Ich vertrete eine völlig andere Perspektive als die bisherigen Antworten, die ich für falsch, snobistisch und voller Stereotypen halte.

Ich bin ein europäischer Bürger (Südeuropa), der seit Jahren in Deutschland lebt und in seiner Freizeit verschiedene Kampfsportarten ausübt (BJJ, Ringen und Boxen). Viele schreiben das Vorhandensein von mehr Ausländern als Deutschen in Kampfsportschulen dem patriarchalen System und der Macho-Kultur zu. Ich glaube absolut nicht, dass dies die dominierende Ursache ist. Ich glaube, dass die Wahrheit darin liegt, dass das Leben in einem fremden Land, das trotz der schönen Worte über "Vielfalt" und ähnliches, tatsächlich äußerst konservative und wenig inklusive Strukturen wie Deutschland aufweist (zum Beispiel halte ich das deutsche Bildungssystem persönlich für eines der schlechtesten in Europa, das auf Klassismus und Diskriminierung beruht), eine gewisse Frustration mit sich bringt, die irgendwie herauskommen muss.

Davon abgesehen sind viele Kampfsportarten wie Ringen, Boxen oder sogar MMA in vielen ausländischen Ländern Volkssportarten, und viele Menschen aus Ländern wie dem Iran, Tschetschenien oder auch Osteuropa oder Südeuropa betreiben diese Sportarten aus Leidenschaft und nicht, um anderen auf der Straße zu verprügeln.

Sicherlich gibt es gewalttätige Elemente in Kampfsportschulen, aber ich kann aus persönlicher Erfahrung sagen, dass sie nur eine Minderheit sind, die niemand in den Trainingsgruppen mag und die nicht selten von den Trainern nach ein paar Monaten ausgeschlossen werden. Das gesagt habend, hier ist meiner Meinung nach eine Liste von Gründen, warum Deutsche im Allgemeinen keine Kampfsportarten praktizieren:

1) "German Angst": Der durchschnittliche Deutsche fürchtet sich vor jedem möglichen Risiko und zieht es vor, sein ganzes Leben lang in seiner Komfortzone zu bleiben, ohne jemals etwas Neues auszuprobieren. Man sieht es daran, dass im Durchschnitt jeder Deutsche zehn Lebensversicherungen hat und mindestens zwei psychosomatische chronische Krankheiten. Eine Kampfsportart birgt eine gewisse Menge (wenn auch minimales, wenn nich auf Profi-Niveau praktiziert) Verletzungsrisiko in sich, und der Deutsche hat schlichtweg Angst davor.

2) Eine schwierige Vergangenheit, die verdrängt, aber nicht verarbeitet wurde: Deutschland wurde nach dem Zweiten Weltkrieg völlig umprogrammiert, und alles, was mit "Kampf" zu tun hat, wird als Tabu betrachtet oder als etwas, das merkwürdige unterdrückte Instinkte wieder aktivieren könnte und irgendwie der extremen Rechten nahesteht. Deshalb meiden viele Deutsche sorgfältig Kampfsportschulen und nehmen schon von Kindheit an die falsche Vorstellung auf, dass jeder Konflikt über einen Vermittler (Lehrer, Professor, Polizei, Hausverwaltung, Richter usw.), aber niemals durch direkte Konfrontation gelöst werden sollte.

3) Klassismus: Wie die Antworten hier zeigen, werden Kampfsportschulen als etwas für ausländische Unterschicht angesehen, die keine Ahnung davon haben, wie man sich wirklich verhält und die in rückständigen Gesellschaften leben, die nicht auf Augenhöhe mit dem "großen Deutschland" sind. Ein echter deutscher Gentleman kämpft nicht, beleidigt nicht und verbringt sicherlich keine Zeit mit Russen, Italienern, Tschetschenen, Südamerikanern und so weiter. Bis er sich dann wiederfindet, ohne zu wissen, was er tun soll, wenn Worte nichts mehr nützen und der Vermittler nicht sofort einsatzbereit ist (wir erinnern uns an die Vorfälle in Köln vor einigen Jahren).

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