Hallo Freiwald,
gerne will ich versuchen, Deine Fragen zu beantworten.
Erstmal zu den offensichtlichen Fragen.
Ja, es ist möglich jemanden mit Pflegestufe 3 zuhause zu pflegen, ich mache dies seit 14 Jahren bei meinem erwachsenen Sohn, er hat Pflegestufe 3 Härtefall.
Wie das aussieht?
168 Stunden die Woche, Woche für Woche, Jahr für Jahr. Ich kann das Haus nur verlassen, wenn jemand anderes übernimmt. Für die Familie allein - auch mit Unterstützung durch einen Pflegedienst (bei uns kommt er morgens zur Grundpflege) - auf Dauer nicht zu bewältigen. Wir haben zur Entlastung eine Haushaltshilfe, die bei uns im Haus wohnt, in Vollzeit (40 Std/Woche) fest angestellt.
Trotzdem bleiben für mich 128 Stunden die Woche übrig. Ich bin in der glücklichen Lage, dies körperlich und psychisch leisten zu können, außerdem haben wir optimale Bedingungen. Alle Hilfsmittel vorhanden, vom Lifter über Transferhilfen und Rollstuhl bis zum optimal eingerichteten Krankenzimmer.
Es ist nicht leicht, aber als Vater für das Kind selbstverständlich, wenn man es kann. Wie es geregelt werden soll, wenn ich mal nicht mehr kann habe ich ausgeblendet, ich weiß es nicht.
Wie viele Stunden der Pflegedienst täglich bei Deinem Vater wäre ist so nicht zu beantworten, weil der Pflegedienst nicht nach Zeit sondern nach Leistungen abrechnet, da steht zwar auch in der Wirtschaftlichkeitsberechnung eine Zeit hinter, nur redet man nicht darüber. In der Praxis könnte das Geld der Pflegeversicherung ungefähr für zwei Einsätze am Tag reichen, die morgendliche und abendliche Grundpflege, so dass ungefähr eine Zeit von 1 bist 1 1/2 Stunden Gesamtzeit dabei herauskommt.
Nun aber zu den Fragen/Problemen, die zwischen den Zeilen stehen.
Du bist ein wenig von dem Informations- und Entscheidungsprozess abgeschnitten. Du siehst, dass Dein Vater, Dein Vater der immer stark und irgendwie Vorbild aber zumindest Orientierungspunkt war, jetzt hilflos wie ein Baby ist, mit Windeln und zur Pflegeerleichterung mit Katheter, muss gefüttert werden und kann sich wie ein Baby nicht mit Sprache deutlich mitteilen.
Dies entsetzt Dich vermutlich und vor allem Deine Hilflosigkeit, weil Du es nicht ändern kannst. Du weißt keine realisierbare und bessere Lösung als das Heim.
Ich bin überzeugt, dass Deine Familie (Mutter, Schwester, Schwager usw.) dies genauso empfinden. Unglücklich und hilflos und überfordert.
Es ist aber auch zu berücksichtigen, dass Dein Vater heute nicht mehr die Vorstellungen von vor 20 Jahren haben muss.
Ich will aus Liebe nicht, dass meine Kinder mich pflegen, denn ich weiß was es bedeutet - für die ganze Familie. Ich will auch nicht, dass meine Frau mich pflegt, doch dass kann ich unter Umständen nicht verhindern, denn auch sie darf ihre Liebe zu mir ausleben, doch bei aller Liebe gibt es auch grenzen, die wir nicht überwinden können.
Ich halte es durchaus für möglich, dass Deine Familie aus Hilflosigkeit und voller Ohnmacht aber in Liebe zu dem Vater sich schweren Herzens entschieden hat Deinen Vater in einer stationären Einrichtung pflegen zu lassen, weil er nur so eine halbwegs vernünftige und würdige Pflege erhält.
Zum verstehen "Ihrer" Entscheidung wäre es natürlich besser mit der Familie zu sprechen und sich gegenseitig zuzugestehen, dass es eine unendlich traurige Geschichte ist, die Euch alle überfordert.
Vielleicht kommt Ihr dann zu dem Ergebnis, dass es Eure Entscheidung ist.
Dies ist meine Sicht der Dinge, ohne Anspruch auf Richtigkeit und Vollständigkeit, ich habe in meinem Leben auch noch eine ganze Reihe an Fragen, auf die ich jetzt noch keine Antwort habe oder haben will.
Alles Gute
Udo