Wir waren dieses Jahr zum ersten Mal auf Madeira, im Juni 2024. Voller Erwartung und Vorfreude aufgrund der vielen positiven Beschreibungen.

Wenn man genau hinschaut, wiederholen sich aber die Ausflugstipps und die unisono positiven Beschreibungen, vieles ist wahrscheinlich copy paste und nicht ehrlich bzw. fundiert.

Für uns wurde Madeira keine Trauminsel. Im Juni war die angepriesene "Blütenpracht" einige Wochen hinter unserem Stand in Südbayern hinterher, d.h. viel Grün, wenig blühende Blumen. Temperatur im Nordteil wie in Irland oder Schottland, ähnlich das Landschaftsbild. Ja, die Klippen sind beeindruckend, aber das Klima im Norden ist eher rau, feucht, kühl. Die Badebecken bei Porto Moniz sind von zweifelhafter Freude, es sei denn, man liebt es, in einem mittelmässigen Touri-Restauranteck zwischen Lavafelsen in kleinen Tümpeln zu hocken und von anderen Touris von oben begafft zu werden.

Funchal ist für 1-2 Tage nett, hat ein paar nette Ecken und Parks, Restaurants und Cafés, aber ein Teil der Fussgängerzone hat durchaus den Charme der Flaniermeile Wattenscheids. Es ist weder eine schöne Küstenstadt, noch hat es irgend etwas eigenes, beeindruckendes, spannendes.

Aber falls man weiterreist, sollte man unbedingt in Funchal gute Sachen zum Essen und Trinken einkaufen, das Angebot lässt ausserhalb Funchals stark nach. Es gibt zwar überall "Continentes" (Supermarkt normaler Qualität), aber es ist und bleibt ein Supermarkt und das Angebot ist dann auf der ganzen Insel in etwa gleich.

Nicht zu empfehlen ist es zudem , 15€ für den berühmten botanischen Garten in Monte, oberhalb von Funchal, auszugeben. Die Stadtparks in Funchal bieten mehr Blumenpracht und sind aufgeräumter und moderner.

Die Levadas sind ein schönes Erlebnis, aber nach zweien oder dreien ist es dann auch wieder gut. Die Bergtouren rund um den Pico Ruivo sind tatsächlich Reisehighlights, aber dadurch, dass mit dem Auto fast bis oben angefahren werden kann, ist auch relativ viel los. Die Wanderwege sind oft gepflastert, auch bis 1800m hinauf (grosser Respekt für die viele anstrengende Arbeit!), also nicht wirklich alpin wie bei uns. Zumindest hatten wir am Pico Ruivo Glück, dem feuchten Nebel des Nordens entfliehen zu können, denn ab 1400m war es obheiter und auf der ganzen Wanderung war Sonne.

Die Insel ist nicht gross, die wirklichen Highlights übersichtlich (aber schön), und man muss auch nicht wie wir es unwissend getan haben, unbedingt im Norden nächtigen, die Fahrtzeiten dorthin sind kurz, bleibt lieber im Süden.

Die Ortschaften ausserhalb Funchals sind meist klein, nur punktuell pittoresk, und man hat immer das Gefühl, dass eine Marketingabteilung jeden bunten Zaunpfahl zur Sehenswürdigkeit erhoben hat. Das gipfelt in einer kleinen Ansammlung bunter Hüttchen in Santana, die die ursprünglichen Häuser der frühen Bewohner Madeiras darstellen sollen. Touriklamauk pur. Maximal tauglich als Filmkulisse für einen Bullerbü-Film. Deswegen NICHT hinfahren! Auf dem gegenüberliegenden "Wochenmarkt" lauern übrigens Ausnehm-Profis auf gutgläubige Touristen.

Das Essensangebot entlang der Autostrecken ist meist nahe am fast food, das Ambiente verblasst und die Mienen der Gäste ernst bis fado ;-)

Und was wir am allerwenigsten vermissen werden: auf Madeira geht es entweder bergauf oder bergab, es gibt kaum gerade Strecken, ausserhalb der Schnellstrasse gibt es gerne mal 12-20% Steigung, permanent. Die Strassen sind eng und nichts für Fussgänger oder Radler. Wir haben uns immer wieder gefragt, wie man sich hier fit halten möchte, ohne nach kurzer Zeit frustiert heimzugehen, einen Madeira zu trinken und für immer daheim hocken zu bleiben. Die ganze Insel ist besiedelt und an den meisten Orten gibt es ausser den Wanderwegen NICHTS zu tun.

Falls jemand zum Mountainbiken hermöchte: vergiss es, wir haben in 12 Tagen genau 3 Radler gesehen. Und das hat seinen Grund (s.o.).

Wer sich gerne im limitierten Rahmen bewegt, keine zu hohen Ansprüche an Essen stellt, vielleicht gerne fotografiert und es ruhig angehen lassen möchte, dem wird Madeira gefallen. Einem Aktivurlauber eher nur bedingt, trotz der schönen Berge und des zweifelsohne sehr guten Marketings.

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