Was mache ich bloß mit dieser Schülerin?

Guten Abend!

Ich bin seit noch nicht allzu langer Zeit Lehrerin an einem Gymnasium und unterrichte dort unter anderem eine zehnte Klasse in Englisch. Bei einer meiner Schülerinnen bin ich seit ein paar Wochen aber echt mit meinem Latein am Ende.

Ich komme ins Klassenzimmer und meistens liegt sie da schon mit dem Kopf auf den Armen da und wenn sie noch nicht schläft, dann kann ich von Glück reden. Sie schläft mir fast jede Stunde komplett oder fast ein, passt nie auf, entweder sie ist laut oder starrt vor sich hin.

Daraufhin habe ich versucht sie mehr zu fördern, weil ich davon ausging, dass sie unterfordert ist. Immer noch komplette Arbeitsverweigerung und Schlafen im Unterricht.

Ich weiß auch wirklich nicht, wie ich sie beschreiben soll. Einerseits wirkt sie sehr zerstreut, ist aber in punkto Abgabeterminen immer zuverlässig. An unserer Schule gibt es jede Woche eine Problemdiskussionsrunde in den Klassen, da übernimmt sie jedes Mal die Rolle der Diplomatin, versucht Streit zu schlichten und übernimmt auch sonst für alles erstaunlich gerne Verantwortung, kümmert sich um alles und jeden. Und wenn sie schläft, ist das nie oberflächlich, sondern diese Schülerin schläft dann wirklich tief und fest.

Mir bereitet das Ganze ein wenig Kopfschmerzen, weil dieses Desinteresse und das Einschlafen immer häufiger vorkommt. Ich weiß, es ist nur noch eine Woche bis zu den Ferien, aber das kommt mir doch sehr Spanisch vor. Irgendwas stimmt mit ihr nicht. Ich bin total unsicher, auch die anderen Lehrer berichten mir davon, bei der Klassenkonferenz war sie Gesprächsthema Nummer 1. Wir (Kollegen) haben schon versucht den Vertrauenslehrer einzuschalten, da dieser gleichzeitig ihr Griechischlehrer ist: Nichts, sie hat sich geweigert ihm überhaupt zuzuhören. Die Eltern können wir auch nicht mal eben unauffällig ansprechen, egal ob Elternabend oder Elternsprechtag, man bekommt keinen der beiden je zu Gesicht.

Ich mache mir schön langsam wirklich Sorgen, weil ich die Situation überhaupt nicht einschätzen kann. Tipps und Ratschläge werden dringend erbeten, vielen Dank.

Liebe Grüße, Jessi

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Ich melde mich hier auch mal wieder, vielen Dank an all die fleißigen Ratgeber!

Nun ja, besagtes Mädchen hat mich doch dann tatsächlich von sich aus am letzten Tag vor den Sommerferien um ein Gespräch gebeten und mich hat es echt aus den Socken gehauen. Was ich da für Abgründe ausgegraben habe.... Sie setzte sich hin und auf einmal, ich hatte das Gefühl als bräche ein wahrer Staudamm an Erinnerungen, hat sie nahezu ALLES erzählt. 

Ich will das einfach nicht glauben, was dieses Kind erlebt hat. Da haben sich wahre Abgründe aufgetan, obwohl sie das Ganze nur sehr knapp und hastig erzählt hat. Um ihre Privatsphäre zu wahren, werde ich das Ganze hier nicht noch weiter ausführen.

Es schockiert mich so sehr, wie lange dieses Mädchen schon leidet und trotz Verhaltensauffälligkeiten (das muss man doch merken, wenn ein Kind so stark traumatisiert ist) jahrelang durchs Raster gefallen ist. Entweder hat man sie tatsächlich nicht gesehen oder wollte es einfach nicht wahrhaben.

Das hat mich echt so vom Hocker gehauen, Gott sei Dank habe ich nicht wie alle anderen weggesehen, sondern immer wieder versucht ihr zu helfen. 

Zu ihrem aktuellen Verbleib: Ich habe sie auf eigenen Wunsch hin zum Jugendamt begleitet, (bei dem die Familie wohl schon zu den alten Pappenheimern zählte?! Aber bisher haben die Eltern anscheinend immer wieder das Amt einlullen können und die Kinder haben ebenfalls Stillschweigen bewahrt) und sie wurde aufgrund von akuter Kindeswohlgefährdung gleich am selben Tag in einer Clearingstelle aufgenommen, bis ein Platz in einer heilpädagogischen Jugendwohngruppe für sie frei wird. Die beiden Brüder (zwei und fünf Jahre alt) befinden sich jetzt in Pflegefamilien. 

Diese Geschichte war glaube ich mein richtiger Praxisschock. Ich bin immer noch fassungslos. 

Deswegen auch hier nochmal ein Aufruf an alle Pädagogen: Lieber einmal zu viel hingeschaut, als einmal zu wenig. Bitte helft euren Schülern! Redet wenigstens mit ihnen. Was ich hier erlebt habe, war einfach nur ein verzweifeltere Hilfeschrei und ich habe vor ein paar Monaten noch überlegt sie für ihr Verhalten zu bestrafen. Diese Nummer muss ich erstmal verdauen. 

Vielen lieben Dank für all eure lieben Ratschläge!

Eure Jessi

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Was mache ich bloß mit dieser Schülerin?

Guten Abend!

Ich bin seit noch nicht allzu langer Zeit Lehrerin an einem Gymnasium und unterrichte dort unter anderem eine zehnte Klasse in Englisch. Bei einer meiner Schülerinnen bin ich seit ein paar Wochen aber echt mit meinem Latein am Ende.

Ich komme ins Klassenzimmer und meistens liegt sie da schon mit dem Kopf auf den Armen da und wenn sie noch nicht schläft, dann kann ich von Glück reden. Sie schläft mir fast jede Stunde komplett oder fast ein, passt nie auf, entweder sie ist laut oder starrt vor sich hin.

Daraufhin habe ich versucht sie mehr zu fördern, weil ich davon ausging, dass sie unterfordert ist. Immer noch komplette Arbeitsverweigerung und Schlafen im Unterricht.

Ich weiß auch wirklich nicht, wie ich sie beschreiben soll. Einerseits wirkt sie sehr zerstreut, ist aber in punkto Abgabeterminen immer zuverlässig. An unserer Schule gibt es jede Woche eine Problemdiskussionsrunde in den Klassen, da übernimmt sie jedes Mal die Rolle der Diplomatin, versucht Streit zu schlichten und übernimmt auch sonst für alles erstaunlich gerne Verantwortung, kümmert sich um alles und jeden. Und wenn sie schläft, ist das nie oberflächlich, sondern diese Schülerin schläft dann wirklich tief und fest.

Mir bereitet das Ganze ein wenig Kopfschmerzen, weil dieses Desinteresse und das Einschlafen immer häufiger vorkommt. Ich weiß, es ist nur noch eine Woche bis zu den Ferien, aber das kommt mir doch sehr Spanisch vor. Irgendwas stimmt mit ihr nicht. Ich bin total unsicher, auch die anderen Lehrer berichten mir davon, bei der Klassenkonferenz war sie Gesprächsthema Nummer 1. Wir (Kollegen) haben schon versucht den Vertrauenslehrer einzuschalten, da dieser gleichzeitig ihr Griechischlehrer ist: Nichts, sie hat sich geweigert ihm überhaupt zuzuhören. Die Eltern können wir auch nicht mal eben unauffällig ansprechen, egal ob Elternabend oder Elternsprechtag, man bekommt keinen der beiden je zu Gesicht.

Ich mache mir schön langsam wirklich Sorgen, weil ich die Situation überhaupt nicht einschätzen kann. Tipps und Ratschläge werden dringend erbeten, vielen Dank.

Liebe Grüße, Jessi

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Sorry, diesen Teil hat mit Gutefrage leider rausgeschmissen.


Sie ist auch ein ziemlich starker Charakter, bekommt sie einen Arbeitsauftrag, kann ich davon ausgehen, dass sie diesen nicht erledigt. Vielleicht halb, wenn ich sie direkt auffordere oder sie fängt an tun diskutieren. Warum? Kann sie nicht, will sie nicht, keine Lust, macht sie gleich, sie überlegt noch.

Das Problem ist, dass sie sehr wohl kann. Einmal war die Vereinbarung, dass die Klasse eine Cartoon An**ysis verfassen sollte und dann schon in die Pause gehen darf. Und siehe da, die meisten haben dazu ca. 30 bis 40 Minuten gebraucht, sie hat ihren Aufsatz nach einer Viertelstunde abgegeben. Gut, dachte ich mir, wird nicht herausragend sein, eben schnell schnell, damit sie gehen kann. Siehe da: Unordentlich schon, aber auf einem sehr hohen sprachlichen Niveau und eigentlich fehlerfrei. Da war ich erstmal überrascht.

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