Warum besitzt Neutronenstrahlung eine höhere Durchdringungskraft als Gamma-Strahlung?

7 Antworten

Von Experte indiachinacook bestätigt

Deine Vorstellung in Bezug auf die Durchdringungsfähikeit von Mikroobjekten ist noch zu stark von makroskopischen mechanistischen Vorstellungen geprägt. Mikroobjekte unterliegen anderen Gesetzen als Makroobjekte. Auch wenn man sich das Elektron als kleine Kugel vorstellen kann sollte klar sein, dass das Elektron etwas anderes als eine kleine Kugel ist.

Die Elementarteilchen sind Wechselswirkungskräften unterworfen, für die unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten gelten. Photonen sind die wechselswirkenden Objekte des Elektromagnetismuses. Die Art der Wechselwirkung hängt auch von der Energie der Strahlung ab. Der Prozess der Paarbildung setzt der Durchdringungsfähigkeit von derart hochenergetischer Strahlung eine Grenze. Neutronen haben keine Gesamtladung. Wechselwirkung mit Atomkernen über die Kernkräfte (Austausch von Mesonen) kann nur bei sehr geringem Abstand wirksam werden. Der Wechselswirkungsquerschnitt der Neutronen mit Atomkernen ist deshalb sehr gering.

Es besteht weniger Wechselwirkung mit der Materie der durchdrungenen Stoffe.

Photonen wechselwirken mit den Elektronen der Atomhüllen.

Noch einige Größenordnungen besser als Neutronen ist die Durchdringung mit Neutrinos.

Dabei ist es etwa so, dass ein Neutrino die gesamte Erdkugel leichter durchdringt, als ein Photon ihre Fensterscheibe.

Mit besten Grüßen

gregor443

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung
Littlethought  14.04.2023, 11:52

Die Halbwertsdicke von Blei für Neutrinos müsste in Lichtjahren angegeben werden.

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Neutronen wechselwirken lediglich mittels der starken Wechselwirkung mit anderen Teilchen. Die "hohe Durchdringungskraft" hängt wesentlich davon ab welches Material durchdrungen wird. Denn es gibt Stoffe die Neutronen wesentlich besser einfangen als Beton. Diese werden z.B. als Moderatoren in Kernkraftwerken eingesetzt.

Photonen sind demgegenüber die Vermittler von elektromagnetischer Wechselwirkung, auch wenn sie selbst elektrisch neutral sind.

https://de.wikipedia.org/wiki/Gammastrahlung#Wechselwirkung_mit_Materie

https://de.wikipedia.org/wiki/Neutronenstrahlung#Abschirmung

Von ballistischer Seite

"Ballistik" - also eine klassische Betrachtung im Sinne von Geschosskugeln - ist ein ungeeignetes Modell zur Betrachtung elektromagnetischer, relativistischer und quantemechanischer Vorgänge. Licht ist in erster Linie ein elektromagnetisches Phänomen und als soches wechselwirkt es mit elektrisch geladenen Teilchen (ich sollte eher sagen: Mit elektrischen Ladungsverteilungen von Quantenobjekten) völlig anders als ein Neutron (Nomen est omen), dass so heißt, weil es lange gedauert bis man die Kraft, über die es überhaupt wechselwirkt, gefunden hat. Und da ist man dann sofort bei der Frage von Wechselwirkunsgquerschnitten, die bei Neutronen dann extrem kleiner sind als bei Lichtquanten.

Was Du Durchdringungskraft nennst, ist keine Eigenschaft der Strahlenarten für sich, sondern ihrer spezifischen Wechselwirkung mit den Materialien, in die sie eindringen. Zum Vergleich: die Durchlässigkeit für rotes Licht ist bei rotem Glas größer als bei blauem Glas. Bei blauem Licht ist das umgekehrt. Daß eine von beiden Lichtsorten größere Durchdringungskraft hätte, wäre keine sinnvolle Aussage.

Die Zeichnung gibt nur einen Ausschnitt der Realität wieder. Sie zeigt nicht, welche Wirkung eine Platte aus Bor oder eine Wand aus Wasser auf die Neutronen hätte. Das Bor würde sie verschlucken. Das Wasser würde sie abbremsen, z.T. verschlucken und z.T. in alle Richtungen verstreuen. Was man hier auch nicht sieht: Eine Bleiplatte vermehrt die Neutronen sogar, und eine Platte aus Beryllium täte dies auch.