Argumente für und gegen Gott:
Um beurteilen zu können, was gegen Gott spricht, erscheint es mir sinnvoll und grundlegend, erst mal in Betracht zu ziehen, was für ihn spricht. Paradoxerweise ergeben sich daraus Gründe, die gegen Gott sprechen:
Es gibt nicht nur vernünftige, sondern auch wissenschaftlich plausible Gründe, an Gott, als höchste Wesenheit und kreative Instanz zu glauben:
Der vorherrschende, materialistisch orientierte Zweig der Wissenschaft sieht den Geist und das Bewusstsein ausschließlich als Produkt von Materie und Energie. Demnach ist alles grobstofflich und naturgesetzlich zu erklären als Wirkungszusammenhang physikalischer und chemischer Vorgänge.
Betrachtet man die Entwicklung des Universums, des Lebens und des menschlichen Bewusstseins, so kommt man aber, auch aufgrund elementarer wissenschaftlicher Erkenntnisse, zu dem Ergebnis, dass eine solche Entwicklung allein durch das Wirken der physikalischen Naturgesetze gar nicht möglich ist.
Eine blinde, nur auf Zufall und Bewährung beruhende Entwicklung hätte niemals so etwas kompliziertes wie die erste lebendige Zelle hervorbringen können. Und auch in der weiteren Entwicklung sind immer wieder neue, kompliziert durchdachte und kreativ gestaltete Lebewesen von großer Schönheit in unendlicher Vielfalt entstanden. Es ist daher zu vermuten, dass hier bewusster Erfindungsgeist und Kreativität eine Rolle spielen.
Da die Menschen in persönlichen Kategorien zu denken und zu fühlen gewohnt sind, liegt es nahe, sich dabei als Schöpfer einen Gott vorzustellen. Und eine solche persönliche Gottesvorstellung ist nicht nur naiv, sondern als metaphysische Hypothese durchaus legitim. Sie hat den großen Vorteil, ein höheres Wesen zu verehren, zu dem man beten und dem man sich anvertrauen kann.
Dabei braucht Gott gar nicht notwendigerweise eine Person zu sein. Schon in verbreiteten gesellschaftlichen Organisationsformen entstehen kollektive geistige Gebilde aus Kompetenzen, Funktionen und kooperativen Vernetzungen.
Was liegt näher, als sich letztendlich auf höchster dimensionaler Ebene, den gesamten Kosmos als einigen, ganzheitlich verbundenen Geist vorzustellen? Innerhalb dieses Geistes gäbe es eine kreative Bewusstseinsinstanz als Informations-Speicher und -Quelle, und die materielle und physische Welt als Hardware. In der lebendigen Natur mit ihren vielen faszinierenden Lebewesen kommt dabei die Verwobenheit von Geist und Materie zum Ausdruck.
Da die Materie ebenfalls ursprünglich aus geistiger Tätigkeit auf energetischem Wege entstanden ist, stellt sie im Grunde nichts anderes dar als geronnenen Geist, so dass es erkenntnistheoretisch eigentlich gar nichts gibt außer Geist.
Daher kann man sagen: Gott ist Natur. Natur ist Gott. Gott ist Alles.
"Gott" hat dabei allerdings den historischen Beigeschmack des Beherrschenden, Allmächtigen und Bevormundenden. In der Kirche wird er immer als der "Herr" angesprochen. Als allgegenwärtiger und alles umfassender Geist ist er aber nicht der autoritäre, alles beherrschende Übermensch, sondern eine sehr feine, als innere Wahrheit allem innewohnende geistige Struktur und seelische Konstitution, die den Menschen weitgehende Freiheiten zur Gestaltung ihres Lebens ermöglicht.
Und nun das stärkste Argument, dass es keinen Gott gibt:
Wenn man seine Wahrnehmungen nicht weiter hinterfragt, braucht man sich Gott in seinem Leben gar nicht bewusst zu werden. Man lebt einfach, genießt sein Leben und findet seinen Sinn schlicht und einfach darin, dass man lebt.
Die Frage nach einem Gott erscheint einem dann womöglich spekulativ, abgehoben und belastend. Man verzichtet darauf, für sich diese Frage sowohl verstandesgemäß als auch gefühlsmäßig zu klären, weil man glaubt, dass man sie gar nicht wahrheitsgemäß beantworten kann, und vielleicht auch, weil man es für verhängnisvoll und bevormundend hält, den Menschen einen Gott nach den Vorstellungen einer Priesterschaft oder spitzfindiger Philosophen vorzugaukeln.
Diese Auffassung ist agnostisch. Atheistisch wird sie erst, wenn man glaubt, es gebe keinen Gott. Aber damit hätte man sich diesbezüglich schon wieder festgelegt.
Mein Argument gegen Gott ist jedoch agnostisch, indem ich sage, es macht Sinn, auf Gott und den Glauben an ihn zu verzichten, um innerlich frei zu bleiben, und unvoreingenommen und unbefangen die Welt und sein Dasein zu betrachten und zu erleben.
Dies lässt sich weiter erhärten bis zum Argument, dass es keinen Gott gibt:
Selbst wenn beeindruckende Anzeichen erkennen lassen, dass Information, Intelligenz, Feingefühl und künstlerische Kreativität bei den lebendigen Vorgängen eine Schlüsselrolle spielen, ist damit keineswegs die Frage geklärt, ob diese Erscheinungen einem Schöpfergott zuzuschreiben sind.
Wie soll ein personaler Gott als Schöpfer tätig geworden sein? Ein solches Vorgehen ist nicht vorstellbar.
Rationale Gründe sprechen dafür, dass Gott kein verborgener Über-Zauberer ist, der überall seine Fühler und Leitungsbahnen in die Welt hinein ausstreckt. Dieses Gottesbild ist zu absurd, um glaubhaft zu sein. Es würde aber konsequenterweise dem monotheistischen Glauben entsprechen.
Wenn man sich von der Vorstellung eines personalen Gottes getrennt hat, so sind der religiösen Phantasie keine Grenzen mehr gesetzt, alternative Erklärungsmöglichkeiten zu suchen. Man verirrt sich dann leicht in einem nebulösen Feld von Urgrund, Weltseele, geistiger Welt, Feinstofflichkeit, Astralwelt, neuartiger Feldtheorie, Multidimensionalität bis hin zur überwältigenden und vieldeutigen Vorstellung, alles sei Gott.
Dabei stellt sich die Frage: Ist es sinnvoll und hilfreich, solchen Kräften oder einer solchen Wesenheit anzuhängen? Ist es nicht vernünftiger und besser, die Frage zu verneinen, um frei und unbefangen im Rahmen natur- und menschenfreundlicher ethischer Regeln sein Leben zu gestalten?
Mit dieser Ausweitung sind wir bei einer Form eines atheistischen Weltbildes angekommen, das einen Gott verneint, nicht jedoch beim naturalistischen, das die Natur auf Physik und Chemie reduziert und primär Übersinnliches und Geistiges generell ausschließt.