Ausziehen und Mutter alleine lassen?

Hallo zusammen, die Überschrift sagt eingentlich schon alles.

Meine Mutter und ich leben zu zweit zusammen. Eigentlich haben wir ursprünglich zu viert hier gelebt. Mein Bruder ist schon vor Jahren wegen der Arbeit ausgezogen, da war meine Mutter zwar traurig, aber es war ok, da noch mein Vater und ich da waren.

Vor einem Jahr ist mein Vater ganz unerwartet verstorben. Es war die Hölle. Plötzlich hatte meine Mutter ihren geliebten Ehemann und ich meinen Papa verloren. Die Zeit seitdem war echt hart, hat uns aber auch iwie noch mehr zusammengeschweißt. Meine Mutter und ich haben eine gute Beziehung zueinander und helfen uns immer gegenseitig, wenn es der einen mal schlecht geht. Ich helfe ihr auch in vielen Alltagsdingen oder wenn sie wieder in einer ganz traurigen Phase ist. Umgekehrt genauso. Wir sind es gewohnt, über alles miteinander zu reden.

Ich bin mittlerweile in dem Alter, in dem schon viele Freunde ausgezogen sind (25). Auch ich möcht natürlich iwann mal ausziehen, hänge aber natürlich sehr an unserem Heim und vor allem an meiner Mutter.

Neulich habe ich eine Wohnung im Internet gesehen, die mir sehr gut gefallen hat.

Das Problem ist: Ja, ich möchte ausziehen. Aber auch iwie nicht. Wenn ich ausziehe, wohnt nur noch meine Mutter hier. Ich habe einfach das Gefühl, ich lasse sie dann ganz alleine. Meinen Papa hat sie ja nicht mehr. Sie hat schon oft gesagt, was sie denn alleine mit unserem großen Heim soll und geweint. Gleichzeitig hat sie mir gesagt, sie möchte natürlich, dass ich mal ausziehe, denn das sei wichtig.

Ich aber habe dann das Gefühl, ich lasse sie im Stich. Ich mache mir auch Sorgen, ob sie allein zurechtkommt. Und stell mir das ganz schlimm vor, wenn sie heimkommt und keiner ist da...

Ich weiß einfach nicht mehr weiter.

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Hey du Liebe:r,

der frühe Verlust deines Vaters tut mir sehr leid. Das muss nicht einfach sein.

Ich kann gut verstehen, dass du dich derzeit damit schwer tust auszuziehen und zeitgleich lese ich raus, dass du dir darüber viele Gedanken zu machst, was für mich eher ein Anzeichen dafür ist, dass deine gemeinsame Wohnzeit sein natürliches Ende erreicht hat.

Es gibt Menschen, die wollen gar nicht aus ihrem Elternhaus ausziehen. Für sie kommt ein gemeinsames Leben in einem Mehrgenerationen Haushalt in Frage und spricht sie an und gibt ihnen einen Sinn im Leben. Bei dir sehe bzw. lese ich das nicht raus. Und das ist wichtig, das zu bemerken.

Es scheint mir, als möchtest du gerade nicht ausziehen und zeitgleich steht es nun im Raum und wird sichtbar. Deswegen würde ich persönlich diesen Schritt jetzt durchziehen - auch wenn sich anfänglich gerade vielleicht alles in dir wehrt.

Den Rat gebe ich dir eher aus meiner persönlichen Erfahrung. Meine Schwester ist krank geworden, als ich 6 war und meine Mutter dann als ich 8 war. Und ich kann dir nur sagen, dass es unglaublich schwer ist, je länger du es verzögerst. Ich bin zwar mit 23 ausgezogen, habe aber meine Heimat erst mit 30 verlassen, weil ich sie nicht "im Stich lassen" wollte.

Rückblickend würde ich sagen, dass ich sie schon "im Stich gelassen" habe, als die Thematik bei mir (ähnlich wie bei dir) im Raum stand und dass ich diesen Prozess eher unnötig in die Länge gezoegen habe. Sowohl für mich, als auch für meine Mutter und Schwester. Ich denke, es hat auch mit einem gewissen kindlichen Größenwahn zu tun, wenn wir denken "Sie brauchen unbedingt mich, höchstpersönlich.". So schwer es auch klingen mag: Es ist eine Illusion.

Letzenendes wird dein Auszug, wenn ich auf meine Ausziehzeit zurückdenke, bei euch beiden eine Krise auslösen. Ihr beide müsst euch auf neue Umstände einstellen. Und da scheint es mir sogar sinnvoller das durchziehen, wenn die Wunde gerade noch offen & frisch ist, anstatt zu warten, bis sich die Lage stabilisiert hat und sie durch einen erneuten Wandel aufgemacht wird.

Disruption ist ein natürliches Teil des Leben und in einem Land wie Deutschland, haben wir das Privileg, dass niemand sterben wird, wenn wir das "Rudel" verlassen.

Ich wünsche dir alles Gute für deinen weiteren Weg.

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