Blickwechsel 18. Januar 2023
Deine Fragen an eine depressive Person
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Was fällt dir bei Depressionen besonders schwer?

2 Antworten

Über das Thema Depressionen mache ich mir auch immer wieder Gedanken. Nicht zuletzt deshalb, da ich aus meiner Familie mütterlicherseits einen Teil davon geerbt haben könnte. Meine Mutter hatte es jahrelang und litt ziemlich darunter. Meine Großmutter auch. Und zwar handelt es sich dabei um so etwas wie endogene Depressionen.Bei meinem Bruder und mir (beide nun schon über 50,) wurde von gewissen Experten erklärt, dass es sein könnte, dass wir die Veranlagung zu dieser Art von Depression geerbt haben könnten. Möglicherweise stimmt das teilweise. Vielleicht habe ich es auch nicht stark genug, um es so zu bezeichnen, jedenfalls konnte ich immer ein recht normales Leben führen. In meiner Zeit als Jugendlicher hatte ich allerdings teilweise massive Konzentrationsstörungen in der Schule. Das war aber auch schubweise, sodass ich auch das Gegenteil erleben konnte. Vielleicht irgendwie manisch-depressiv. Aber immer nur in leichter Form, wen überhaupt . Diagnostiziert wurde es nie. Das möchte ich auch niemanden lassen, wenn ich ehrlich bin, denn keiner kennt mein Hirn so gut wie ich. Und ich habe es eigentlich gut im Griff. Trotzdem getraue ich mich, bei dem Thema mitreden zu können, und die lange Einleitung deswegen, weil ich eben meine, Erfahrungen mit einer Art Depression zu haben , denn ich hatte auch schon 2-3 mal eine Zeit von mehreren Monaten und auch Jahren (wenn man genau ist), in denen ich nur wenig auf die Reihe gebracht hatte. Aber das Wichtigste schaffte ich immer zu bewältigen. Wie gesagt, kann das bei mir aber auch ins Gegenteil umschlagen. Ich bin mir sicher, würde ich heute jungendlich sein, hätten sie Depressionen diagnostiziert, denn heute wird so etwas schneller getan. Ich weiß aber nicht, ob das so gut ist. Ich bin eigentlich stolz darauf, nie darauf behandelt worden zu sein oder Tabletten genommen zu haben. Obwohl ich weiß, dass es sicher Fälle gibt, die das stärker haben und brauchen. Aber das muss eben richtig abgewogen werden und ich weiß auch, dass Ärzte heute sehr schnell etwas verschreiben dagegen. Meiner Mutter tatten die vielen verschiedenen Medikamente , die sie in ihrem Leben bekam, sicher nicht gut. Sie halfen immer nur kurzzeitig. Dadurch bin ich auch ein gebranntes Kind durch Beobachtungen mit Erfahrungen diesbezüglich.

Außerdem hat ja bisher nach 3 Tagen noch niemand auf die Frage geantwortet, und dieses Thema ist es sicher wert.

Also: Manchmal (das war eher in jüngeren Jahren so) wollte ich einfach keine großartigen Gespräche führen, bei Themen , die ich nicht wollte. Ich sagte dann aber zu meinem Gegenüber lieber nicht viel, sodass die oft glaubten , ich sei desinteressiert. Das habe ich mit der Zeit gelernt zu umgehen, indem ich immer irgendetwas erwidere. Das ist oft zwar ein Aufraffen , aber macht Sinn. Anders ist es natürlich, wenn ich gern über etwas spreche. Dann wirke ich alles andere als depressiv.

Was ich bis heute habe ist, dass ich mich zu Bewegung machen aufraffen muss. Da weiß ich natürlich heute, dass mir das Erfolg bringt. Früher tat ich das oft auch nicht. Einmal aufgerafft, lohnt sich, wenn man dann entweder Sport macht oder irgendwas arbeitet, sei es im Haushalt oder Garten.

Die Phasen, in denen ich mal wo rumsitze, habe ich immer noch. Ich habe aber mit der Zeit gelernt, dass man diese auch zum Leben braucht. Man soll nicht glauben, jeden Moment im Leben etwas tun zu müssen. Das zeitweise Nichts-Tun (und das nciht nur im Schlaf) ist auch wichtig. Da kann man dann gut über etwas nachdenken. Seit ich auf GF bin, schaue ich mir dann eben Fragen an oder schreibe etwas 😀.

Die berühmte "Leere" im Kopf, da wiß ich, was Betroffenen damit meinen. VIelleicht habe ich es nicht so stark. ich glaube, dass die Hirnchemie aber schon in Gang gebracht werden kann, wenn man selbst aktiv wird.

Entscheidungen treffen, weil du das ansprichst, also große Entscheidungen, das fällt mir auch schwer. Kleine sind leichter, also was zB an diesem Tag unternommen wird. Also ich schiebe oft große Entscheidungen vor mir her. Irgendwann aber dann muss es ja auch zu einer kommen und das geht dann auch irgendwie. Überhaupt denke ich oft sehr lange über etwas nach.

Das Thema ist sehr umfangreich. Wir können es gerne aber weiter analysieren.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
ranger1111 
Fragesteller
 21.01.2023, 00:13

Grüß dich. Ich bin ja manisch-depressiv. Und ich habe in beide Richtungen sehr heftige Phasen erlebt. In der letzten Manie hat mich Religion sehr fasziniert, ich habe mich sehr spirituell gefühlt. Ich hatte aber leider auch eine Anzeige, die zum Glück von der Staatsanwaltschaft eingestellt wurde. In meiner schwersten Depression habe ich fast komplett das Reden eingestellt. Nicht nur, dass ich nicht reden wollte. Ich konnte nicht. Ich konnte mich für nichts begeistern. Wirklich für gar nichts mehr. Und wenn ich versucht habe, ein Gespräch zu führen, wurde es umso schlimmer. Es wurde noch schwerer, etwas zu sagen.

Finde ich gut, dass du ohne Medikamente und Psychotherapie auskommst. Bei mir ging es definitiv nicht ohne. Du hast schon Recht, dass Ärzte sehr schnell etwas verschreiben. Aber vielleicht denken auch manche, dass es besser ist, bevor es zu spät ist und es zum Suizid kommt.

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PatrickOm  21.01.2023, 00:33
@ranger1111

Ja, das könnte wirklich der Grund sein, warum Ärzte doch eher schnell etwas verschreiben. Sicher auch oft aus dem Grund, weil man ja nie voraussagen kann, ob sich jemand etwas antut.

Auch wirklich interessant, was diese Veranlagung mit dem Menschen so alles machen kann, was du an deinen Beispielen auch schilderst. Ich hatte ja auch hypochondrische Phasen. Das hat oft mit etwas Harmlosem begonnen und ich habe mich dann so hineingesteigert, dass die körperlichen Symptome dann schlimmer geworden sind. Ist natürlich auch ein Teufelskreis, denn man verkriecht sich dann eher, und dann wir nichts besser. Oft erst nach langer Zeit kam ich dann aus solchen Phasen heraus. Es ist nun ca 6 Jahre her und ich hoffe, ich bekomme so etwas nie wieder.

Und ich glaube auch, dass zu Depressionen neigende Menschen eher sensibel sind oder auch in gewissen Dingen recht gut begabt. Ich habe sogar dies mal von einem Arzt vernommen, der meine Mutter behandelt hat. Denn sie war auch so ziemlich dieser Typ.

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ranger1111 
Fragesteller
 21.01.2023, 01:20
@PatrickOm

Also ich kann von mir schon sagen, dass ich sensibel und recht vielseitig interessiert und auch begabt bin. Wobei ich inzwischen ein sehr gutes Selbstbewusstsein habe, was das Sensible in mir wieder etwas ausgleicht. Auf jeden Fall bin ich aber fähig, in vielen Dingen mehr Tiefe zu erkennen, als andere Menschen.

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PatrickOm  21.01.2023, 09:46
@ranger1111

Ja, das finde ich auch gut, wenn man mit der Zeit irgendeinen Mechanismus entdeckt hat, der als Ausgleich dient. Bei mir ist es zB so, dass ich einerseits zwar recht sensibel sein kann, aber andererseits auch oft recht gut Gefühle abblocken kann. Wenn es negative sind, oder ich mit jemand eine Meinungsverschiedenheit habe (kommt aber auch auf das Thema an). Ist vielleicht auch eine Art Schutzmechanismus. Ich kann und möchte mich emotional nicht mit allzu vielen Dingen beschäftigen , die evtl belastend sein könnten. Beispiel (in dem Fall zur Weltlage): So etwas wie der Ukraine-Krieg hätte mich früher viel mehr belastet. Heute sage ich mir: Es tut mir zwar wirklich leid, was da alles passiert, aber ich kann es nicht ändern und es ist am besten, wenn ich mein Leben hier lebe, so gut es geht und auch das beste daraus mache. Soll nicht heißen, dass ich nicht doch dies alles irgendwuie verfolge und evtl jemand helfe, wenn ich das von hier aus kann.

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Das kommt ganz auf meine Tagesform an.

An manchen Tagen bin ich schon fix und fertig nach dem duschen.

An wiederum anderen Tagen habe ich etwas mehr Antrieb. Manchmal kann ich ganz in Ruhe einkaufen gehen, bin dann aber zu Hause wieder angekommen so gestresst, müde und antriebslos, dass ich nur noch auf meine Couch falle und schlafe.

Mit Konversation habe ich keine Probleme, allerdings verliere ich öfters „den Faden“ und wiederhole mich oftmals. Auch habe ich gerade in letzter Zeit Probleme mit der Groß- und Kleinschreibung. Mein Psychiater meinte, dass das Konzentrationsstörungen seien.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Seit 34 Jahren an Depression und Dysthymia erkrankt.