Ich finde, dass die Antworten die spezifische Frage hier zu allgemein beantworten. Denn das Besondere an JWST ist ja, dass es die ersten Galaxien in den Blick nimmt, die kurz nach dem Urknall entstanden sind. Und darin liegt nun doch erstmal ein Widerspruch: Wenn nichts sich schneller bewegen kann als Licht - wie es ein unverrückbares Gesetz der Physik ist, seit Einstein eine fundamentale Naturkonstante - dann können wir doch nicht 13,1 Milliarden Lichtjahre VOR dem Licht der ersten Galaxien bereits am jetzigen Ort sein, um es jetzt im Rückspiegel einfangen zu können. Denn "wir" - also die Materie, aus der wir bestehen - ist ja ca. 13,4 Milliarden Lichtjahre vom Ursprung wegeschleudert worden - und jetzt empfangen wir Licht von Galaxien, die 13,1 Milliarden Jahre HINTER uns liegen, obwohl nichts schneller sein kann als das Licht? Und tatsächlich ist es genau so: In gewisser Weise haben "wir", also hat unsere Materie, das Licht, das JWST nun auffängt, mit einem Vielfachen der Lichtgeschwindigkeit abgehängt. Die Antwort auf o.g. Frage ist nämlich die Ausdehnung des Raums, die Expansion des Universums. Denn während für einzelne "Körper" (Materie) gilt, dass sie nicht schneller als Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden können, gilt dies für den Raum selber nicht; der bläht sich so in alle Richtungen aus, dass zwei Punkte, die kurz nach dem Urknall in kosmologischen Maßstäben noch recht nah zusammen waren, sich mit zunehmender Ausdehnung des Universums immer schneller von einander entfernen - irgendwann dann sogar schneller als das Licht.

Das dreht das Problem dann aber natürlich um: Die Frage ist dann nicht mehr, wie wir vor das Licht kommen, das bereits vor 13,1 Milliarden Jahren losgestartet ist, sondern wie uns Licht jemals erreichen soll, von dem wir uns schneller als das Licht entfernen? So wie ich es verstehe, kommt hier quasi Raumschiff Enterprise ins Spiel: Der Gravitationslinseneffekt als Folge der Krümmung der Raumzeit, bei Star Trek die Physik hinter dem Warp-Antrieb. JWST ist so ausgerichtet, dass es durch eine "Lücke" verschiedener extrem massereicher Objekte (Galaxiehaufen, Ansammlungen dunkler Materie, extrem massereiche schwarze Löcher etc.) schaut, die allesamt die Raumzeit stark und mehrfach krümmen, sodass für das Licht, das - sowohl räumlich als auch zeitlich gesehen - 13,1 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt gestartet ist, sehr viele Abkürzungen durch den Raum entstehen, so dass es trotz konstanter Geschwindigkeit zu einem Punkt - JWST - gelangen kann, der sich (räumlich betrachtet, nicht im herkömmlichen Sinne von Geschwindigkeit) eigentlich schneller von dem Licht wegbewegt, als es es selber unterwegs ist.

Es ist also doch ganz schön kompliziert, da es nicht etwa um einen Stern am anderen Ende unserer Galaxie geht. Wir werden vom extrem massereichen schwarzen Loch im Zentrum unserer Galaxie mit all den anderen Objekten der Milchstraße in unserer Galaxie gehalten, die Ausdehnung des Universums wirkt innerhalb der Galaxien wie auch lokalen Gruppen nur minimal, und zwar geringer als die Lichtgeschwindigkeit. Wenn wir also einen entfernten Stern aus unserer Galaxie, oder aus unserer Nachbargalaxie Andromeda beobachten, dann ist das Problem der Vergangenheitsbeobachtung um einiges weniger kompliziert: Hier geht es einfach nur, wie in den Antworten bisher beschrieben, um die Rechnung Weg / Lichtgeschwindigkeit. Aber die Möglichkeit zur Erforschung des Urknalls bzw der ersten Strukturen nach dem Urknall stellt einen ganz anderen Fall da - und das ist ja vor allem das, was JWST ausmacht.

...zur Antwort