Die Stoa ist die vollkommene Entwicklung praktischer Vernunft. Denn die stoische Ehtik ist ursprünglich und wesentlich gar nicht Tugendlehre, sondern bloß Anweisung zum vernünftigen Leben. Der tugendhafte Wandel findet sich dabei gleichsam nur per accidens, als Mittel, nicht als Zweck ein. Der Zweck der stoischen Ethik ist hingegen Glück (vergleiche „virtutes omnes finem habere beatitudinem“ bei Stobäos). Die stoische Ethik weist also nach, daß das Glück im inneren Frieden und in der Ruhe des Geistes allein sicher zu finden sei, und diese wieder allein durch Tugend zu erreichen ist.
Jede lebhafte Freude wird in der Stoa als Irrtum und Wahn dargestellt, weil kein erreichter Wunsch dauernd zu befriedigen vermag, auch weil jeder Besitz und jedes Glück nur vom Zufall auf unbestimmte Zeit geliehen wird, und daher einen Moment später wieder zurückgefordert werden kann. Jeder Schmerz wiederum beruht auf dem Verschwinden eines solchen Wahns: Beide entstehen also aus fehlerhafter Erkenntnis: Dem stoischen Weisen bleibt daher also Jubel und Schmerz immer fern.
Zenon von Kition schien dies ursprünglich anders gemeint zu haben. Sein Ausgangspunkt war eigentlich, dass man zur Erlangung der Glückseligkeit und Geistesruhe, übereinstimmend mit sich selbst leben solle (siehe „hoc est secundum unam rationem et concordem sibi vivere.“). Jedoch schon den unmittelbaren Nachfolgern von Zenon schien sein Moralprinzip zu formal und inhaltsleer. Sie gaben ihm deshalb materiellen Gehalt durch den Zusatz: „übereinstimmend mit der Natur zu leben.“, welches von Kleanthes hinzugefügt wurde. Während Kleanthes die gesamte Natur meinte, so meinte Chrysippos insbesondere die menschliche Natur. Alle Stoiker gingen jedoch überall immer auf Einheit des Prinzips.
Die stoische Etheik und Denkweise ist demnach, bei ganzheitlicher Betrachtung in der Tat, ein schätzbarer und achtungswerter Versuch, das große Vorrecht des Menschen, die Vernunft, zu einem wichtigen und heilbringenden Zweck zu benutzen, nämlich um ihn über die Leiden und Schmerzen hinauszuheben, durch Anweisung und ihn eben dadurch in hohem Grad der Würde teilhaft zu machen, welche ihm, als vernünftiges Wesen zusteht. So sehr aber auch jener Zweck, durch Anweisung der Vernunft und durch eine bloß vernünftige Ethik in gewisser Weise erreichbar ist, so fehlt dennoch sehr viel, dass etwas Vollkommenes in dieser Art zustande kommen und wirklich die richtig gebrauchte Vernunft und aller Last und allen Leiden des Lebens entziehen und zur Glückseligkeit führen könnte.
Es liegt vielmehr ein vollkommener Widerspruch darin, leben zu wollen ohne zu leiden. Diese Widerspruch offenbart sich auch schon in jener Ehtik der reinen Vernunft selbst, dadurch, daß der Stoiker genötigt ist, seiner Anweisung zum glücklichen Leben eine Empfehlung des Selbstmordes einzuflechten, für den Fall nämlich, wo die Leiden des Körpers, die sich durch keine Sätze und Schlüsse wegphilosophieren lassen, überwiegend unheilbar sind, sein alleiniger Zweck, Glückseligkeit, also doch vereitelt ist und nichts bleibt, um dem Leiden zu entgehen, als der Tod, der aber dann gleichgültig, wie jede andere Arznei, zu nehmen ist. Hier wird der starke Gegensatz offenbart. Die Stoa ist demnach nur ein besonderer Eudämonismus und jener Widerspruch in sich der Grund weshalb die Stoa nie innere poetische Wahrheit gewinnen konnte, sondern nur hölzerne Gliedermänner hervorbrachte. Marionetten mit denen man nichts anfangen kann und die selber nicht wissen, wohin mit ihrer Weisheit und deren vollkommene Ruhe, Zufriedenheit und Glückseligkeit dem Wesen der Menschheit zutiefst widerspricht.