Hallo Dennis,
man muss drei Punkte ganz klar unterscheiden: Sprache, Genetik und Kultur. Der Begriff Wikinger sagt nämlich über keines der drei Begriffe viel aus, da es sich hierbei eher um einen Lifestyle als um alles andere gehandelt hat.
Zur Sprache: Finnisch ist wie viele bereits gesagt haben eine finno-urgische Sprache deren Ursprung man im Ural vermutet. Ja, auch Ungarisch hat seinen Ursprung dort. Beide Sprachen gehören also dem gleichen Zweig an, ähnlich wie Isländisch und Spanisch (beide indogermanischen Ursprungs). Und die letzteren beiden sind deutlich näher verwandt. Sprache allein sagt aber wenig über den Alltag vieler Menschen aus und auch nur bedingt über ihre Kultur. Kulturen beeinflussen sich gegenseitig ohne dass eine große Adaption der Sprache stattfindet. Beispiele findet man in deutscher und US amerikanischer Kultur heutzutage. Es gibt einige Lehnwörter aus dem Englischen, man isst hierzulande Burger usw.. Dennoch ist die Kultur nicht die gleiche. Aber man kann von einem Austausch sprechen, der Einflüsse hinterlässt. So gibt es im Finnischen Lehworte bereits aus dem protogermanischen, also der Sprache vor dem eigentlich germanischen. Kuninkas ist Finnisch und bedeutet „König“, kuningaz protogermanisch für „König“.
Zur Kultur: Ähnlich ist es in der finnischen Kultur. Diese war schon vor der ersten Bekannten Ansiedlung skandinavischer Siedler aus dem heutigen Schweden im 12 Jhd. spürbar „westlich“. Darauf deuten viele Funde aus der Bronzezeit. Diese legen eine deutliche Verbindung mit der gotländischen Kultur nahe, welche wiederum heute zur „schwedischen“ Kultur gehört. Die späte nordische Eisenzeit - auch als Wikingerzeit bekannt - hat ihrer Zeit ebenso Spuren in Sprache und Leben der Menschen hinterlassen. Auch diese Spuren zeigen einen immensen Kontakt zur östlichen Küste Schwedens. Es ist also davon auszugehen, dass beide Völker damals enge Beziehungen führten. Zudem weisen Funde wie Münzhorte orientalischer Währungen, bestimmte Waffengattungen wie das sog. ULFBERTH-Schwert und vieles weitere auf typische „Wikinger-Funde“. Unter diesen Gesichtspunkten gab es vor allem in der finnischen Küstenregion sicherlich Männer die auf Raubzug gingen, also viking betrieben. Interessant dabei sind versch. Überlieferung vor der Eisenzeit, die von einem sog. Kvenland sprechen, das auf schwedischer und finnischer Seite des bottnischen Meerbusens gelegen haben soll. Die Herrscher sollen „Finnen“ gewesen sein und sich mit dem dänischen und norwegischen Königen im Laufe der Jahrhunderte vermischt haben.
Zur Genetik: Die heutigen Finnen sind in sich sehr unterschiedlich, je nach Region. Offensichtlich haben die, die in Küstennähe lebten mehr genetischen Austausch gehabt, als jene im Inland. Dennoch sind rund 80% der Gene typisch für Europäer und nur 20% typisch für das Ural. Das wiederum spricht für einen deutlichen Kontakt zum Westen und zu Skandinavien. Man muss zudem verstehen, dass die Ostsee in vergangenen Zeiten eher eine Verbindung als ein Hindernis darstellte. Anders als die dicht bewaldeten Gebiete des Landes, die kaum zu durchdringend waren. Folglich gab es mehr genetischen und kulturellen Austausch über das Meer. Dennoch konnte sich die finnische Sprache etablieren und vor allem auch etabliert bleiben. Das wiederum spricht für eine gewisse kulturelle Festigkeit, auch wenn es keine klaren literarischen Nachweise für finnische Königreiche gibt, sondern lediglich Sagas und Geschichten. Dennoch können auch diese wie oft einen wahren Kern besitzen. Außerdem ist es sehr interessant, dass bei Forschungen zu den Vorfahren der Kiewer Rus, also jenen Wikingern bzw. Warägern, die das Reich der Rus (später Nowgorod und Russland) gründeten, Verbindungen zu typisch finnischer Genetik gefunden wurden. Hier untersuchte man die männlichen Nachfahren Ruriks, die bis heute nachweislich im europäischen Adel existieren, und fand genetische Merkmale, die am ehesten auf heutige Finnen zutreffen (siehe Ruriks childs).
Alles in allem gibt es also viele Hinweise auf eine ähnliche Lebensweise und Kultur der Finnen in der späten Eisenzeit wie es sie in Skandinavien gab, auch wenn es eindeutig eine eigenständige Kultur bildete. Zudem findet man archäologische und genetische Verbindungen, die sich damit decken. Dementsprechend kann man sagen, ja es gab sicherlich „finnische“ Wikinger, da es sich hier vor allem um lose Verbände von Seeräubern und Händlern aus Nordeuropa handelte und weniger um eine genetisch und kulturell homogene Gruppe oder gar ein Volk.