Ich stolpere gerade über diese Frage und auch wenn sie alt ist, möchte ich nochmal kurz etwas dazu schreiben, da ich die einzige Antwort hier nicht wirklich aufschlussreich finde.

Der Ich-Erzähler ist eine gespaltene Erzählerfigur.

Denn einerseits wird hierbei die epische Distanz, die ein Erzähler meist hat, vollkommen durch ihn aufgehoben, weil hier Erzähler und Protagonist zu einer Einheit verschmelzen und selbst mitten im Geschehen stehen. Andererseits schafft der Ich-Erzähler natürlich durch sich selbst eine gewisse Distanz zum Erzählten, da er ja nur erzählen kann, was bereits geschehen ist. Somit wird Distanz aufgehoben und durch den Ich-Erzähler selbst wieder geschaffen.

Deshalb unterscheiden wir den Ich-Erzähler in das erlebende und das erzählende Ich.
Ein erlebendes Ich ist somit unmittelbar am Geschehen beteiligt und durchlebt es im Moment selbst, wohingegen ein erzählendes Ich die Retrospektive einnimmt. Also im Nachhinein über ein Erlebnis berichtet.

Diese Unterscheidung macht es nun möglich, dass der Ich-Erzähler einen sehr intimen Blick auf die Figur möglich macht, da wir das Innerste eines Charakters sehen können. Allerdings ist diese Innenansicht im Gegenzug auf ein ganz enges Blickfeld beschränkt, nämlich das eigene, weshalb die Gedanken anderer Figuren verschlossen bleiben. Hier nähert sich der Ich-Erzähler stark an den personalen Erzähler an.

Allerdings erzählt der Ich-Erzähler eine Geschichte und zwar in den meisten Fällen die eigene. Wenn dabei ein zeitlicher Abstand existiert, sich die Figur also an vergangene Dinge erinnert, kann sie kommentierend oder wertend auftreten und außerdem Einzelheiten über den Verlauf der Geschichte wissen, die sie dem Leser noch vorenthält. In diesem Fall ähnelt der Ich-Erzähler sehr stark dem auktorialen Erzähler.

Diese verschiedenen Merkmale des Ich-Erzählers sind verwirrend. Deshalb ist
eine Einteilung möglich, die auf den möglichen Eigenschaften des Ich-Erzählers beruht. Dabei geht es um den zeitlichen Abstand, den der Erzähler zum Geschehen hat (ausgeprägte oder nicht ausgeprägte Retrospektive?) und außerdem darum, welche Rolle er in der Erzählung einnimmt (eigene Geschichte oder fremde?).


Kurz: Der erlebende Ich ist das, welches gerade den Moment erlebt, das erzählende Ich ist das, welches diesen Moment aus einer Retrospektive erzählt, also z.B. eine Nacherzählung in der Vergangenheitsform, und seine eigenen Geschichten und Erlebnisse im Nachhinein kommentieren und reflektieren kann.

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