Das Hellenistische Judentum war eine Bewegung in der griechischsprachigen jüdischen Diaspora, die versuchte, die hebräisch-jüdische Volksreligion in die Sprache und Kultur des Hellenismus zu übersetzen und damit als Religion jenseits einer einzigen Ethnie zu etablieren. Die wichtigsten Quellen findet man bei den Schriften des Philo von Alexandria und bei Flavius Josephus im 1. Jahrhundert n. Chr. als Einzelautoren. Außerdem sind die sogenannten Apokryphen sehr aufschlussreich für die Geschichte und Theologie des hellenistischen Judentums. Ebenfalls zu nennen sind die sogenannten Pseudepigraphen. Durch die wechselvolle Geschichte des fruchtbaren Halbmondes wurden die Israeliten auf der syro-palästinischen Landbrücke mehrfach militärisch besiegt. Anschließend wurden jeweils Teile der Bevölkerung deportiert. Dabei zeigte sich im Babylonischen Exil von 587-538 v. Chr., dass das Judentum auch unabhängig von dem Land Israel und dem Heiligtum in Jerusalem weiterexistieren konnte. Nach dem Kyros-Edikt von 538 v. Chr. kehrten nicht alle Israeliten zurück, das Judentum in der Diaspora („Zerstreuung“) war geboren. In der Zeit der Diadochen kam es immer wieder zu Konflikten zwischen den Juden mit ihrem Autonomiestreben und den hellenistischen Herrschern, was immer wieder auch zu Judenverfolgungen führte. Die Bücher der Makkabäer berichten davon. Dies sorgte dafür, dass sich jüdische Gemeinden nicht nur in Babylon hielten, sondern überall im Mittelmeerraum gründeten. Seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. wuchs die Diasporagemeinde in Ägypten stark an. Eines der wichtigsten Zentren wurde Alexandria im Nildelta. Die Juden fühlten sich wie die Griechen als Kolonisten und strebten daher auch nach den Bürgerrechten der Griechen, um an den städtischen Privilegien zu partizipieren. Es gelang ihnen nicht vollständig, sie genossen jedoch einen privilegierten Rechtsstatus einer religio licita mit begrenzter Gemeinde-Selbstverwaltung. Sie zogen sich damit jedoch den Hass der weitgehend entrechteten ägyptischen Landbevölkerung zu. Für die jüdische Gemeinde galt weiterhin Jerusalem und sein Tempel als religiöses Zentrum. Zum Ärger der lokalen Behörden entrichteten sie die Tempelsteuer dorthin. In Alexandrien versuchte das Judentum, seine Weltanschauung in griechischer Sprache und im Rahmen griechischer Philosophie auszuformulieren. Der wohl wichtigste Meilenstein dabei ist die Übersetzung der hebräischen Bibel ins Griechische, die Septuaginta. Gleichzeitig hatte sich das Judentum gegen die Vorwürfe zu verteidigen, ein östlicher Aberglaube und eine primitive Nomadenreligion zu sein. Ein wichtiger Vermittler zwischen dem jüdischen Gesetz und dem griechischen Denken war, nach Vorläufern wie Aristobul und Pseudo-Aristeas, Anfang des 1. Jahrhunderts n. Chr. Philo von Alexandria. Er stellte das Judentum als eine altehrwürdige Religion dar, die durch ihren Monotheismus besser mit der aristotelischen oder platonischen Philosophie übereinstimme als der polytheistische Olymp. Die teilweise schwierig vermittelbaren Gesetze versuchte Philo als moralisch und tugendhaft darzustellen, Begriffe, die bei den Griechen bekannt und positiv besetzt waren. So sprach Philo etwa von einer „Beschneidung des Herzens“, die die Laster und Triebe beschneidet, zum Wohl der Selbstbeherrschung und Förderung der Tugend. Ein weiterer wichtiger Autor war am Ende dieses Jahrhunderts der jüdische Feldherr und Historiker Joseph ben Mathitjahu, später bekannt als Flavius Josephus. Auch er hatte das Ziel, das Judentum gegen antike Vorurteile zu verteidigen und es als tugendhafte Religion darzustellen. Seine Geschichte des Judentums von seinen Anfängen bis zu seiner Gegenwart verfasste er im Sinne einer hellenistisch-aufgeklärten Denkweise. Darüber hinaus sind diverse Schriften überliefert, die ethisch-moralischen Charakter haben (z. B. das Spruchgedicht des Pseudo-Phokylides) oder auch spekulativ-apokalyptisch erscheinen. Teilweise wird beides miteinander vermischt. Erkennbar ist, dass die Hellenisierung des Judentums nicht unumstritten war. Viele Autoren hielten diese Kompromisse mit dem Zeitgeist für einen Abfall vom rechten Glauben und rechneten mit einem Gericht Gottes über sein Volk. Unter den nichtjüdischen Zeitgenossen erntete das hellenistische Judentum nicht nur Kritik, sondern gewann eine große Zahl an Sympathisanten (sogenannten Eusebes oder Gottesfürchtige) und Übertritten (sogenannten Proselyten), auch in wohlhabenden und gebildeten Kreisen. Dabei war die Schwelle zum Übertritt für Frauen niedriger als für Männer, die (aus unter damaligen hygienischen Bedingungen auch durchaus naheliegenden Gründen) vor einer Beschneidung zurückschreckten und im Sympathisantenstatus blieben. Es ist nicht endgültig geklärt, wie das hellenistische Judentum an Bedeutung verlor und letztlich unterging. Das aufkommende Christentum, das ebenfalls eine Synthese aus Judentum und Hellenismus darstellt, spielte dabei vermutlich eine wichtige Rolle.

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