Luzifer ist eine gewachsene Entität, die schwer zurückverfolgbar ist. Den Ursprung hat der Begriff "Lucifer" in der Erwähnung in der Antike als Morgenstern. Der Venusaspekt scheint der griechischen Entsprechung des Morgensterns Eospheros entliehen zu sein. Es ist anzunehmen, dass "Lucifer" als eine intellektuell illuminierende Qualität angesehen wurde, so findet man auf antiken Münzen mit Gottesdarstellungen Luna und Diana in der luziferischen Entsprechung mit Fackeln in der Hand (abgedruckt: "Lvna Lvcifera" und "Diana Lvcifera").
In der Mythologie gibt es leider nur wenig interessante Sagen über Eosphoros.
Interessant ist in dem Zusammenhang die Symbolik der Erleuchtung, der Gnosis, die sich in der griechischen Mythologie auch in Form des feuerspendenden Prometheus findet, den Zeus davon abhalten will, den Menschen das Feuer (symbolisch auch hier wieder im illuminierend-gnostischen Sinne zu verstehen) zu schenken.

Offiziell ist Prometheus nicht mit Luzifer assoziiert, es sind unterschiedliche Entitäten. Interessanterweise lässt sich aber ein Zusammenhang mit dem "Fall" konstatieren. Entgegen der weiter unten aufgestellten Behauptung, Luzifer als judeo-christliche Entität habe den Menschen Anerkennung versagt, die auf keinerlei Quellen beruht, findet sich in den biblischen und apokryphen Quellen eine andere Darstellung des Sachverhalts:

Hierzu zitiere ich zuerst aus Genesis, also 1. Buch Mose, Kapitel 6:

"1 Und es geschah, als die Menschen begannen, sich zu vermehren auf der Fläche des Erdbodens, und ihnen Töchter geboren wurden,

da

sahen die Söhne Gottes die Töchter der Menschen, dass sie gut waren,

und sie nahmen sich von ihnen allen zu Frauen, welche sie wollten

.

Da sprach der HERR: Mein Geist soll nicht ewig im Menschen bleiben

2

, da er ja auch Fleisch ist

3

. Seine Tage sollen 120 Jahre betragen.

In

jenen Tagen waren die Riesen auf der Erde, und auch danach, als die

Söhne Gottes zu den Töchtern der Menschen eingingen und sie ihnen Kinder

gebaren. Das sind die Helden, die in der Vorzeit waren, die berühmten

Männer.

Und

der HERR sah, dass die Bosheit des Menschen auf der Erde groß war und

alles Sinnen der Gedanken seines Herzens nur böse den ganzen Tag.

Und es reute den HERRN, dass er den Menschen auf der Erde gemacht hatte, und es bekümmerte ihn in sein Herz hinein.

Und der HERR sprach: Ich will den Menschen, den ich geschaffen habe, von der Fläche des Erdbodens auslöschen

4

,

vom Menschen bis zum Vieh, bis zu den kriechenden Tieren und bis zu den

Vögeln des Himmels; denn es reut mich, dass ich sie gemacht habe.

Noah aber fand Gunst in den Augen des HERRN."

Die Formatierung ist etwas ungünstig geraten - das ist ein Zitat aus der Elberfelder Bibel, Du kannst es auch online in einschlägigen Quellen selbst nachschlagen (in besserer Formatierung). Zum Verständnis: die "Söhne Gottes", die im 2. Absatz Erwähnung finden, sind Engel im Gefolge YHWHs.

Während in Genesis nur die Entstehung der Nephilim (der Riesen) als ein Grund für den Fall dieser Engel dargestellt wird (ob der Frechheit, sich mit dem unwerten Menschen "gemein" zu machen), so wird es im apokryphen Henochbuch SEHR deutlich. Besonders im Vergleich zum Sündenfall in Genesis ist hier wieder die Erleuchtung des Menschen und die Gemeinmachung von Gottessöhnen (Engeln) und Menschensöhnen (auch, aber nicht ausschließlich im sexuellen Sinne) ausschlaggebendes Motiv. Das geht - neben der Illumination des Wissens um die Kriegskunst - soweit, dass sogar das Verschriftlichen, das Kreative als für den Menschen verdammenswert dargestellt wird: " 8 Und der vierte heisst Penemue; der hat den Menschenkindern das Bittere und Süße gezeigt, und hat

ihnen alle Geheimnisse ihrer Weisheit kundgethan. 9 Er hat die Menschen das

Schreiben mit Tinte und Papier gelehrt, und dadurch versündigen sich viele von Ewigkeit zu Ewigkeit und bis auf den heutigen Tag. 10 Denn die Menschen

sind nicht zu derartigem geschaffen: mit Feder und Tinte ihre Treue zu bekräftigen. 11 Denn die Menschen sind (zu) nichts anderem als die Engel geschaffen, als gerecht und rein zu bleiben, und der Tod, der alles vernichtet, hätte

sie nicht angerührt; vielmehr durch diese ihre Erkenntnis gehen sie zu Grunde,

und durch diese Kraft verzehrt er mich." (1. Buch Henoch, Kapitel 69).

Infolge dessen werden alle verantwortlichen Engel auf ewig von Gott abgeschnitten, verdammt, etc. Ihr "Anführer" hieß Samyaza.

Im Gegensatz zu Samyaza, gibt es bzgl. Luzifers nur eine außerordentlich interpretationswürdige Stelle, die von Manchen als ein Omen auf den "Absturz" eines weltlichen Königs gedeutet wird. Samyaza hat also eindeutig einen gewissen luziferischen Aspekt, wenn man sich die historischen Zusammenhänge anschaut. Auch die Parallelen zur Prometheussage sind frappierend.

Wie auch immer wir uns etymologisch an das Phänomen annähern, so ist Luzifer selbst in judeo-christlicher Ausprägung nicht gleichbedeutend mit DEM Satan. DER Satan ist ohnehin in der jüdischen Mystik ein weites Feld.

Ich bin nicht gebildet genug, um diese Frage schlußendlich zu beantworten, aber Luzifer (gleich welcher Entsprechung, welcher Herkunft - ob im streng biblischen Sinne als "Kollektiv" oder einzelne Entität Samyaza oder im griechischen Sinne als "Eosphoros") erscheint immer als ein ausgleichender Faktor, dem alle Elemente immanent sind - Er tritt sowohl als Schöpfer wie auch als Zerstörer auf. Seine Essenz ist das Wissen, der Intellekt (traditionell "Luft"), Er ist aber nicht darauf alleine reduziert. Eine höchst komplexe Entität, die sich in vielen Formen in mehreren mystischen Lehren findet.

Vom christlichen Standpunkt aus IST Gott; alles, was nicht ist, ist Satan. Kosmologisch schwer zu erklären - letztlich wird Adonai in christlichen Lehren häufig auf seinen Status als Demiurg mit Rauschebart reduziert, aber in der jüdischen Mystik ist es viel klarer - alles, was ist, ist Adonai. Die Dualität ist (um es mal in einer etwas konziseren Sprache zu formulieren) thingness und no-thingness. Satan ist no-thingness. (Eine ähnliche Entität findest Du in der ägyptischen Mythologie mit Apep. Sutekh [Set] wird zwar aufgrund Seiner Opposition und Stärke dieser Tage oft "verteufelt", aber auch Er kämpfte gegen Apep - ist also in diesem Sinne keine a priori destruktive Entität).

Luzifer als gefallener Engel dürfte eine gewisse Nähe zu Samyaza haben - zumindest ist das meine Theorie. Gemein ist allen Figuren eine Suche nach Wissen und Freiheit durch Wissen. In der judeochristlichen Mystik ist Freiheit nur in der Opposition zu erreichen, weil alles, das ist, Adonai IST. Das macht es im Rahmen dieser Axiome schwer, auszubrechen, weshalb Thaumiel zu einem spirituellen Ziel wird, wenn man Freiheit erlangen will. Das ist - im Rahmen dieser Mystik - das immanente Problem. Ursprünglich jedoch ist Luzifer (Samyaza?) nicht a priori Satan. In der judeochristlichen Mystik ist Satan a priori älter als alle Gottessöhne.

Luzifer als illuminierende Entität, auf der Suche nach Freiheit durch Wissen, Erlösung in der Gnosis, Freude und Lebensbejahung ist älter als die judeochristliche Mystik und vielen verschiedenen Gottheiten als Entsprechung immanent.

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