Kann man über Religiosität diskutieren und unterschiedlicher Meinung sein oder ist das problematisch?
Hallo, ich weiß das Thema Religion kann sehr heikel sein, da es doch sehr unterschiedliche Auffassungen und Ausprägung dazu gibt. Ich möchte verstehen, ob es legitim ist unterschiedlicher Auffassung darüber zu sein, ob jemand religiös ist oder nicht.
Zur Situation: Ich habe mit einem Partner über Religion und das Konvertieren gesprochen. Er fragte mich, ob ich in seine Religion konvertieren würde (ich möchte nicht näher benennen um welche Religion es sich handelt). Es war eine ganz grundsätzlich Frage und keine Bitte oder Erwartung. Ich sagte, dass ich für das Thema grundsätzlich schon offen sei, je nachdem, wie sich die Situation darstellt und dies ggf. vorteilhaft wäre, da ich selbst mE nicht religös bin und daher nicht unbedingt an meiner jetzigen Religion festhalten müsste.
Dann fragte ich Ihn aus Interesse, ob er konvertieren würde. Er sagte, er würde sich damit aktuell nicht wohl fühlen, da er so aufgewachsen und erzogen wurde. Auch wenn er seine Zweifel hat, so glaube er dennoch an Gott und an ein paar Gebote, die seine Religion vorgibt (an Gebeten oder dergleichen nimmt er allerdings nicht teil und hält sich auch nicht an alles).
Ich meinte dann, dass er demzufolge schon etwas religiös sei. Worauf er antwortet, "nein ich bin nicht religiös". Ich war verwundert und sagte, dass wenn er an Gott glaube und an seiner Religion festhalten möchte, doch schon etwas religiös sei. Dies ging ein bisschen hin und her bis er letztlich das Gespräch mit "ok, wenn du das sagts" beendete.
Ich hatte den Eindruck, dass er sehr verärgert war über meine Aussage, dass er religiös sei und es war erstmal Stille. Ich wollte eigentlich nur meine Einschätzung dazu mitteilen, keine Wertung oder dergleichen abgeben. Nach einigen Minuten Stille sagte ich dann, dass ich die Situation grade komisch finde und nicht weiß, ob er mit mir jetzt noch darüber reden will oder nicht.
Seine Antwort war, dass ich mich ihm gegenüber gerade sehr respektlos verhalten habe und was mir einfiele zu sagen, er sei religiös, wenn er sage er ist es nicht. Dass ich nicht für Ihn entscheiden könne und nicht genug über seine Religion wissen, um dies überhaupt beurteilen zu können.
Ich war ehrlich schockiert und getroffen zugleich, dass er dies scheinbar als eine Art persönlichen Angriff wahrgenommen hat und dass ich über ihn entscheiden würde. Ich erklärte ihm, dass es nicht meine Absicht war irgendetwas falsches oder respektloses zu sagen, sondern lediglich meine Meinung dazu ausdrücken wollte, dass er in meinen Augen religiöser ist als ich. Er meinte dann, ja er sei religiöser als ich aber nicht religiös und ich dürfe sowas nicht sagen, wenn er sagt dass er es nicht ist. Nur er allein würde entschieden ob er religiös ist oder nicht und meine Meinung darüber zähle nicht.
Ich bin komplett überfordert, das ganze ist dann irgendwie in einen Streit ausgeartet und ich versteh nach wie vor nicht, was denn so falsch oder gar respektlos daran ist zu sagen, dass ich finde, dass er religiös ist (zumindest mehr als ich, was er auch so sieht). Warum ist es ok zu sagen er ist religiöser als ich aber nicht, dass er religiös ist? Ist das nicht auch eine subjektive Wahrnehmung, wann jemand religiös ist oder nicht? Gibt es nicht unterschiedliche Ausprägung von Religiosität die unterschiedlich interpretiert werden? Wenn er sagt, er ist nicht religiös, muss ich der gleichen Auffassung sein oder überschreite ich sonst irgendwelche persönlichen Grenzen, wenn ich es anders sehe?