Ich befürchte, eine Erklärung wirst du nicht verstehen, wenn dir das entsprechende Wissen auf diesem Gebiet fehlt und einige Begriffe fremd sind. Ich werde es aber trotzdem versuchen im groben zu beschreiben.
Der Hauptunterschied zwischen den beiden Integralansätzen besteht darin, dass das Lebesgue-Integral das Messbarkeitsprinzip als Hauptkriterium benutzt, wodurch mehr Funktionen sich integrieren lassen.
Wenn wir als Grundraum die Menge der reellen Zahlen (R) betrachten und darauf die Borelsche Sigma-Algebra definieren (das ist ein Mengensystem auf R, welches bestimmte Eigenschaften erfüllen soll) und diese noch vernünftig erweitern (frag lieber nicht wie), dann erhalten wir ein sehr riesiges System von Teilmengen auf R. Auf diesen wird dann auf eine bestimmte Weise eine Mengenfunktion definiert (die auch als äußeres Maß genannt wird), die jeder Teilmenge ein Maß zuordnet. Auf dem konstruierten Teilmengensystem wird diese Mengenfunktion als Lebesgue-Maß bezeichnet, und alle Teilmengen dieses Mengensystems erhalten den Namen "Lebesgue-meßbare-Mengen".
Es geht weiter: wir nennen eine Funktion Messbar, wenn sie einen bestimmten Zusammenhang zu diesen Lebesgue-meßbaren-Mengen hat. (ohne weitere Angabe). Eine Einfache Funktion ist eine Funktion, die messbar ist und höchstens endlich viele Werte annimmt. Zwar hat sie auf den ersten Blick die gleiche Darstellung als eine Treppenfunktion, aber es gibt weit mehr Funktionen, die einfach sind, als Treppenfunktionen. Der Unterschied liegt darin, dass eine einfache Funktion auf beliebigen Lebesgue-Mengen, während eine Treppenfunktion lediglich auf positiven Intervallen "unter sich" definiert ist. Jedes positive Intervall ist aufgrund der Konstruktion der Borelschen Sigma-Algebra eine Lebesgue-Menge, aber das System solcher Mengen enthält weit mehr, und sogar ganz viele und sehr komplexe Mengen, als nur solche Intervalle. Beispielsweise liegt auch die Menge der rationalen Zahlen (Q) auch in diesem System, Q ist also auch eine Lebesgue-messbare-Menge. Die schon in deiner vorigen Frage erwähnte Dirichlet-Funktion ist in Wirklichkeit eine einfache Funktion, aber keine Treppenfunktion. Sie ist deshalb einfach, weil sie nur 2 (also endlich) viele Werte annimmt und lediglich auf Q und R\Q, also auf zwei messbaren Mengen, definiert ist. Deshalb lässt sich diese Funktion nach dem Lebesgue-Maß integrieren, was aber nach dem Riemannschen Integralansatz unmöglich wäre, weil man für diese Funktion keine Treppenfunktionen konstruieren kann, deren Ober- und Untersummen für immer feinere Intervalle stimmen würden.
Nun, das Lebesgue-Integral für eine meßbare Funktion wird definiert als Limes der aufsteigenden Folge von Einfachen Funktionen, die diese Funktion von unten ausschöpfen. Der letzte Schritt kling sehr ähnlich zu dem der Konstruktion des Riemannschen Integrals, der eine Folge von Treppenfunktionen konvergieren lässt, aber, wie schon gesagt, da es weit viel mehr Einfache Funktionen existieren und Treppenfunktionen lediglich eine kleine Teilmenge dieser darstellen (jede Treppenfunktion ist auch eine Einfache Funktion, aber nicht umgekehrt), so lassen sich mit einfachen Funktionen weit mehr Funktionen approximieren, was man mit Treppenfunktionen sonst nicht erreicht hätte. In diesem Sinne stellt das Lebesgue-Integral eine Verallgemeinerung des Riemannschen Integrals auf der Menge der reellen Zahlen dar.