Im Gespräch mit Muslimen hören wir oft das Argument, Mohammed sei der wahre und letzte Prophet Gottes, da er auch in der Bibel vorausgesagt worden sei. Sowohl im Alten wie im Neuen Testament wollen Sie Stellen finden, die auf Ihren Religionsgründer hinweisen, denn der Koran besagt, dass der Gesandte in der „Thora und dem Evangelium“ zu finden sei (Sure 7:157). Kann diese Behauptung einer Überprüfung standhalten? Wir wollen hier auf die von muslimischen Apologeten am häufigsten angeführten Verse eingehen.
In 5. Mose 18 lesen wir Gott zu Mose über das Volk Israel sprechen: „Ich will ihnen einen Propheten, wie du bist, erwecken aus ihren Brüdern und meine Worte in seinen Mund geben; der soll zu ihnen reden alles, was ich ihm gebieten werde“.
Diese Prophezeiung beziehen Muslime nun auf Mohammed, wobei dieser ja auch nur die Worte Gottes direkt weitergegeben habe. Aus „deinen Brüdern“ legen sie in diesem Fall als das Brudervolk der Ismaeliten aus, von denen Mohammed der Tradition nach abstammen soll, denn auch Ismael war Abrahams Sohn und daher in gewisser Weise Israels Bruder. Dem ist entgegenzuhalten, dass im Kontext des 5. Buch Mose, mit „Brüder“ aber fast immer Israeliten gemeint sind (z.B. 5. Mo 1:16; 1:28; 3,20; 15,7; 17,15 usw.) und auch im Zusammenhang des Kapitels ist nur die Rede vom Bundesvolk.
Zudem legten die Christen diesen Vers bereits früh eben auf Jesus aus (vgl. Apg 3:22). Hier wenden Muslime ein, dass „ein Prophet, wie du [Mose] bist“ viel besser auf Mohammed passe, als auf Jesus, denn Mose und Mohammed wurden beide nicht von einer Jungfrau geboren, waren verheiratet und hatten Kinder, waren Gesetzgeber und politische Führer - was aber auf alle möglichen religiösen Figuren passen könnte. Allerdings gibt das 5. Buch Mose selbst Auskunft darüber, wie dieses Wie-Mose-Sein zu verstehen ist:
„Und es stand hinfort kein Prophet in Israel auf wie Mose, den der HERR erkannt hätte von Angesicht zu Angesicht, mit all den Zeichen und Wundern, mit denen der HERR ihn gesandt hatte …“ (5. Mo 34,10-11).
Der Schlüssel zum Verständnis ist also a), dass der besagte Prophet Gott persönlich begegnete und b) große Zeichen und Wunder vollbringt. Ersteres trifft auf Jesus zu, der aus dem Himmel von Gottes Gegenwart persönlich stammt und nicht auf Mohammed, zu dem Gott lediglich durch einen Engel und nicht persönlich gesprochen habe. Zweiteres entspricht ebenfalls nur Jesus, der viele Wunder in Israel vollbrachte, während Mohammed keine Wunderzeichen aufweisen konnte, sondern lediglich ein „Warner“ war (Sure 11:12; 13:7). (Muslime schreiben ihm dennoch Wunder zu, doch diese Geschichten stammen aus einer viel späteren Zeit und sind eher im Bereich der Legenden zu verorten.) Außerdem war Jesus ebenfalls wie Mose einem Kindermord entkommen, ein Gesetzgeber (Bergpredigt, Mt 5-7) und auch ein Bundesstifter (Heb 8:6). Die Stelle muss also klar auf Christus ausgelegt werden.
Eine weitere prominente Stelle, die im Dialog mit Muslimen angeführt wird, ist Hohelied 5:16: „Sein Mund ist voll Süße und alles an ihm ist lieblich. – So ist mein Freund, so ist mein Geliebter, ihr Töchter Jerusalems!“
Das Wort „lieblich“ lautet im Hebräischen an dieser Stelle mochammedim. Hier wollen islamische Apologeten also Mohammed sogar namentlich erwähnt finden. Doch nur ein ähnlicher Klang zweier Wörter – der nicht einmal perfekt übereinstimmt - aus zwei verwandten Sprachen macht noch keine Prophezeiung. Im Kontext des Hohelieds geht es eben nicht um die Voraussage eines Propheten, sondern um eine erotische aufgeladene Sprache zwischen zwei sich Liebenden. Zudem passt die Beschreibung nicht auf Mohammed, denn im ersten Vers des Kapitels trinkt er „seinen Wein“, der ja im Islam verboten ist. Zudem: Wendet man das Prinzip auf andere Stellen an, in denen das entsprechende Wort im Hebräischen verwendet wird, stößt man auch nicht auf Prophezeiungen, sondern eher auf Verse, die dem widersprächen (z.B. in Hes 24:21: „Ich will euer Mohammed entheiligen“).
Im Neuen Testament wollen Muslime Mohammed direkt von Jesus prophezeit finden. In seiner Abschlussrede vor seinem Tod verspricht Jesus das Kommen eines Helfers oder Beistands (Joh 14:16). Auf Griechisch lautet diese Person parakletos. Ändert man nun einige Buchstaben, erhält man periklytos, zu Deutsch „hochgepriesen“, was dem Namen Mohammed entspräche. Hier ist aber einzuwenden, dass man mit Buchstabenaustausch alles Mögliche beweisen könnte. Kein Textzeuge bezeugt zudem diese Version. Vielmehr wird im Kontext des Verses deutlich, dass mit dem Paraklet der Heilige Geist gemeint ist (Joh 14:17.26; 16:13). Außerdem wird dieser bei den Jüngern bleiben, wohingegen Mohammed wieder gestorben ist, und in ihnen sein, was ebenfalls nicht auf Mohammed passt (14:17). Zudem wird dieser Geist von Jesus persönlich gesandt (16:7) und wird Ihn, Jesus, verherrlichen (16:14). Auch hier eine klare Passung auf den Heiligen Geist statt auf diesen späteren Propheten, der ja erst Jahrhunderte später kam, also auch allein deswegen nicht die Erfüllung für die Jünger direkt in jeder Zeit sein konnte.
Eine Referenz, die von der muslimischen Apologetik aber aufgrund seiner Schwierigkeiten immer seltener benutzt wird, ist das sogenannte apokryphe Barnabasevangelium. Es handelt sich dabei um eine Schrift, die die wahre Geschichte und Botschaft Jesu von Nazareth erzählen will. Diese sei in den klassischen Evangelien falsch berichtet worden. In Kapitel 97:9–10 zum Beispiel wird Mohammed namentlich als kommender Prophet angekündigt. Allerdings ist dieses Evangelium nach einhelliger Meinung der Wissenschaft eine Fälschung aus dem 16. Jahrhundert. Es finden sich keine griechischen Urtextüberlieferungen dazu. Zudem wimmelt es in der Schrift von allen möglichen historischen Fehlern, die auf die Unkenntnis der damaligen Gegebenheiten des Verfassers hindeuten. So könne man laut Barnabasevangelium mit dem Schiff nach Jerusalem fahren (Kap. 20) und Pilatus sei bereits bei Jesu Geburt Statthalter gewesen (Kap. 3). Viele andere Unstimmigkeiten lassen sich hier finden. Ein glaubwürdiges Evangelium aus der Zeit der Apostel ist es mit Sicherheit nicht. Vielmehr scheint es von einem Autor zu stammen, der mit dem bereits vorhandenen islamischen Glauben sympathisierte.
Fazit: Die behandelten, von muslimischen Apologeten häufig angeführten Textstellen lassen keinesfalls darauf schließen, dass der Prophet des Islam in der Bibel vorausprophezeit worden wäre.