Kein Wunder, daß Du ihn nicht verstehst, denn der Artikel ist völlig widersprüchlich.

Wir leben in einer entfremdeten, hochtechnologisierten Gesellschaft. Die Technologie entfremdet den Menschen von seiner Umgebung, der Umwelt, zu der er in früheren Zeiten ein wissenschaftlich nicht korrektes, aber intuitives und inniges, mythisches Verhältnis hatte. Anstatt den Himmel zu betrachten und daraus auf eine Wetterentwicklung zu schließen, mißt und quantifiziert, berechnet man die vermuteten Wetteränderungen - dies als Beispiel.

Der Autor plädiert nun dafür, daß die authentischen Erfahrungen, die Romantik des Erlebens der Welt ohne Geräte, welche uns dieser Erfahrungen entfremden, in die Welt der Geräte übertragen werden sollten - etwa mithilfe von virtueller Realität. Dies ist insofern widersprüchlich, als man ja immer noch keine authentischen, also wirklichen Erfahrungen gewinnt, sondern nur in eine weiteren Ebene der Entfremdung hinabsinkt.

Sollen "authentische Erfahrungen zum Luxus" werden, dann bedeutet dies, daß sie ebenso quantifiziert, und marktwirtschaftlichen Zwängen ausgesetzt werden sollen, sprich: Die normalen Menschen leben in der Simulation des Digitalen, wer sich Luxus leisten kann, erlebt die Erfahrungen in der wirklichen Welt.

Für die neuen Romantiker geht es darum, neue Illusionen zu produzieren und im Licht der Daueröffentlichkeit und radikalen Transparenz wieder Intimität und Geheimnis zu finden. Authentische Erfahrungen werden inmitten von künstlicher Intelligenz zum Luxus, wobei es einen großen Unterschied gibt zwischen Wahrheit und Authentizität. In einer vollends digitalisierten und zunehmend virtuellen Welt verbleibt als einzige Arena für authentische Erfahrungen, was sich echt anfühlt

Es geht also darum, die natürliche, authentische Erfahrung den Menschen durch eine totalitäre, also allumfassende digitale Scheinwelt zu nehmen, und diese natürliche Fähigkeit soll ihm, der abhänig ist vom Digitalen, als Luxus verkauft werden. Ein sehr geschickter wirtschaftlicher Schachzug.

Mit Romantik hat dies nicht viel zu tun, da die "Tiefenschichten" nur Simulationen sind, weitere Simulationsebenen, die mit dem Bedürfnis der echten Romantiker nach einem wahrhaft tiefsinnigen (Natur-)Erleben nicht gerecht werden. Der Autor wirft hier also mit falschen Begriffen um sich.

Eine Gesellschaft, die nur noch funktionsfähig, aber nicht mehr leidensfähig ist, wird schnell eine inhumane Gesellschaft. Sie braucht dringend Platz für unsere Sehnsucht nach Sehnsucht. Es ist wieder einmal Zeit für Romantik, und diesmal ist die Lage ernst: Nur wer die Welt romantisiert, kann sie auch humanisieren.

Der letzte Abschnitt ist wieder sehr viel unscharfes Gerede. Warum etwa sollen wir die Welt humanisieren, ist nicht vielmehr das Problem, daß wir sie mit unserer humanen Technologie überziehen? Die Welt zu humanisieren, ist jedenfalls ein Gedanke, welcher der Romantik, die den Menschen lediglich als einen unbedeutenden Teil der Natur auffaßte, nicht zugehört.

Ich denke, daß der Autor nicht wirklich Ahnung hat, wovon er eigentlich redet.

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