Im Jahre 1754 kam der ehemalige Offizier Friedrichs des Großen, der Graf von Chasot, nach Lübeck. Trotz großer Verdienste hatte ihm der Preußenkönig den Abschied gegeben. Danach war er in Diensten des französischen Kaisers gewesen und nun auf der Suche nach neuen Aufgaben. In Lübeck bot man ihm den Posten eines Stadtkommandanten. Als solcher erneuerte er die Stadtbefestigungen und regelte das militärische Leben in der Stadt des ausgehenden Mittelalters.

Da die Stadt schon damals ständig knapp an finanziellen Mitteln war, wurde er sowohl bei der Ausführung seiner Aufgaben als auch in seiner Besoldung knapp gehalten. Daher kam es ihm zustatten, dass ihm der König von Dänemark wegen erwiesener Hilfe den Titel eines Generals verliehen hatte, während ihn die sparsamere Hansestadt lediglich zum Obristen hatte aufsteigen lassen. Nun aber konnte der Rat nicht umhin, ihm auch den Sold eines Generals zu bewilligen.

In dieser Zeit heiratete er die schöne 17jährige Tochter des Malers Torelli, der die Bilder im Audienzsaal des Rathauses gemalt hatte. Chasot war ein sehr unternehmender und zugleich ständig in Geldsorgen schwebender Mann. So erwarb er vor dem Burgtor, jenseits der großen Wakenitzschleife, den Ackerhof, ein kleines Gut, und hatte den Plan, hier das Ausflugsziel aller Lübecker Bürger zu schaffen. Das musste doch endlich seine stets leeren Kassen füllen. Der Name Ackerhof war allerdings wenig zugkräftig und so nannte er seinen Besitz nach einem damals noch weit vor den Toren von Paris gelegenen Schlösschen „Marly“. Der Name ist seit etlichen Jahrzehnten eingedeutscht in „Marli“.

Hier schuf er neben der weiter betriebenen Landwirtschaft große Anlagen, eine Fähre über die Wakenitz und die nötigen Erfrischungsstätten. Für sich, seine Familie und seine Gäste entstand ein prunkvolles „Sommerhaus“ mit herrlichem Blick über die Wakenitz auf Lübeck.

Zu den zahlreich stattfindenden Festen traf sich die Lübecker Gesellschaft gern „auf“ Marly.

Da Chasot als Stadtkommandant seinen ständigen Wohnsitz nicht außerhalb der Mauern nehmen durfte, wohnte er gleich anderen Lübecker Bürgern nur im Sommer „auf dem Garten“. Das Haus war deshalb nur leicht gebaut und ist längst dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen. Letztes Zeugnis aus dieser Zeit war das fester gebaute Verwalterhaus an der Ecke Hövelnstraße – Roonstraße. Da es nicht dem Denkmalschutz unterlag, ist es vor einigen Jahren abgerissen worden, um Platz für einen Neubau zu schaffen.

Außer den Straßennamen im Stadtviertel erinnert heute noch eine Sprachgewohnheit an diese Zeit: Man wohnt „auf“ und nicht „in“ Marli.

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