Der Unterschied zwischen beiden Taktiken ist auf den ersten Blick nicht so groß, wie vielerseits angenommen. Kolonne und Linie sind zwar zwei exakt gegensätzliche Aufstellungsformen (Linie nach der Breite (links-rechts), Kolonne nach der Länge (vorne hinten)), im praktischen Einsatz waren die Herangehensweisen aber nicht extrem unterschiedlich.
Der Aufstellungsprozess aus der operativen (Anmarsch) in die taktische Ebene (Schlachtaufstellung) erfolgt dem Prinzip nach jeweils gleich:
Marschiert wird in langen Formationen ("Kolonnen"), aufgestellt in breiten Linien (eben "Linien").
Die Lineartaktik geht dabei sehr schnell von der langgezogenen Marschkolonne in die breite Linearaufstellung über. Entsprechend ist sie während des Gefechts schwer zu manövrieren, erlaubt aber eine sehr hohe Feuerkraft und bietet gleichzeitig wenig Angriffsfläche für Artilleriebeschuss (eine Vollkugel reißt im schlimmsten Fall bei einer drei Mann tiefen Linie ~ 9 Männer in die Kampfunfähigkeit, zumindest, wenn von flankierendem bzw. rikoschettierendem Feuer abgesehen wird).
Die Kolonnentaktik dagegen behält beim Übergang zwischen (Auf-)Marschkolonne und linienförmiger Schlachtaufstellung deutlich länger kolonnenartige Zwischenstufen bei, die einerseits das Aufführen schlecht trainierter Wehrpflichtheere (Blick auf revolutionäres F / Napoleon) deutlich erleichtern (es fällt deutlich leichter, jemandem in einer Kolonne hinterherzumarschieren, als sich bei Bewegung in Linie immer nach links / rechts, vorne und dem militärischen Führer zu orientieren!) und andererseits während auch des Gefechts deutlich mobiler und damit flexibler bleiben. Um den Zusammenhalt zu stärken, sind auch die sich am Ende der Bewegung für den Kampf ergebenden Linien der Kolonnentaktik im Vergleich zur Lineartaktik deutlich tiefer gestaffelt. Während in der Linearaufstellung i. d. R. von drei bis vier Gliedern auszugehen ist, sind die Linien der Kolonnentaktik eher sechs bis acht Glieder tief. Dadurch wird gleichzeitig die Anfälligkeit im Nahkampf (Kavallerie / Bajonettengagements) vermindert, aber die Anfälligkeit gegenüber Artillerie und Handfeuerwaffen deutlich erhöht (deswegen ist die Kolonnentaktik gleichzeitig ein weiterer, wichtiger Schritt zur sukzessiven Abwertung der Kavallerie und Aufwertung der Fernkampfwaffen im langen Verlauf zwischen Hochmittelalter und Moderne).
In der Gefechtsaufstellung selbst ist somit der einzige, optisch klar erkennbare Unterschied die erhöhte Tiefe mit mehr Reihen hintereinander. Die mitzudenke Struktur sowie die sich daraus ergebenden taktischen Möglichkeiten dahinter sind der entscheidende, effektive Unterschied.