In ihrer Ablehnung des katholischen Verständnisses des Abendmahls stimmen Luther und Calvin überein. Doch die "richtige" Interpretation der Eucharistie, des Abendmahls, wird zu einem der größten innerevangelischen Streitpunkte. Von allen evangelischen Auslegungen ähnelt Luthers Vorstellung des Abendmahls am stärksten der der katholischen Kirche, wonach sich während der Abendmahlsfeier das Brot in den Leib und der Wein in das Blut Christi verwandeln (Transsubstantiation). Auch nach der lutherischen Auffassung ist Jesus Christus in Brot und Wein real präsent (Konsubstantiation). Hier liegt der wichtige Unterschied zu Calvin: Jesus Christus sei beim Abendmahl in Brot und Wein nicht leiblich präsent, wohl aber in Form des Heiligen Geistes, der die Gläubigen beim Brechen des Brotes vereint (Spiritualpräsenz).

Nicht nur in ihren Vorstellungen zum Abendmahl unterscheiden sich Luther und Calvin. Auch im Bezug auf das Verhältnis zwischen Kirche und Staat haben die beiden abweichende Ideen. So spricht Luther von zwei Reichen – einem weltlichen Reich, in dem es eine (nicht zwingend christliche) Obrigkeit gibt, und einem Reich Gottes, in dem jede Hierarchie fehlt. Auch Calvin unterscheidet eine weltliche und eine kirchliche Obrigkeit. Diese beiden haben jedoch die gleiche Aufgabe, nämlich die göttliche Ordnung aufrecht zu erhalten und die sogenannte Kirchenzucht durchzusetzen.

Die Kirchenzucht ist ein wichtiges Element der Calvin'schen Ekklesiologie, also seiner Auffassung von Kirche und deren Struktur und Aufgaben: Die Kirche sei obere Erzieherin der Gemeinde. Jeder Mensch soll von ihr im Katechismus unterwiesen werden, das heißt in den Regeln und Grundsätzen des christlichen Glaubens. Wer diesen Regeln nicht folgt, muss sich vor dem Konsistorium verantworten, einer Institution, der Pastoren und Stadträte angehören. Sie richtet über die Vergehen der Menschen und kann auch Strafen verhängen.

Zwischen Calvin und Luther gibt es viele Gemeinsamkeiten. Den Ablasshandel der katholischen Kirche lehnen beide ab, ebenso die Tradition der Heiligenverehrung und die Vorstellung, dass die Kirche als Lehrautorität zwischen Gott und den Menschen vermittelt. Beide glauben vielmehr an eine Kirche, in der es keine Hierarchien zwischen den Gläubigen gibt – auch nicht zwischen Kirchengelehrten und Laien. So lässt sich sowohl Luthers als auch Calvins Theologie mit den vier zentralen Grundsätzen des Protestantismus zusammenfassen: sola fide (allein durch den Glauben), sola gratia (allein durch die Gnade), sola scriptura (allein durch die Schrift) und solus christus (allein Jesus Christus).

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