SM : Krankheit?!

Es gab mal eine Zeit, da wurde Dissoziation für eine Krankheit gehalten. Heute ist sich die Psychiatrie da nicht mehr (eindeutig / einstimmig) sicher. Kein Wunder, zumal wir keine Ahnung davon haben, was Persönlichkeit, Identität, Bewusstsein, Un(ter)bewusstsein eigentlich sind. Wir klassifizieren sie nach ihren Symptomen und beobachten die Wechselwirkungen. Wir schreiben überall "Normal" drüber, wenn die Allgemeinheit oder das, was man dafür hält mangels besseren Wissen oder ehrlichen Umfragedaten das auch so praktiziert / ist / darstellt / mag und dergleichen. Jeden Ausreisser davon bezeichnen wir daher als abnormal - und was also vermeintlich ungewöhnlich ist, ist automatisch eine Krankheit. Denn pro Körper nur eine Person, nein, nehmen sie den nächsten Körper, dieser hier ist schon besetzt! So bleibt unser Leben überschaubar - und die Sonne dreht sich auch weiterhin um die flache Erdscheibe... Es gibt glücklicherweise Psychiater, die das in Frage stellen. Hauptsächlich deswegen, weil wir kaum etwas WIRKLICH über uns selbst wissen.

SM ist ein ventilartiges Reizspiel.

Es wird mit sexuellen Machteffekten gereizt. Abnormal? Dann ist jegliches Angestelltenverhältnis auch abnormal. Denn auch hierbei hat einer Macht (der Chef / die Chefin) und einer muss ackern und hat nix zu melden. Unsere ganze menschliche Gesellschaft ist auf solchen Hierarchien gebaut, das fängt schon in der Familie an. Das Kind möchte durchs Leben geführt werden, solange es noch nicht erwachsen ist. Denn alleine schafft ein Kind das nicht. Das kann sich einprägen, es kann sich kombinieren mit anderen Faktoren, seien sie gefühlstechnisch positiver oder negativer Natur und findet im Akt der Liebe seinen sexuellen Katalysator bzw. sein Ventil.

Ein Beispiel für einen Hintergrund: Viele Mädchen hängen ihren Vätern nach. Einige wollen sogar insgeheim mit ihnen schlafen, haben zumindest solche Phantasien. Wie ist das zu erklären? Möglicherweise so, dass sich das Anlehnungs- und Schutzbedürfnis abstrakter Natur mit der Person im "Bauch" verbindet, zu der man volles Vertrauen hat. Unsere Gefühle werden nicht von uns gesteuert, sie tauchen wie Ideen auf. Genauso entstehen dann entsprechende Muster, die nach irgendeiner Vergegenständlichung trachten, nach einem Ventil, um verarbeitet, gelebt werden zu können. Unsere Tränen behielten wir ja auch nicht für uns, wenn wir traurig waren. Dominante Persönlichkeiten entsprechen diesem Muster später.

Beim Liebesakt werden wir sprichwörtlich zu Tieren, selbst die Schmusekuschler. Aus und Vorbei das Schön- und Hochgeistige, wir werden von "niederen" Trieben regiert. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn das limbische System, also die Etage in unserem Hirn unterhalb des Neokortex ist dabei am aktivisten. Evolutionär gesehen haben wir diesen Hauptpart des Hirns von den Tieren geerbt. Wir sind nur in unserer Grosshirnrinde ein Wesen mit edlen Tugenden. Moral, Gerechtigkeitssinn, Kalkulationen, all das findet man nur dort, so scheint es. Aber das ist nicht alles, was wir sind. Letztlich, ob es uns passt oder nicht, besitzen wir auch einen tierischen Teil, der beim Sex aktiv wird. Auf welche Weise - das bleibt jedem selbst überlassen. Wichtig ist SM von Vergewaltigung oder gar Pädophilie (was auch eine Vergewaltigung ist) zu unterscheiden. Letztere definieren sich dadurch, dass der sexuelle Akt GEGEN den Willen eines Beteiligten stattfindet, bzw. selbst im seltenen Fall, wo Kinder das tatsächlich wollen: wie viele andere Dinge auch, können sie auch dies nicht für sich selbst entscheiden. Ihre Reifung ist noch nicht abgeschlossen, Schäden sind vorhersehbar und wahrscheinlich. Ein extremer Grenzfall ist dann gegeben, wenn einer der beiden Erwachsenen bewusst zu Schaden kommen will. Zum Beispiel offensichtlicherweise beim Kannibalismus. Das Leben ist ein schützenswertes Gut, Sex hat einen psychologisch motivierten Hintergrund, dient der Bereicherung des Lebens und dessen Fortsetzung im Falle einer Zeugung. Keines von beiden lässt sich mit dem genannten Extrembeispiel kombinieren, daher steht es auch meines Erachtens nach völlig richtig und rechtens unter Strafe. Wir sind weder reine Vernunftswesen, noch triebgesteuerte Tiere, sondern eine Mischung aus beiden. Für die Ambivalenzen, die sich daraus ergeben, gibt es aber in unserem geregelten Alltag keinen Platz, daher finden sie Ihre Bühne beim "Akt" :). Diese Ambivalenzen sind in jedem Menschen drin. Oder wie kann man sonst erklären, dass eine ganze Ecke Frauen brutale Schlägertypen ablehnt, mit Kuschelbärchies aber langfristig gesehen auch nicht glücklich wird? Oder dass Männer reine "Hinterherlauf-"Freundin über kurz oder lang langweilig und sexuell abturnend finden, während sie bei Hausdrachen als Lebenspartnerin schnell Reißaus nehmen? Und selbst das kann man nicht verallgemeinern, denn es gibt für beides Gegenbeispiele. Letztlich kann man feststellen, dass der Mensch in Symbiosen leben möchte. SM ist eine solche.

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