Warum muss ich eigentlich die Produkte, die ich in-den-Himmel-hoch-lobend vorführen und anpreisen soll und die von den "Party"-TeilnehmerInnen ja auch zuhauf gekauft werden sollen und somit dann ja mein Arbeitsmaterial darstellen, selbst in eigener Vorleistung erwerben...? Ein regulärer Arbeitgeber stellt das Arbeitsmaterial sowie die komplette Infrastruktur des Arbeitsplatzes zur Verfügung. Wäre es dann nicht logisch, dass auch die saubere Firma proWIN das Arbeitsmaterial sowie eine vernünftige Arbeitsplatz-Infrastruktur zur Verfügung stellt bzw. wenn sie dieses nicht tut, es dann entsprechend monetär vergütet...? Oder zumindest das Vorführmaterial (= Arbeitsmaterial) kostenlos zur Verfügung stellt...?

Dieses immer so hochgelobte Geschäftsmodell des Network Marketing bringt automatisch ganz viele Problematiken mit sich, die einfach auf die einzelnen BeraterInnen abgewälzt werden. Im einzelnen wird dies an folgenden Punkten deutlich:

  • Es wird kein reguläres Arbeitsverhältnis angeboten, sondern eine Scheinselbständigkeit (die immer so nett als selbständiger Vertrieb oder Direktvertrieb umschrieben wird): Die BeraterInnen sind keine regulär angestellten MitarbeiterInnen der Firma, sondern vertreiben quasi als selbständige Subunternehmer auf Provisionsbasis die Produkte der sauberen Firma - ohne die Ansprüche eines regulären Arbeitnehmerverhältnisses = ohne Anspruch auf Urlaub, auf Ausgleich im Krankheitsfall, auf geregelte Arbeitszeiten, Zulagen für Arbeitszeiten nach 20:00 Uhr oder an Sonn-/ Feiertagen usw. und ohne Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen (Kranken-, Arbeitslosen-, Renten-, und Pflegeversicherung) - ergo müssen sich die BeraterInnen auch komplett selbst versichern und ein Gewerbe anmelden.
  • die BeraterInnen tragen selbst und ausschließlich ALLEIN das Geschäftsrisiko: sie müssen selbst zusehen, dass das Geschäft ans Laufen kommt, müssen viel netzwerken und dabei auf ihre PRIVATEN Netzwerke zurückgreifen bzw. aktivieren, müssen Freunde, Verwandte, Nachbarn etc. dazu überreden und teilweise regelrecht beknien und nerven, dass sie als "Gastgeber" ihre privaten Räumlichkeiten als Verkaufsraum inklusive kostenfreier Verköstigung der anderen "Gäste" (oder besser Verkaufsopfer?) zur Verfügung stellen (oder falls sie niemanden finden, selbst die eigene Privatwohnung als Verkaufsraum zur Verfügung stellen), sie müssen zusehen, dass sie ausreichend Umsatz einbringen, erhalten jedoch keinen Verdienstausgleich oder Entschädigungen für bereits geleistete Arbeiten bei Ausfall von Terminen, ebenso bei nicht sehr gewinnbringenden "Partys" - ganz im Gegenteil wird dies dann eher als Schwäche oder schwache Leistung bzw. Faulheit und Unvermögen der BeraterInnen verunglimpft und es gibt Schelte von der sog. "Förderin" / VL /BezirksberaterIn - als quasi zwischengeschaltete Vorgesetzte, die dann natürlich auch nix mitverdient (an den MEGAprodukten oder der Unternehmensstruktur liegt es selbstverständlich NIEMALS!) Das gesamte Risiko wird vom Konzern also auf die BeraterInnen abgewälzt.
  • die Verdienststruktur beruht auf einem reinen Provisionsmodell. Verdient wird nur bei Verkauf der Waren, je mehr verkauft wird, desto höher natürlich der Verdienst. Die BeraterInnen werden also dazu angehalten, den "Gästen" (Opfern?) möglichst teure und viele Produkte - meist über den Bedarf hinaus - zu verkaufen ohne Rücksichtnahme auf deren finanzielle Möglichkeiten, Bedürfnisse und auch unter Missachtung der ökologischen Werthaftigkeit der Produkte (Ökologische Verträglichkeit wird hochmotiviert propagiert - auf Nachfragen kann aber nie näher erläutert werden warum auf den meisten Putzmitteln meist mehrere Gefahrensymbole für Gesundheit und Umwelt abgedruckt sind... hmmm, sehr fragwürdig...). Der meiste Gewinn wird jedoch an den Konzern weitergereicht, die BeraterInnen behalten lediglich einen prozentualen Anteil. Selbst die Versandkosten für die Bestellungen und das Weiterverteilen an die Kunden müssen selbst getragen werden... Im Prinzip verläuft das System folgendermaßen: Die "Gäste" bestellen die ziemlich überteuerten Produkte (oftmals reicht beim Putzen auch ne Flasche Essig, Spülmittel, Backpulver und durchaus auch Zahnpasta vollkommen aus!), die BeraterInnen bestellen dann zu vergünstigten (Achtung! Hier gibt es verschiedene Stufen, die man sich erst einmal erarbeiten muss, aber auch auf eine niedrigere Stufe wieder zurückfallen kann!) aber trotzdem noch viel zu hohen Vertieblerpreisen die jeweiligen Produkte beim Konzern, lassen sich die Waren nach Hause zustellen und bringen die Waren dann zur "Gastgeberin", die in der Zwischenzeit das Geld bei ihren Freundinnen eingetrieben hat. Von diesem Geld muss dann ja die Rechnung bei proWIN beglichen werden. Dann bekommt sie u.U. noch einen gewissen Prozentsatz vom erzielten Bestellwert, welches nach einem recht undurchsichtigen Gewichtungssystem berechnet wird. Die komplette Spanne zwischen den wahrscheinlich ziemlich geringfügigen Produktionskosten und dem hoch aufgeschlagenen Vertriebler-Verkaufspreis behält dann der Konzern inne, der ja quasi nur als Bestellportal oder Zulieferer bzw. quasi eigentlich nur als Zwischenhändler der jeweiligen Waren fungiert. That`s it.
  • der Einsatz privater Arbeitsmittel: eigener PKW inklusive aller anfallenden Nebenkosten, eigenes Telefon/Handy inklusive anfallender Kosten, eigenes Büro-/Schreibmaterial, eigene EDV-Geräte (PC, Laptop, Tablet, Drucker inklusive WLAN etc.), Strom, Heizkosten usw. der BeraterInnen kommen zum Einsatz, womöglich muss die eigene Privatwohnung selbst als Verkaufsraum für "Partys" zur Verfügung gestellt werden (die vorher natürlich stundenlang schön blitzeblank mit proWin-Produkten gewienert wurde) und KOSTENLOS Getränke und Snacks angeboten werden - es wird wirklich NICHTS seitens des Konzerns übernommen oder zur Verfügung gestellt. Ich könnte diese Liste endlos weiterführen, was alles im Rahmen eines regulären Arbeitsplatzes bei einem regulären Arbeitgeber anfallen würde, hier jedoch auf das "Home-Office" der BeraterInnen abgewälzt wird und im Konzern damit selbstverständlich eingespart wird... Eine typische win-loose-Situation zugunsten des Konzerns! Und on top kommen dann noch die hier angeführten Vorführsachen (=Arbeitsmittel), die als sog. Starterpaket auf eigene Kosten erstmal erworben werden müssen. Lustig ist auch, immer wieder von proWIN-Jüngern zu lesen, dass ja kein/e BeraterIn dazu gezwungen würde, das Starterpaket kaufen zu müssen... - na die "Party" möchte ich dann gerne miterleben, bei der der/die BeraterIn kommt und nichts zum Vorführen, anschauen und ausprobieren dabei hat... Ich lach mich tot...
  • "virtuelle" bzw. versteckte Arbeitszeit, die außerhalb der "Party"-termine anfällt und häufig als Arbeitszeit und -aufwand "vergessen" oder übersehen wird und dennoch real anfällt wie: die Vor- und Nachbereitungen der "Partys" (Acquise von "Gastgebern". Terminplanung, -vereinbarungen. Organisatorische Absprachen mit den "Gastgebern". Be- und Entladen des PKW. Vorbereitungen direkt vor Ort bei den "Gastgebern" Zuhause. Die ganze Bestellungsverwaltung und zusammenstellen/ zuordnen der einzelnen Bestellungen nach Erhalt der Waren. Erneuter Zeit- und auch Kilometeraufwand beim Ausliefern der Bestellungen. Nachbetreuung der Kunden z.B. wenn diese Anwenderfragen haben, es Unzufriedenheiten gibt, bei Reklamationen, bei Problemen mit den Bestellungen, Waren, Gastgeschenken, Abrechnungen. Das permanente Umgarnen und Anwerben der "StammkundInnen", damit diese auch außerhalb der "Partys" Produkte bestellen. Immer wieder Aufwand für das Verteilen von Werbeflyern. Anwerbung und Anlernen neuer BeraterInnen. Usw. usw.
  • stetiges Bangen und fast schon Betteln darum, dass sich auf einer "Party" eine nächste "Gastgeberin" überreden lässt, weil die BeraterInnnen ja darauf angewiesen sind, möglichst viele "Party"-Termine zu vereinbaren, da ja prinzipiell nur hier die Möglichkeit zum Verdienst besteht, denn komischerweise ist den BeraterInnen der Vertriebsweg über z.B. Onlineportale wie ebay, amazon und Co. strikt untersagt und sogar durch proWIN unter Konventionalstrafe gestellt (!)... Hat eine "Party" in einem bestimmten Bekanntenkreis dann stattgefunden, braucht man auch nicht erwarten, dass im selben Kreis dann bereits 14 Tage später eine nächste "Party" stattfinden wird. Irgendwann sind dann alle Kreise abgefrühstückt, alle versorgt und mehr als ausreichend eingedeckt, der Markt ist dann quasi übersättigt. Und wenn man den Versprechen der BeraterInnen Glauben schenken will, handelt es sich bei den Produkten ja um derart hochwertige Putzgeräte und Konzentrate, die dann ja auch eine halbe Ewigkeit vorhalten müssten... - so dass auch von daher zahlreiche bzw. sich häufig wiederholende Termine in einem Kreis von vornherein ausschließen lassen. Deshalb hat der Konzern wahrscheinlich auch weitere Produktbereiche mit ins Portfolio geholt wie z.B. Tiernahrung oder Hautpflegemittel, die einem stetigen Verbrauch unterlegen sind und somit auch häufigeren Nachschubs bedürfen als Putzgeräte, die man i.d.R. nur einmal kauft.
  • kein Zurückgreifen auf Verwaltungsstrukturen des Konzerns, keine verwaltungstechnische Unterstützung, keine Personalverwaltung über den Konzern, keine Möglichkeit zur Anrufung eines Betriebsrates oder sonstiger Strukturen der Mitarbeitervertretung, um Arbeitnehmerrechte geltend zu machen usw. - ganz im Gegenteil...:
  • ...denn jeglicher bürokratischer und auch buchhalterischer Aufwand ist selbst zu erledigen, es muss ein Gewerbe angemeldet werden, dies unterliegt dann auch gewissen Regelungen, die man kennen sollte. Viele übersehen dann leider auch, dass sie ihren Verdienst bzw. die Einnahmen (= Einkommen nach dem Steuergesetz) beim Finanzamt anzugeben haben (auch das würde sonst ein regulärer Arbeitgeber über die Lohnsteuer übernehmen) oder wissen nicht wie dies bei Selbständigkeit anzugeben ist und bekommen dann u.U. auch noch auf diesem Wege Schwierigkeiten. Ganz besonders hakelig wird es auch bei Empfängern von Sozialleistungen, denen der proWIN-Verdienst als Einkommen voll auf die Sozialleistung angerechnet wird und dadurch u.U. dringend benötigte Zuschüsse wie z.B. Wohngeld etc. gestrichen werden... Eine Falle, in die besonders häufig Geringverdiener oder Alleinerziehende mit geringfügigem Einkommen tappen, die auf Aufstockerleistungen angewiesen sind, sich aber auch gerne etwas dazu verdienen würden. Leider wird dabei aber häufig nicht bedacht, dass es sich bei diesen Arbeitsmodellen nicht um regelmäßig verlässliches Einkommen handelt. Und bei Nichtangabe des Verdienstes wird womöglich u.U.sogar noch ein Verfahren wegen Sozialbetrugs riskiert. Spätestens wenn man die Steuerbeträge dann auch noch von seinem "Umsatz" abziehen und dann das Ganze in einen reellen All-In-Stundenlohn umrechnen würde, müsste eigentlich jeder erkennen, dass das Ganze überhaupt kein lukratives Geschäft für die BeraterInnen, sondern nur einseitig für den Konzern im Hintergrund darstellt, der eigentlich keine weitere Eigenleistung in den Vertrieb investieren muss, sondern lediglich den Hauptteil am Ende für sich abschöpft. proWIN macht jährlich Umsätze in Höhe von 100 - 150 Mio. €! = loose-win-System zugunsten des Konzerns, da dieser die gesamten Personalkosten inklusive ALLER Personalnebenkosten einsparen und trotzdem seine Produkte unters Volk bringen kann. Denn proWIN hat erkannt dass die persönliche Kontaktaufnahme, das persönliche Vertrauensverhältnis und die persönlichen Beziehungen in einem privaten Netzwerk Gold wert sind, an das sie ohne die BeraterInnen vor Ort niemals über Marketing und Werbung herankommen würden und damit auch nicht abschöpfen könnten. In Bezug darauf rühmt sich proWIN dann stetig damit, dass die Vorbereitungskurse für die potentiellen BeraterInnen komplett kostenfrei angeboten würden und der Konzern ja ach soviel in die hochqualifizierte Ausbildung der BeraterInnen investiere.... Dies sind jedoch nur Peanuts im Vergleich zu den jährlichen Umsatzzahlen und werden wahrscheinlich über Fort- und Weiterbildungskosten steuerlich wieder abgesetzt. Und auch hier wird wieder der Zeitaufwand der BeraterInnen für diese mehrtägigen Seminare nicht als Arbeitszeit/-aufwand berücksichtigt und schon gar nicht entlohnt...

Alles in allem gibt es Viele, die hochmotiviert anfangen und dann im Laufe der Zeit bemerken, dass der Kosten-Nutzen-Aufwand sich nicht lohnt und den Job dann wieder an den Nagel hängen.

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