf wirklich umzudrehen. Dann würde ich heute nicht diesen Text schreiben.

Er versuchte auch im Zwist meinen PC zu zerstören, woran meine Mutter scheiterte, in dem er die Sicherung so oft an und aus machte, bis mein PC den Geist aufgibt, der war damals schon sehr alt. Glücklicherweise konnte ich vorher den Hauptschalter betätigen. Er räumte Stück für Stück mit der Zeit Wohnung leer, war nur noch gelegendlich Zuhause und als der Kühlschrank leer war, ich wütend war, mein Vater mich beschuldigte Essen zu bunkern, kam es wieder zum Streit, den er bedauerte und mir wenigstens noch Brötchen kaufte und sich so entschuldigte, indem er mir die Brötchentüte vor den Kopf pfefferte und die Brötchen sich im Zimmer verteilten.

Er zog aus, plante mich wieder bei meiner alkoholkranken Mutter einzuquartieren, ohne Absprache, die in die Nähe meiner Schule zog und trotz Therapie schaffte sie es nur ein Jahr trocken zu bleiben.

Alles oben genannte wiederholte sich, nur ohne Jugendamt, ich durfte von meinem eigenen ersparten Essen kaufen gehen (zum Glück gab es um die Ecke Supermärkte), verlor hunderte Euros, was eigentlich für Führerschein und Studium gedacht war und jetzt gibt es nicht mehr viel zu erzählen. Die Schulzeit ist vorbei, die letzte Abiturprüfung am 1.6 und in diesem Herbst bin ich raus.

Mein Vater erklärte mir vor kurzem, dass er mir finanziell nicht helfen wird, ich schwarzarbeiten solle (toller Vater), meine Mutter, die immerhin seit letzten Herbst trocken ist, kann nicht vom Gehalt her, vorher ALG2 Empfängerin und so setze ich auf meine Schwester, die mir Unterstützung anbietet, aber kaum noch mit mir spricht, da sie ebenfalls einen neuen Freund hat und wir uns im letzten Urlaub in Berchtesgarden über wirkliche Kleinigkeiten stritten und ihn abbrachen. Mein Bruder neutral wie immer am studieren.

"Mit wem habt ihr darüber geredet?"

Mit niemanden. Nicht einmal mein bester Freund weiß wo ich derzeit wohne, oder was ich durchgemacht hatte, da ich schlicht nicht bemitleidet werden möchte. Ich möchte für das akzeptiert werden, was ich leiste. Nur die Leistung eines Menschen zählt und nicht die Vergangenheit, Familie oder Herkunft. Es wissen nur zwei Personen außerhalb meiner Familie den ersten Abschnitt dieses Textes und es soll auch so bleiben.

"Warum redet ihr nicht darüber?"

Siehe oben.

"Habt ihr Hilfe aufgesucht?"

Nein, nie. Selbst das Jugendamt war unangenehm und unbrauchbar. Diese Leute können nichts und haben kein Verständnis für nichts. Die haben ihre Protokolle, die sie eisern abarbeiten, ihre 0815 Vorgehensweise für jeden Fall, denken mit ihren Programmen, während der Woche im Heim zu helfen oder mit ihren Psychospielen, die jeder kennt, tiefgreifende Probleme aufzugreifen. Das sind überzahlte Versager.

Hilf dir selbst, so hilft dir Gott. Das ganze Leben habe ich mich immer irgendwie alleine durchgeboxt und komme damit gut klar. Niemand aus meiner Familie hat auch nur annähernd so viel Blödsinn erlebt wie ich.

"Habt ihr aufgegeben?"

Nein, nie. Dafür ist mein Ehrgeiz zu groß. Außerdem habe ich Pläne für die Zukunft. U.a. mein Jura-Studium.

"Was sagt ihr zu Verwandten?"

Nur so viel, wie sie wissen müssen. Details werden entfernt oder zensiert.

...zur Antwort