Ich bin sehr sehr dankbar für die Frage. Mich beschäftigt Bad Salzelmen seit 43 Jahren. 1979 für 6 Wochen dort, komplett von den Eltern getrennt, täglich auf Post hoffend, allein mit der Angst und hilflos in der Nacht, wenn das Mädchen über mir im Doppelstockbett ins Bett machte und es furchtbar stank. Das Mädchen „schiss“ sich aller 2 Nächte ein. Aber auch anderen muss es so ergangen sein. Die Toilette war morgens komplett verschmiert, der Boden, die Fliesen. 4 jährige, wie ich es war, die es einfach nicht geschafft haben. 4 jährige, die wie ich auf Post hofften, auf Trost. Vielleicht hatten sie Angst ähnlich wie ich gezwungen zu werden die Zuckerbrötchen zu essen, die Käsestullen, die dicken Milchnudeln. Ich erinnere mich des Speisesaales. Als die Kräfte erkannten, dass ich Käse nicht ausstehen konnte, größten Ekel spürte und um überhaupt den Raum wieder verlassen zu dürfen das Brot mit Tee zu einem Brei im Mund formte und herabwürgte, nahmen sie mir den Tee. Ich saß also einsam und ewig im Raum und quälte mich mit dem widerlich ekligen Käsebrot. Ich hasse noch heute Käse. Jeder Geruch, der an Käse erinnert, lässt mich ins Jahr 1979 zurückfallen.
Es gibt ein Gruppenfoto aus dem November 1979. Die gut 20 Kinder kennen kein Lächeln.
Ich kann mich keiner Gaskammern erinnern. Wahrscheinlich verdrängt. „Bürstenprozedur“ - ja, da war etwas und dennoch komme ich nicht drauf. Über die Erfahrungen habe ich als Kind kaum bis gar nicht gesprochen. Ich wusste nur, ich muss künftig ganz doll gesund bleiben, damit ich dort nie wieder hin muss. Keine einzige Kraft blieb mir in Erinnerung. Keine einzige Angestellte, keine einzige Person, deren Lächeln oder derer Wärme ich mich entsinne.

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