Der Verteidiger von Dönitz war sehr erfolgreich

Otto Kranzbühler (Jurist) – Wikipedia

Im Oktober 1945 – er tat inzwischen Dienst als Flottenrichter beim Deutschen Minenräumdienst – wurde er über die Briten von Dönitz gebeten, ihn bei den Nürnberger Prozessen vor dem Internationalen Militärgerichtshof zu verteidigen. Von den deutschen Verteidigern war er derjenige, der am besten mit dem angelsächsischen Gerichtsverfahren zurechtkam und die Technik des Kreuzverhörs sehr gut beherrschte. Zu seinem Assistenten wählte er den ehemaligen U-Boot-Kommandanten, Fregattenkapitän Hans Meckel, welcher sich fortan mit der Suche nach entlastendem Material befasste, wofür er auch nach London reiste.

Kranzbühlers Mandant Dönitz war wegen der Anklagepunkte 1, 2 und 3, nämlich Verschwörung gegen den Weltfrieden, Planung, Entfesselung und Durchführung eines Angriffskrieges und Verbrechen und Verstöße gegen das Kriegsrecht angeklagt. Unter Anklagepunkt 3 stand im Vordergrund das von Dönitz eingeräumte „Versenken feindlicher Handelsschiffe ohne Vorwarnung“, was gegen das Londoner U-Boot-Protokoll von 1936 verstieß, denn Handelsschiffe mussten gemäß dem Abkommen zunächst aufgebracht und die Mannschaft des Schiffes in ihren Rettungsbooten in Sicherheit gebracht werden.

Allerdings konnte für Kranzbühler das Argument „Ihr macht das doch genauso“, also das tu quoque (lat. für „du auch“), keinesfalls ein Argument der Verteidigung sein, weil es keine Gleichbehandlung im Unrecht gibt. Er argumentierte daher, dass Handelsschiffe, die sich zu Kriegszwecken als Geleitschutz von Zerstörern einsetzen ließen bzw. solche, die selbst mit Seekriegswaffen ausgestattet waren, keine Handelsschiffe im Sinne des Londoner Abkommens sein könnten. Der Internationale Militärgerichtshof akzeptierte auf seinen Antrag hin das Einreichen eines Fragenkatalogs, mit welchem ermittelt werden sollte, wie die amerikanische Marine in solchen Fällen verfuhr, und übermittelte diesen dem obersten Admiral der US Navy, Nimitz, zur Beantwortung. Nimitz antwortete freimütig, dass die amerikanische Marine unter „Handelsschiff“ nur solche verstehe, die keine Kampfschiffe seien, dass auch die eigenen U-Boote feindliche Handelsschiffe, die nicht Lazarettschiffe waren, ohne Vorwarnung torpedieren würden und dass die Rettung der in Seenot geratenen Personen nur erfolgen würde, wenn eine Gefährdung der U-Boot-Mannschaft auszuschließen sei.

Mit dieser Antwort war der Vorwurf des „Versenkens von feindlichen Handelsschiffen ohne Vorwarnung“ praktisch entkräftet und das drohende Todesurteil abgewendet. Für die Angriffe auf neutrale Schiffe erfolgte jedoch eine Verurteilung wegen des Anklagepunktes „Verbrechen und Verstöße gegen das Kriegsrecht“. Kranzbühler erwirkte für seinen Mandanten in Bezug auf den Anklagepunkt der Verschwörung gegen den Weltfrieden einen Freispruch und insgesamt eine zehnjährige Haftstrafe.

Auch ein Zeichen dafür, dass es eben kein Schauprozess war, bei dem die Urteile schon vorher feststanden.

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