Was für ein Landsmann bist du. Ist meine Reaktion darauf wirklich provokant?

Eins vorweg. Es gibt da ein Thema auf der Welt, auf die ich wirklich keine Lust mehr habe. Und zwar, Thema Nationalität.

Ich versuche mich von diesem Thema möglichst fern zu halten. Und es gibt da diese zwei Fragen auf die ich immer folgendermaßen antworte.

Fragen:

  1. Was für ein Landsmann bist du?
  2. Woher kommst du?

Meine Antworten:

  1. Deutscher
  2. Aus Musterhausen

Die Fragen die ich dann darauf hin gestellt bekomme sind, "was für ein Landsmann waren deine Eltern, bzw aus welchem Land kommen deine ELTERN.

Meine Reaktion darauf ganz kühn. Ach soo, meine Eltern kamen aus der Türkei und die haben bzw hatten einen türkischen Pass.

Ok. Nun, technisch gesehen sage ich ja sogar die Wahrheit. Ich habe einen deutschen Pass, folglich bin ich ein Deutscher und außerdem komme ich wirklich aus Stadt XY (natürlich heißt es nicht wirklich Musterhausen)

Natürlich weiß ich, wie die Frage gemeint war. Aber ganz ehrlich, wenn ich sage, ich bin ein Türke, lüge ich. Und wenn ich sage, ich bin ein Deutscher schaut man mich ungläubig an. Ich musste für meinen deutschen Pass nicht mal einen Integrationstest machen, weil ich in deren Augen deutsch genug war. Mal abgesehen davon beherrsche ich die deutsche Sprache sowieso tausend mal besser als die türkische.

Aber aus irgendeinem Grund scheinen einigen Leuten meine Antworten nicht zu passen. Sind meine Antworten auf solche Fragen denn wirklich so provokant?

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Der Grund, warum Menschen wissen möchten, wo ihr Gegenüber herkommt ist Interesse. Ja, das mag sein. Aber warum interessieren sich diese Menschen denn dafür? Die Antwort auf diese Frage wird bei den Allermeisten etwa lauten: "Darum! Interessiert mich halt! Ist halt so! Das wird man ja noch fragen dürfen!", und dergleichen. Im besten Falle dann noch: "Ich will doch nur Konversation betreiben!". Doch dies offenbart lediglich Eines: Sie wissen nicht, warum es sie interessiert. Der Grund, wieso diese Frage in ihren Augen vermeintlich "harmlos" ist, ist, dass Deutschland eine gewisse Vergangenheit im Umgang mit allem Fremden hat. Ich weiß, das ist eine Schublade, die all diejenigen, die sich vom Unmut über die Frage, "Was bist 'n du für'n Landsmann?!" auf den Schlips getreten fühlen, augenrollend so schnell es geht wieder verschließen wollen. Aber die Geschichte wegsperren zu wollen, ist einer der größten Fehler der Menschheit. Doch selbst wenn man sie ignoriert, so ist die Geschichte noch immer da und hat Konsequenzen für die Gesellschaft, die wir bis in das Hier und Jetzt tragen müssen.

Aber lassen wir diese Schublade von mir aus zu. Gehen wir einer anderen Tatsache nach: Warum werden denn nur Menschen mit der Frage, wo sie herkommen konfrontiert, die phänotypisch nicht dem entsprechen, was für die Frage stellenden Personen als "deutsch" gilt? Und wie genau muss man denn sein, um "deutsch" zu sein? Und was ist die offizielle Version von "deutsch"?

Fakt ist, es ist ganz einfach rassistisch zu meinen, dass manche Menschen, die "anders" aussehen, als man sich eine "deutsche" Person vorstellt, nicht "deutsch" seien und nun einmal aus einem anderen Land kämen. Warum das rassistisch ist? Weil es hier um ein Wir und Ihr geht, das man kreiert. "Ich bin deutsch! Du nicht. Wo kommst du denn her?" Damit wird einer Person abgesprochen, deutsch im offiziellen Sinne zu sein. Denn die offizielle Version besteht lediglich daraus, einen deutschen Pass zu haben. Damit tut man so, als würde beispielsweise ein Mensch, der Zeit seines Lebens in Deutschland verbracht hat, hier geboren ist, dessen Eltern womöglich auch in Deutschland geboren sind, nicht deutsch sein, da die Großeltern, die dieser Mensch eventuell nicht einmal kennengelernt haben muss, in Land XY geboren wurden.

Es ist kein Problem, dass wir Dinge sagen, die rassistisch sind. Das kann passieren. Ist uns allen schon passiert. Wir können es nämlich nicht leugnen, so sozialisiert worden zu sein, wie wir sozialisiert wurden. (Nochmal: Stichwort Geschichte, auch wenn manche es nicht wahr haben wollen. :P) Wir sind deswegen nicht gleich "ausländerfeindlich" (<-- auch ein sehr problematischer Begriff, wie ich finde, da er per se schon ein "Wir" (Inländer) und "Ihr" (Ausländer) impliziert) oder besser: Rassisten oder Rechtsextreme. Dass es sich allerdings um ein Fragment rechtsextremen Denkens handelt, dürfen wir ebenso wenig leugnen. Der Umgang damit sollte einfach sein, anzuerkennen, etwas rassistisches gesagt zu haben, es zuzugeben, im besten Fall nicht nur vor sich selbst, sondern auch vor der Person, die, wie in diesem Fall, die Frage "Wo kommst'n her?" gekränkt hat, sich zu entschuldigen und zu verstehen, dass es einfach falsch ist, ein "Wir" und "Ihr" zu kreieren und die konfrontierte Person als fremd und "Ausländer" darzustellen.

Wenn ihr euch fragt, was das immer heißen soll, dass Rassismus ein Problem der Mitte ist und nicht des äußeren rechten Randes, dann habt ihr jetzt eine Antwort. Weil solche Fragen, wie "Was bist du für ein Landsmann?" nun einmal absolut salonfähig sind und das nicht ausschließlich von Menschen mit einem geschlossen rechten Weltbild gefragt wird, sondern eben von allen.

Wer dazu nicht in der Lage ist, anzuerkennen, etwas rassistisches gesagt zu haben, ist wahrhaft ungebildet. Nicht im Sinne eines Bildungsbegriffs, wie er heutzutage verstanden wird, also einer Person, die einen hohen akademischen Grad erlangt hat, sondern im Sinne eines Bildungsbegriffs, bei dem es um Selbstreflexion und Persönlichkeitsbestimmung geht.

So, reicht jetzt auch.

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