Die arabische Einheit ist keine neue Idee, sondern ein alter Traum aller Araber. Im ersten Weltkrieg schien sie greifbar, denn sie wurde den arabischen Stämmen des Nahen Ostens versprochen, wenn sie sich dem Kampf gegen die (mit den Deutschen verbündeten) Türken (Osmanen) anschließen würden. Der berühmte englische Offizier und Geheimdienstler Lawrence von Arabien spielte dabei eine nicht unwesentliche Vermittlerrolle. 

Tatsächlich schlossen sich die Araber dem Kampf an, doch die Kolonialmächte England und Frankreich dachten überhaupt nicht daran, ihre Versprechen zu halten. Im Gegenteil zogen sie nach dem Krieg willkürliche, oft mitten durch ethnische Gebiete gehende Grenzen (schon 1916 im geheimen Sykes-Picot-Abkommen), und schufen auf dem Reißbrett neue arabische Staaten, ohne die Araber überhaupt anzuhören. So teilten Engländer und Franzosen die arabischen Gebiete unter sich auf und installierten von ihnen abhängige - meist monarchische - Regime.
Diese Demütigung hat sich stark ins kollektive Gedächtnis der Araber eingeprägt. 

Die Kolonialherrschaft war brutal und ausbeutend, jeder Widerstand wurde blutig niedergeschlagen, woran auch die sog. Unabhängigkeit der Staaten seit den 50er Jahren wenig änderte. 
Bis heute ist der Machteinfluss der ehemaligen Kolonialherren immer noch groß, ihre Verfügungsgewalt über Ressourcen und Politik in den arabischen Ländern blieb unverändert groß. Nur wenige Länder schafften es, sich aus der nachkolonialen Herrschaft zu lösen, worauf die Kolonialmächte mit Regime-Changes durch ihre Geheimdienste reagierten. Das bekannteste Beispiel dafür ist der Putsch in Iran 1953.

Seit einigen Jahren vollzieht sich durch den verstärkten Kampf um Rohstoffe und geopolitische Interessen ein sog. Neo-Kolonialismus, der die theoretische Unabhängigkeit der Staaten zwar nicht antastet, aber de facto durch Truppenstationierungen, wirtschaftliche und finanzielle Abhängigkeiten sowie Land- und Fischraub und unfaire Handelspolitik eine katastrophale Herrschaft über die Ex-Kolonien ausübt. Auch Deutschland ist inzwischen mit Truppen an solchen Aktionen - wie z.B. im Tschad beteiligt. 

Die allesamt bankrotten ehemaligen Kolonialstaaten schrecken in den letzten Jahren nicht einmal davor zurück, opponierende Regierungen, die den Interessen ihrer neokolonialen Ausbeutung im Wege stehen, mit unverhältnismäßigen Vernichtungskriegen militärisch zu eliminieren und ganze Völker in die Steinzeit zu bomben (z.B. Libyen, Syrien, unter abweichenden Bedingungen auch Irak oder Afghanistan). 

Akteure, die eine arabische Einheit anstreben, werden verfolgt. Die meisten arabischen Länder sind mit ihren Nachbarländern und oft auch untereinander verfeindet, wobei diese Feindschaft nicht zwischen den Völkern, sondern den Regierenden besteht. 

Für die Völker bleibt die arabische Einheit ein großer Traum, doch praktisch ist sie unter den gegebenen Verhältnissen undenkbar. 

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