Hallo Laura,

wir leben auf einem Bauernhof mit vielen anderen Tieren (Hühnern, Enten, Ziegen, Pferden, Katzen), und nach einem ungebetenem "Fuchsbesuch" im Geflügelgehege, dem eine lange reifliche Überlegung und Recherche mit zahlreichen Briefwechseln mit Züchtern, Haltern und Verbänden folgte, ist unsere Wahl auf den slowenischen Kraŝki ovĉar gefallen.

Wir waren "Hundeanfänger", also Erstlingshalter, allerdings mit einigen Vorkenntnissen, was wir von einem Hund dieser Rasse insbesondere in punkto Charakter und Verhalten erwarten können - und was der Hund von uns erwarten wird, also im Hinblick auf Erziehung, Fütterung und Training. Dennoch hätte uns wahrscheinlich jeder "Experte" abgeraten oder ob unserer Entscheidung die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen.

So ist in seiner zehnten Lebenswoche unser NIL bei uns eingezogen. Da wir den Hof und die Tiere nicht lange allein lassen können / wollen, erklärte sich der Ehemann der Züchterin bereit, ihn uns aus Slowenien zu bringen. Das war in gewisser Weise eine Lotterie - für die Züchter, für uns, und nicht zuletzt für den jungen Hund, denn niemand wußte so recht, was ihn erwartete. Die Züchter wollten uns und unser Umfeld vorher auf jeden Fall kennenlernen, um sich einen kurzen Einblick darüber zu verschaffen bzw sicherzugehen, daß ihr kleiner Zögling bei uns ein gutes Zuhause finden würde. Sehr seriös!

Nun, man wächst mit seinen Aufgaben, sagt man. Nil stellte sich sehr schnell auf uns und sein neues Leben bei uns ein. Wir lernten schnell, daß er Konsequenz schätzt und braucht - und wir Geduld - bei allem was Erziehung angeht. NEIN muß auch NEIN bedeuten - und zwar immer, jeden Tag. Was einmal erlaubt / zugelassen / geduldet wird, ist einem solchem Hund später kaum mehr zu verbieten. Um unerwünschtes Fehlverhalten des Hundes wie z.B. das spielerische Schnappen zu unterbinden, haben wir mit Ignoranz gute Erfahrungen gesammelt. Wird der Hund bei Fehlverhalten nicht mit Aufmerksamkeit belohnt, sondern "links liegen gelassen", sich von ihm entfernt oder er kurz zur Strafe wegsperrt, dann lernt er recht schnell, dieses Verhalten zu unterlassen, denn nichts ist für einen Kraŝki ovĉar schlimmer, als von seiner Familie getrennt zu sein.

Man darf nicht verschweigen, daß die Hunde überraschend schnell wachsen, sich im Pelz des großen Kerls allerdings lange Zeit ein kleiner Kindskopf verbirgt, denn diese Hunde sind ausgesprochene Spätentwickler. Deshalb ist eine konsequente, dabei aber stets liebevolle Erziehung von Anfang an so wichtig. Erziehungsfehler sind schwer zu korrigieren. Härte verträgt er nicht gut. Zu strenge, unangemessene (körperliche) Bestrafung wird er als ungerecht empfinden und sich womöglich dagegen verschließen - er wird sie im schlimmsten Fall als Vertrauensbruch betrachten, und das kann auch für den Halter gefährlich werden, denn er vergißt weder Gutes noch Böses. Strafen sollten deswegen kurz und angemessen sein. Ein kurzes Erschrecken des Hundes z.B. durch einen kurzen harmlosen Klaps mit Zeitung oder Handschuh ist dabei viel wirkungsvoller und fairer für den Hund als etwa Schläge (die ohnehin in der Erziehung nichts zu suchen haben sollten).

Auf die Steuerung mittels Augenkontakt und Stimme reagiert unser Hund sehr gut. Dabei spiegelt der äußere Ausdruck die innere Haltung wider (z.B. Strenge, Mißfallen, aber auch Lob, Zuneigung). Der Hund wird unserem Blick in jedem Fall ausweichen, was bedeutet, daß er sich unterordnet und fügt.

Insbesondere nachts ist das Bewachen seine Passion. Er wandert dann gern sein gesamtes Revier ab und macht seine Umgebung sehr lautstark darauf aufmerksam, daß ER hier nach dem Rechten sieht und keinen fremden Eindringling, weder Mensch noch Tier, duldet. Ohne die Möglichkeit und Aufgabe des selbständiges Bewachens unseres geräumigen Areals (ca. 8.000 qm Grundstück) wäre es schwierig, ihm eine angemessene Auslastung zu verschaffen. Er braucht eine sinnvolle Beschäftigung, die dem Zweck nahekommt, für den er ursprünglich gezüchtet wurde. Sobald die Dämmerung einsetzt, verstärkt sich sein Wachtrieb. Er reagiert dann sehr (laut)stark und sensibel auf sämtliche Arten von Geräuschen; Bewegungen und Licht, und wird diese durch seine gesamte Kommunikationspalette anzeigen - vom Grollen, über Knurren, bis hin zum Bellen, das in wolfsähnlichem Geheul endet. Dieses Verhalten verstärkt sich bis ins Erwachsenenalter hinein. Einbrecher oder auch nur nächtlicher Besucher möchte man dann nicht sein, denn er macht das nicht zum Spaß, sondern nimmt seine Aufgabe sehr ernst. Respektiert sein Gegenüber seine Warnungen nicht, dann zögert er auch nicht, anzugreifen, um seinen Drohungen Nachdruck zu verleihen.

Ein Kraŝki ovĉar ist eher ein Bewacher und Beschützer, aber auch in der Lage, eine Herde zu hüten / treiben, falls notwendig. Unser Nil hat sofort nach dem Einzug bei uns damit begonnen, zuerst die Ziegen zu "hüten" - sehr drollig anzusehen!

Wichtig ist es, den jungen Hund von Beginn an mit den verschiedensten Situationen, Menschen und Tieren bekannt und vertraut zu machen, mit denen er leben und zu tun haben wird. Unsere Aufgabe als Halter muß es dabei sein, daß der Hund dabei möglichst ausschließlich gute Erfahrungen sammeln kann. Aus diesem Grund liebt Nil praktisch alle Tiere (inkl. Katzen), kann aber sehr genau zwischen "gehört zu uns" und "gehört nicht zu uns" unterscheiden. Am liebsten möchte er fast den ganzen Tag mit unseren Katzen spielen - er ist heute etwas über 8 Monate alt - versteht aber nicht, warum die Katzen das etwas anders sehen - kein Wunder bei seiner mittlerweile beeindruckenden Größe und Kraft - und dem riesigen, wolfsähnlichen Gebiß! :-)

Als typischer Vertreter der Hirtenhunde entscheidet Nil gern eigenständig. Er folgt auch Befehlen, manchmal aber auch erst dann, wenn er es für angebracht hält. Der Kadavergehorsam eines Deuschen Schäferhundes ist ihm fremd und verpönt. Stöckchenspielen ist unter seinem Niveau. Ein sicher eingezäuntes Grundstück (Zaunhöhe mind. 150cm) muß in jedem Fall vorhanden sein, sonst wird ein Kraŝki ovĉar mit Sicherheit früher oder später auf eigene Faust auf Erkundungstour gehen - und das könnte Gefahr für den Hund, höchstwahrscheinlich aber Ärger für Hund und Halter bedeuten, der leicht vermeidbar ist.

Nil ist ein durch und durch freundlicher, ehrlicher Hund ohne jede Heimtücke oder Aggression. Er braucht allerdings ein Lebensumfeld, das seinen Bedürfnissen entgegenkommt, und wo er sein großes Temperament und seinen Bewegungsdrang "abarbeiten" kann. Als Vorstadthund in Reihenhaus mit kleinem Garten würde ich - dem Hund zuliebe - besser nach einer anderen Rasse suchen. Der Kraŝki ovĉar ist ein echter Bauernhund, der viel Raum, noch mehr Liebe seiner Familie und vor allem eine entsprechende Aufgabe braucht, damit Mensch und Hund glücklich werden.

Wie jeder andere Hirtenhund, und mehr als jeder andere Hund, wird ein Kraŝki ovĉar zum charakterlichen Spiegelbild seiner Familie bzw seines Halters werden. Man sieht die Rasse hierzulande leider viel zu selten und wird mit einem solchen Begleiter häufig angesprochen. Wir sind stolz auf unseren Nil, der es uns leicht gemacht hat - und dann fast jeden Tag von fremden Menschen hören zu dürfen: "Ist das ein feiner Kerl! Was ist denn das für eine Rasse?"

Blog von Nil's Züchterin: karstshepherd.blogspot.de Slowenischer Zuchtverband: dlvkos.si

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