Was ist und wie funktioniert das Reichskirchensystem?

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Die deutschen Kaiser und Könige mussten ihre Position und Macht immer wieder gegen den nach Selbstständigkeit und eigener Macht strebenden Adel verteidigen. Zahlreiche Aufstände und Verschwörungen zeugen davon.

Das war auch bei Otto I. der Fall. Im Bestreben seine Königsmacht zu stärken setzte er - anknüpfend an karolingische Traditionen – deshalb auf die Kirche. So zog er vor allem Bischöfe und Äbte der großen Reichsklöster zur Erfüllung administrativer, militärischer, ökonomischer und kultureller Aufgaben heran. Er verknüpfte also geistliche und weltliche Funktionen indem er die Interessen von Königtum und Kirche in Übereinstimmung brachte.

Die Kirche brauchte einen starken König, um ihr umfangreiches Kirchengut gegen die Übergriffe des weltlichen Adels zu schützen und um Kirchendisziplin sowie die einheitliche Anwendung von Liturgie und Kirchenlehre durchzusetzen.

Dafür hatten die Bischöfe und Reichsäbte Verwaltungsaufgaben und Kriegsdienste zu leisten. Weiterhin hatten sie eine wirtschaftliche Leistung zu erbringen, die vor allem darin bestand, den umherreisenden königlichen Hof zu beherbergen und zu versorgen. Zu diesem Zweck wurden die kirchlichen Grundherrschaften mit zahlreichen Gütern und Rechten ausgestattet, die ursprünglich dem König vorbehalten waren (z. B. Zoll-, Markt- und Münzrechte). Weiterhin wurden den Kirchen und Abteien mit der Ausübung der Gerichtsbarkeit wichtige politische Herrschaftsrechte eingeräumt.

Die Kirche war somit eine wichtige Stütze königlicher Macht, was ihr selbst aber auch Macht verlieh, welche aber wiederum von einem starken König abhing. Das wird als Reichskirchensystem bezeichnet.

Am Hof Ottos gab es mit der königlichen Hofkapelle ein Organ, an dem, neben der Wahrnehmung anderer Aufgaben, auch Angehörige des Hochadels für den Reichsdienst ausgebildet wurden. Neu zu besetzende Bistümer wurden mit königstreuen Adligen besetzt, die dort zuvor ausgebildet wurden. Die Entscheidung über die Besetzung wurde also nicht vom Papst, sondern vom König getroffen.

Diese Bischöfe und Äbte waren dem König mehr verpflichtet und ergebener als dem Papst. Was dem Papst natürlich nicht gefallen konnte.

Das Reichskirchensystem wurden von den Nachfolgern Ottos des Großen, besonders auch von den salischen Kaisern, weiter ausgebaut und bestand bis zum Investiturstreit Ende des 11. Jahrhunderts.

Hallo,

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Ich selber habe das hier gefunden:

König Otto I. hat mit Herzögen, Fürsten oder Grafen, die eine große Machtfülle in Händen halten, üble Erfahrungen gemacht. Er ist daher bestrebt, die Machtfülle weltlicher Fürsten und Herrscher zu schwächen und zugleich das Gewicht der Kirchenfürsten zu stärken. Kirchenfürsten können infolge der kanonischen Regeln nicht auf Erbgüter bedacht sein, haben sich selbst gegenüber den Übergriffen weltlicher Herrscher zu wehren und sind als Stützen des Königtums hervorgetreten. Wenn es überhaupt Schreibkunde, Bildung, intellektuelle Einsicht und Weitsicht gibt, dann ist diese unter der Geistlichkeit und in deren Schulen an Bischofssitzen und in Klöstern zu finden. Seit der Mitte des 10. Jahrhunderts stützt sich Otto I. mehr und mehr auf diese Schicht. Es entsteht als besonderes Element seiner Herrschaftsstruktur das "Reichskirchensystem".

Zur Konsequenz dieser Politik gehört auch die Errichtung von neuen Missionsbistümern, um von dort aus die unterworfenen heidnischen Slawen zu bekehren: Bischofsitze entstehen, 948 in Brandenburg und Havelberg, 968 in Meißen, Oldenburg in Holstein und an anderen Orten.