8 Zu spät. Meine Mutter ging bereits auf das benachbarte chrapati zu. Sie wollte "Houlaï" sagen und wegen einem Ei fragen. Ich wartete ein paar Augenblicke und biss mir vor Sorge auf die Finger. Meine Mutter kehrte betrübt mit einer Flasche in der Hand zurück: - Die Frau hat mir Essig gegeben, sagt sie. - Du hast keinen guten Akzent, erklärte ich ihr, der Akzent ist im Holländischen sehr wichtig. Mama sah mich an: - Na dann geh du. Dich verstehen sie. Meine Mutter war sich so sicher. Ich wollte sie nicht enttäuschen. Ich ging schlurfend zu unseren Nachbaren. Wie erkläre ich dieser Frau, dass ich ein Ei brauche? Niclausses Mutter bat mich herein und begrüsste mich auf Französisch: - Houlaï! - Houlaï! sage ich immer verzweifelter. Niclausse kam angerannt: - Houlaï Moatazan! Mein Gescht hellte sich auf. Niclausse war da. Jetzt war alles einfacher. Wir beide sprechen die gleiche Sprache. - Vroug sagte ich. Niclausse wandte sich an seine Musster und sagt etwas wie „anègue". Die Dame zeigt mir mit den Fingern: Eins, zwei, drei? - Nu, dveuch, trioche? fragte Niclausse. Wir haben gelernt auf 20 zählen. - Nu, sagte ich, nu vroug. Ich kehrte stolz mit dem Ei in der Hand zurück. Mama gratulierte mir und mein Vater nahm die Gelegenheit wahr, um eine Rede über den praktischen Wer von Fremdsprachen zu halten. Plötzlich wurde meine Mutter besorgt: - Du hast wenigstens danke gesagt? Was hält sie mich? Natürlich habe ich mich bedankt. "Spretzouille" auf Holländisch.
9 Christine, meine kleine Schwester, hatte sehr schnell herausgefunden, dass mein Freund Niclausse auch eine Schwester hatte. Glücklicherweise war Christine gar nicht vom hölländischen angetan. Sie war damit zufrieden zu wissen, dass ihre Freundin „Barbra“ hiess und sie spielte mit ihr sich im Sand zu vergraben. Eines Tages gingen Niclausses Eltern auf einen Segeltörn und aufgrund von Gegenwind wurde ihre Rückkehr in den Hafen ein wenig verzögert. Niclausse war ein wenig besorgt deswegen, aber unser Lernen lenkte ihn ab. Plötzlich kam meine Mutter zu uns und schrie: - Habt ihr Christine gesehen? Plus de Christine, plus de Barbra (?) Weder auf dem Campingplatz, noch am privaten Strand. - Gouda Christine? fragte ich Niclausse. " Gouda?" sollte „wo?“ bedeuten - Gouda Barbra? frage ich weiter. Mein Freund richtete sich mit einem Satz auf und sagt mir: - Chrapati chrouillasse. - Was sagt er? fragte meine Mutter. Ich übersetzt: - Er spricht von einem Zelt nahe beim Meer. Dort sind die wilden Camper. Er glaubt, dass die Mädchen dort sind. Wir machen uns auf zum Meer. In der Art wie Niclausse an meiner Seite rannte, verstand ich, dass man seine kleine Schwester in egal welcher Sprache lieben konnte.
10 Wir erreichen das Zelt der Camper. Es war ein grosses Loch im Sand zu sehen, aber die Kleinen spielten nicht mehr da. Die Camper schauten uns mit Erstaunen an. In meiner Panik fragte ich sie auf Niederländisch: - Christine Gouda? Sie machte grosse Augen und sprachen untereinander: - Was will er mit seinem „Gouda“ sagen? Ich stiess einen Freudenschrei aus. Das war Französisch! Sie zeigten uns einen kleinen Wald: Die Mädchen waren da. Ich drehte mich zu Niclausse: - Trabeun! Er schaute auf die Bäume und begann wieder zu laufen und seine Schwester zu rufen. Christine und Barbra waren dort, wohlauf, spielend. Meine Schwester bekam eine Ohrfeige von meiner Mutter und ich bekam Komplimente von meinem Vater. Ohne Holländisch, soviel war sicher, wäre meine Schwester verloren. Als die Eltern von Niclausse schließlich an Land gingen, setzte sie mein Freund über die furchtbare Gefahr in Kenntnis, in die ihre Tochter gelaufen war. Die Mutti von Niclausse küsste mich und sagte: - Brova! Was, wie jeder weiss, „bravo“ auf Französisch heisst.
11 Nach einem Monat Sprachaufenthalt, baden im Meer und im Sand, kaxm schliesslich der Tag der Abreise. Niclausse schüttelte mir die Handund sagte mit getrübten Augen feierlich: - Nidausse gaboum Moatazan. Muss ich das übersetzen? Es heisst natürlich, dass wir Freunde geworden sind. - Frag ihn nach seiner Adresse, schlug meine Mutter vor. Niclausse schrieb sie mir auf. Ich entdeckte, dass sein Name Nicolas O’Sullivan war und er in Dublin, Irland lebte. Ich schob das Papier in meine Tasche und behauptete später, dass meine Tasche Löcher hatte. In diesem Sommer in Deutschland entstand die Legende meiner Familie, dass ich für Fremdsprachen begabt sei. Eben wegen dieser Legende habe ich Deutsch, Englisch und dann später Russisch, Spanisch, Italienisch, Chinesisch, Arabisch und Japanisch gelernt. Ich wurde ein grosser Gelehrter und das verdanke ich meinen Eltern. Auch wenn ich Rentner bin, mache ich hier ein Versprechen: Mein lieber Papa, ich will Holländisch lernen.