Wenn die Nachbarn ständig zu laut sind
Jeder dritte Deutsche ist genervt: Musik, Partys, Streitereien und Hundegebell bis spät in die Nacht. Wie sich Mieter wehren können
Von Stefan Waschatz
Seilspringen von oben, Heavy Metal von rechts und lautes Geschrei von unten - wer in der eigenen Wohnung keine Ruhe findet, kommt nervlich schnell an seine Grenzen. Gegen manche Ruhestörung können Mieter und Eigentümer etwas tun. Gewisse Geräusche müssen sie aber - zumindest zeitweise - hinnehmen.
Jeder dritte Deutsche fühlt sich in seinen eigenen vier Wänden durch Lärm belästigt. Sogar 61 Prozent der Menschen sind der Überzeugung, dass Lärmbelästigung für sie ein Anlass wäre, ihre Wohnung oder ihr Haus aufzugeben, berichtet das Internet-Portal ImmobilienScout24 nach einer Befragung.
Hauptanstoß des Ärgers sind nach Angaben der Befragten laute Straßen und öffentliche Verkehrsmittel (34,8 Prozent). Aber auch die Nachbarn tragen durch die Missachtung der vorgeschriebenen Ruhezeiten (17,2 Prozent) sowie laute Musik und Partylärm (14,4 Prozent) zum störenden Lärmpegel bei.
"Grundsätzlich haben Mieter in einem Mehrfamilienhaus Anspruch auf größtmögliche Ruhe", sagt Ulrich Ropertz, Sprecher des Deutschen Mieterbundes. "Andererseits kann aber auch kein Mieter seine Wohnung völlig geräuschlos nutzen." Die Lösung lautet Rücksichtnahme: Mieter und Wohnungseigentümer müssen sich bemühen, die Nachbarn mit möglichst wenig Lärm zu belästigen. Klar liegt der Fall grundsätzlich bei der Nachtruhe. Sie ist von 22.00 Uhr an einzuhalten. "Ab diesem Zeitpunkt dürfte grundsätzlich aus Nachbarwohnungen nichts mehr zu hören sein", sagt Ropertz. Radio und Stereoanlage sollten also leise eingestellt werden. Wenn trotzdem immer wieder laute Musik, Hundegebell oder Streitereien von nebenan herüberschallen, können Mieter sich wehren. Ansprechpartner ist der Vermieter. Er ist in der Pflicht.
Geschieht das nicht, können Mieter bei gravierenden Beeinträchtigungen langfristig die Miete kürzen. Das haben mehrere Gerichte entschieden. Das Amtsgericht Braunschweig hielt zum Beispiel eine Mietminderung um die Hälfte für angemessen, weil Wohngemeinschaften in einem Haus wiederholt erheblichen Lärm verursachten. Dagegen ist der Lärm von Haushaltsgeräten grundsätzlich erst einmal hinzunehmen, wenn die Ruhezeiten über den Mittag und in der Nacht eingehalten werden, erläutert der Mieterbund. Das Amtsgericht Mainz habe aber klargestellt, dass eine Waschmaschine auch nach 22.00 Uhr laufen darf.
Denn Berufstätige hätten oft keine andere Möglichkeit, als spät am Abend zu waschen. Lärm von Kindern berechtigt in der Regel nicht zu einer Mietminderung. Bei übermäßigen Störungen - zum Beispiel, wenn Kinder ständig von Stühlen herunterspringen - kann nach einem Urteil des Landgerichts Köln aber die Miete gekürzt werden. Und neben der Minderung gibt es weitere Möglichkeiten, sich gegen Lärm im Haus zu wehren: "Theoretisch kann sich der Mieter auch direkt an seinen Nachbarn wenden und bei extremen Störungen einen Unterlassungsanspruch geltend machen", erläutert Ropertz. Außerdem könne rücksichtsloser Lärm als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld bestraft werden.
Das sind allerdings die nüchternen rechtlichen Möglichkeiten. Besser ist es, miteinander zu reden. Häufig könne im persönlichen Gespräch eine Lösung gefunden werden, sagt Jörn-Peter Jürgens vom Interessenverband Mieterschutz in Hannover. Wenn jemand ein Instrument spielt, könnten feste Übungszeiten verabredet werden.
Ein verbreiteter Irrglaube ist nach Erfahrung von Peters, dass es ein Recht darauf gibt, Partys zu feiern, deren Lautstärke die Nachbarn belästigt - zumindest in gewissem zeitlichen Abstand. Umgekehrt dürfe zwar täglich Besuch haben, wer es bei Zimmerlautstärke belässt. "Man sollte aber nicht unterschätzen, wie viel lauter es wird, wenn sich mehrere Menschen unterhalten und gemeinsam lachen." Rücksichtnahme könnte bei Partys so aussehen, dass man sie den Nachbarn rechtzeitig ankündigt.
Aus Sicht des Eigentümerverbands Haus & Grund in Berlin kommt es bei der Einschätzung, welcher Lärm hinzunehmen ist, nicht allein auf die Lautstärke an. Denn das Bundesgesundheitsamt habe nachgewiesen, dass auch niedrige Lautstärken besonders störend sein können, erläutert der Verband. Ein Beispiel dafür sei der Fall eines Arztes aus Düsseldorf, der gern nachts badete. Darüber hatte sich der darunter wohnende Mieter beschwert, denn er musste sich das Planschen des Nachbarn bis 1.00 Uhr in der Nacht anhören. Diese Ruhestörung wurde als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von 200 Euro geahndet.
Immer wieder sind auch die Geräusche von Liebe, Sex und Zärtlichkeiten ein Thema in der Mieterberatung. Bisweilen kommt es sogar darüber zum Rechtsstreit: "Ich hatte mal einen Fall, da ging es um eine fristlose Kündigung wegen überlauter Sex-Geräusche", sagt Jürgens. Die Kündigung gegen die Mieterin war aber nicht zulässig.
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