Unsicherheit und Skepsis - das Thema Organspende bewegt die Gemüter.

Das Thema Organspende bewegt die Gemüter - Prof. Haas Leiter der Abteilung für Kinderkardiologie und der Pädiatrischen Intensivmedizin der LMU in München, Großhadern, München, hat Eure Fragen beantwortet. Wir blicken zurück auf die Themenspecial-Aktion.

gutefrage-Redaktion
16.1.2024
Professor Haas im Klinikum Großhadern

Ein brisantes Thema und in Europa steht Deutschland (so gut wie) allein da mit der aktuellen Gesetzeslage - Organspende ist hier nur mit ausdrücklicher Zustimmung, etwa durch einen Organspendeausweis, möglich. In anderen Ländern ist dies auf andere Art geregelt: etwa durch die Widerspruchslösung. Nehmen wir als Beispiel unseren Nachbarn Österreich - hier ist jeder automatisch Organspender, es sei denn, er widerspricht. Nicht nur ist die gesetzliche Situation in Deutschland etwas, das immer wieder angesprochen wird und auch von vielen Einwohnern kritisiert wird - auch das Thema Organspende selbst führt oft zu Unsicherheiten. Grund dafür sind Mythen, die sich seit Jahrzehnten felsenfest halten. Prof. Dr. Haas, der Leiter der Abteilung für Kinderkardiologie und Pädiatrische Intensivmedizin der LMU in Großhadern möchte den Unsicherheiten entgegenwirken und hat sich Euren Fragen gestellt.

Hintergrund zum Themenspecial - der persönliche Kontext

Organspende ist für viele ein abstraktes Thema - bis es einen oder einen Angehörigen selbst betrifft. So ging es auch einer unserer Mitarbeiterinnen bei gutefrage. Seit Monaten liegt ihr Sohn mit einem Kunstherz im besagten Klinikum in der Abteilung für Kinderkardiologie. Der Grund: Eine Herzmuskelentzündung. Eine emotionale Achterbahnfahrt zwischen Bangen und Hoffen und vor allem eine komplett neue Lebensrealität. Wie erfolgt überhaupt eine Listung? Wie lange kann ein Kind mit Spenderherz leben? Was gilt es zu beachten? Und besonders wichtig die Erkenntnis: Wenn es ein quicklebendiges und ansonsten kerngesundes Kind treffen kann, sollten wir uns nicht besser alle ein bisschen mit der Thematik auseinandersetzen? Mehr über den Daueraufenthalt im Krankenhaus mit einem plötzlich herzkranken Kind, könnt ihr in entweder in diesem Short der Apothekenrundschau oder in der Langversion hier sehen.

Aufgrund dieser Geschichte haben wir uns dazu entschieden, Herrn Prof. Haas für dieses Themenspecial anzufragen. Und zu unsrer großen Freude wurde das Thema von der Community sehr gut und interessiert angenommen. Im Folgenden könnt Ihr ein paar Highlights der Fragen und Antworten lesen.

Wie kann man denn sicher sein, dass alles mit rechten Dingen zugeht?

Letztlich dürfte das inhaltlich einige der Fragen zusammenfassen. Eine der Fragen, die die meisten Nutzer voteten, war so beispielsweise etwa diese von Nutzer peace87: Herrscht bei der Vergabe der Organe Chancengleichheit?

Auch SashaMu66 sprach von Misstrauen. Nutzer hi1its1me fragte, ob es sogar vorkommen könnte, dass Patienten sterben gelassen werden - um das Leben anderer zu retten.

Fragen, welche Professor Haas bei seinem Engagement für eine Reformation des Organspendegesetzes in Deutschland, schon mehrfach begegnet sind. Im Folgenden seine Antworten, welche zusammenfassend für die ganzen Fragen dieser Art gelesen werden können:

hallo zurück,

wichtige Frage!

bei der Vergabe werden die daten der Patienten komplett anonym dem Gremium bei Eurotransplant zur Verfügung gestellt, daher spielen soziale Herkunft, Geld, etc. keine Rolle.

Zur Antwort

Gute Frage - aber das ist eine der Geschichten, die sich nicht so abgespielt haben. ich kenne den Transplanteur - d.h. den Herzchirurgen persönlich, der diese Transplantation durchgeführt hat. damals (und heute) war es so, dass beim akuten versagen eines transplantierten Organs, die Patienten als höchste Dringlichkeit eingestuft wurden (sogenannte HU Listung) - und da hat der Patient damals - als noch viel mehr Organe zur Verfügung standen, einfach Glück gehabt.

Zur Antwort
Prof. Haas in seinem Büro beim Beantworten der Fragen

Ein heiß diskutiertes Thema - innerhalb und außerhalb der Community..

.. Ist und bleibt die Widerspruchslösung. Erst kürzlich hat der Bundesrat für neue Lösungen plädiert. Auch unsere Nutzer haben sich vielfach gefragt, wie der Professor zur Widerspruchslösung steht, ob er dabei moralische Bedenken hat. Eine kritische Frage dazu kam von Nutzer Kai42, welcher die Widerspruchslösung als eine Art Irreführung sieht: Wenn bestimmt werden sollte, das JEDEM Organe entnommenen werden dürfen, sofern nicht widersprochen wird, kann man dann noch von Organspende reden?

In der Antwort geht Professor Haas darauf gründlicher ein - und erläutert auch seinen Standpunkt zur Widerspruchslösung:

Guter Punkt, die Widerspruchslösung beinhaltet ja in jedem fall, dass jeder dazu und jederzeit nein sagen kann.

das Problem ist nur, dass viele Leute sich keine Gedanken machen. In Umfragen ergibt sich immer wieder, dass ca. 75-80% der Bevölkerung sich für Organspende aussprechen, wenn eine Situation eintritt, der ohne Vorabsprache die Angehörigen zu entscheiden haben, da wird allerdings nur in ca 20% mit ja beantwortet - und für diese Diskrepanz ist die Widerspruchslösung ideal, da dies den eigentlichen Wunsch der Bevölkerung widerspiegelt.

Zur Antwort

Hirntod oder Koma?

Auch hier gab es immer wieder verunsicherte Fragen. So wurde beispielsweise gefragt, ob Hirntod ein vollständiges Sterben bedeutet.

Auch nach Zuckungen bei der Organentnahme wurde gefragt, ebenso zeigte sich ein Nutzer irritiert darüber, dass viele Menschen in dessen Umfeld den Unterschied zwischen dem Hirntod und einem Koma nicht zu kennen scheinen.

Professor Haas ging zuerst ausführlich auf die Unterschiede ein. So erläuterte er, dass der "Hirntod bedeutet dass sämtliche Gehirnfunktionen erloschen sind. [...] Zucken sind Muskelbewegungen, die auch entstehen können, wenn Sie Nerven reizen, wegen Reflexen etc. - das sind keine willkürlichen Bewegungen, das Sie theoretisch und praktisch auch an einem amputierten Bein auslösen". In dieser Antwort macht er deutlich, dass etwaige Bewegungen - anders als häufig im Volksmunde erzählt, nicht im Zusammenhang mit einem lebenden Menschen stehen müssen.

Die "Verwechslung" von Hirntod und Koma erklärt er sich damit, dass "es für Außenstehende keinen optischen Unterschied macht - die Patienten sehen eben identisch aus." Der medizinische Unterschied allerdings ist eindeutig: " [Man] kann [...] anhand von relativ einfachen Untersuchungen herausbekommen, ob das der Fall ist, also ein Mensch nur künstlich schläft, das Gehirn aber noch funktioniert, oder nicht, also ob der Hirntod eingetreten ist.

Die Antwort auf die Frage, ob Hirntod ein vollständiges Sterben bedeutet, könnt Ihr folgend lesen:

Auch das sind Argumentationen, die immer wider gerne aufkommen, die aber auf nicht korrekten Annahmen beruhen. das, was den Mensch zum Menschen macht, ist das Gehirn, da wo die Gedanken, die Seele, oder der Geist "zuhause ist" .

Die anderen Organe - auch die Nerven im übrigen Körper, das Blut, die Knochen, etc. tragen dazu nicht bei. daher ist der Funktionsausfall dieses Teils das bedeutsame, nicht der Rest.

Zur Antwort

Weitere bewegende Fragen unserer Nutzer

Insgesamt habt Ihr Professor Haas über 140 Fragen gestellt - die er auch alle beantwortet hat. Dabei wurde ebenso häufig nach den Kriterien, die ein Organspender erfüllen sollte gefragt - etwa, ob es eine Altersgrenze gibt, oder ob besonders gesund gelebt werden müsse, um als Organspender in Frage zu kommen.

Aber auch die Frage, ob ein Organ - sollte der Empfänger bedauerlicherweise versterben - mehrfach transplantiert werden kann, wollten einige Nutzer wissen.

Weitere Fragen und insbesondere die spannenden Antworten darauf, könnt Ihr jederzeit hier nachlesen.

Weitere Infos rund um das Thema Organspende

Es ist immer wichtig, sich zu informieren - egal, ob man sich für oder gegen eine Organspende entscheidet. Weitere Informationen zu dem Thema findet man jederzeit unter https://www.organspende-info.de/.

Eine kurze Zusammenfassung des Themenspecials

Besonders für die im privaten Umfeld betroffene Mitarbeiterin war dieses Themenspecial im wahrsten Sinne des Wortes eine Herzensangelegenheit.

Über Euer reges Interesse und das positive Feedback haben wir uns aber alle sehr gefreut. Eine solch hohe Beteiligung hat unsere Erwartungen übertroffen. Dies gilt sowohl für die Community, als auch für Professor Haas, der sich über viele Stunden hinweg tatsächlich die Zeit genommen hat, alle Eure Fragen zu beantworten.

Wir freuen uns schon auf viele weitere spannende und gesellschaftlich relevante Themenspecials mit Euch!

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