Waren die Kinder & Jugendliche auch schon in den 1950-1970 Jahre eher Asozial oder nicht?

16 Antworten

Asozial sollte vielleicht definiert werden.

Es war damals bei vielen Kindern üblicher als heute, Freizeit nach der Schule zu haben und die relativ unkontrolliert mit anderen Kindern zu verbringen. Man traf sich bei einem und ging dann gemeinsam raus, fuhr Fahrrad, fuhr zum Spielen irgendwo hin und die Eltern wussten nicht immer, wo man war. Durch die Gruppe oder die wenigen Freunde, mit denen man unterwegs war, lernte man eher von Gleichaltrigen die Normen für das Verhalten unter Kindern und im Elternhaus die Normen für das Verhalten unter Erwachsenen.

Heute sind die Kinder mMn viel engmaschiger beaufsichtigt. Schule, Hort, Elternhaus, Musikunterricht, Sportverein etc. Das Spielen mit anderen Kindern findet meist im Elternhaus der anderen Kinder statt. Alleine mit Kindern ist man selten unterwegs, erst im Jugendalter geht es so richtig los, dass man mit Gleichaltrigen auch alleine weggeht und oft klappt das auch nur selten wegen Ganztagsschule, Freizeitterminen (Sportverein etc.), Lernen usw. Also viel weniger als früher.

Ich (Mitte 80er geboren) habe bspw. in der Grundschule zwischen 12:30 und 13:30 Mittag gegessen - war also um 12:15 Uhr meist zu Hause - und dann wurden Hausaufgaben bis maximal 15 Uhr gemacht und dann war ich oft mit einer Freundin verabredet bis ca. 18 Uhr. Oft ging ich mit der Freundin raus, wir blieben zwar in der Nähr der Elternhäuser, aber wo wir genau waren, wusste keiner (die Siedlung war aber auch verkehrsberuhigt). Es hat auch abends keiner gefragt, was man genau gemacht hat. Da herrschte viel Vertrauen. Freizeittermine hatte ich in der Grundschule gar nicht. Meine Freundin schon, die hatte unter anderem Kunstradfahren und hat mir das dann auf einem leeren Parkplatz beigebracht - auf normalen Rädern ohne Helm. Wir haben es dann irgendwann den Eltern vorgeführt, Angst hatte keiner dabei. Das wäre heute oft ein Grund für Panik auf Elternseite.

Asoziales Verhalten KONNTE vorkommen, wenn die Kinder-, oft eher Jugendgruppe eigene Regeln aufstellte und z.B. jemanden aktiv ausschloss, ohne, dass es die Eltern mitbekamen oder ohne, dass es sie kümmerte. Oder wenn die Gruppe jemanden körperlich anging (schubsen, schlagen, treten). Das kam halt aufgrund des Alleine draußen-Seins oft nicht raus und das betroffene Kind hat diese Behandlung viel eher als "normal" betrachtet, weil ja niemand ihm zeigte oder sagte, dass es so etwas nicht verdient hat. Heute wissen die Eltern meist viel mehr von ihren Kindern und würden frühzeitig eingreifen, damit so eine Behandlung unterbleibt. Aber leider auch nicht immer. Es gibt immer noch die Idee "das müssen Kinder selbst regeln, da muss jeder mal durch". Die war aber früher viel stärker verbreitet als heute! Mobbing als Begriff kam erst in den 90ern oder so auf. Vorher war es "Ärgern" oder "so sind Kinder eben".

PS
Soweit ich weiß, waren früher (in meiner Generation in meinem Umfeld nicht mehr) "Mutproben" sehr verbreitet in vielen (aber nicht allen) Kindergruppen. "Iss Sand, einen Regenwurm, klaue etwas, tue etwas Verbotenes oder Gefährliches, um zu beweisen, dass du zu uns gehörst."

Eher rebellisch. Natürlich auch nicht jeder, aber das ist eher so das typische Merkmal von Jugendlichen gewesen. Und das ja eigentlich auch schon immer.

Eltern und Lehrer waren damals natürlich auch dementsprechend noch strenger als heute. Dass wie heute fast schon üblich, Lehrer in der Schule Angst haben mussten, von irgendwelchen Halbstarken in der Klasse mit einem Messer bedroht zu werden, das hat gewiss nicht zum Standardprogramm gezählt.

Nein, Asozial würde ich absolut nicht sagen. Wir waren Anders, wir hatten Respekt voreinander, es gab wenig Widerworte. Die Erziehung war auch strenger und Mobbing kannten wir auch nicht, mit anderen Worten, ich fand die Erziehung gar nicht so schlecht. Klar, ich habe auch das ein oder andere Mal einen richtigen „Arschvoll“ von meinem Vater bekommen aber geschadet es mir nicht. Ich kann dazu sagen, ich habe auch keine Spätfolgen. Dann kam die „Antiautoritäre“ Erziehung und da wurden die Kinder langsam Aufmüpfig. Man konnte sagen das der Staat so langsam die Regeln der Erziehung übernahm, was daraus geworden ist sieht man heute.

Aufmüpfigkeit, Aggressionen, Lustlosigkeit, Respektlos und auch Disziplinlosigkeit. Wenn ich heute sehe das so 12-jährige eine Latte aus dem Zaun reißen und dann auf den Zaun einschlagen, mit den Füßen treten und so viele andere Latten zerstören, was hat das Kind für eine Erziehung?

Und dann das Smartphone, das ist doch fast wichtiger wie alles andere. Ich frage mich so manches Mal, können wir „Alten“ uns noch auf ein ungefährliches Leben verlassen??

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Tasha  14.09.2023, 22:28

Meine Mutter (80er/ 90er aufgewachsen) wurde noch von der antiautoritären Erziehung beeinflusst und interessanterweise machte sie vieles, das heute als "bedürfnisorientiert", "bindungsorientiert" oder "unerzogen" definiert wird - aber nicht kategorisch, nicht, um als progressiv dazustehen, sondern eher aus ihrem Wissen als Erzieherin und ihrer Intuition heraus. Also, es gab keinen Regelkatalog zu Hause, es gab keine festen aufgaben, man wurde als Kind angehört und beachtet. Die Höflichkeitserziehung litt ein bisschen, wir kannten viele Floskeln lange nicht, aber wir waren schon freundlich und auch rücksichtsvoll, wussten aber nicht immer, was von anderen Erwachsenen erwartet wurde.

Bei mir hatte das den Effekt, dass ich von anderen Erwachsenen (Eltern von Freunden etc.) beschämt wurde, weil ich falsche Floskeln benutzte und irgendwann als Teenie eine Phase hatte, in der ich mich bewusst dauernd entschuldigte, um das das zu üben, weil ich gemerkt hatte, dass ich viele Floskeln (danke, bitte, Entschuldigung) einfach nicht eingeübt hatte. Darauf war nie geachtet worden.

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Lottl07  14.09.2023, 22:41
@Tasha

Die 80/90er waren schon eine ganz andere Zeit, bei mir waren es die 50ger, da ging es schon etwas strenger zu und ein "Danke, Bitte, Entschuldigung" war schon mehr an der Tagesordnung und die Erziehung lag im Interesse der Eltern.

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ich kann nur als Kind der 70-80 sprechen. (ich bin 1969 geboren)

Damals haben Großeltern, Eltern und Kinder alle noch in einem Haus gelebt und hatte auch mehr eine Gemeinschaft was natürlich auch viel Konflikt potenzial beherbergt.

Zu deiner Frage das war dem Umstand geschuldet.

damals gab es keinen Wiederspruch oder Diskussionen mit den Eltern und Großeltern so so wie heute.. Die hatten einfach das Sagen ohne Diskussion. Da gab es gleich ein paar hinter die Ohren. Nach der Schule ging es in den Garten , Supermärkte oder MC-D. gab es zumindest in der Region Darmstadt nur vereinzelt (Landside) du warst praktisch auf deinen Garten angewiesen und viel Einwecken und Einfrieren gab es nicht. Entweder essen was auf dem Tisch Stand oder hungrig ins Bett. Abends warst du "Müde" und Fernsehen schauen oder Computer no Way.

Sonntags in die Kirche. Samstags, Einkaufen Straße Fegen , mit Freunden spielen und Hausaufgaben machen und Lernen, Musikunterricht.. So viel Freizeit wie heute hatten wir einfach nicht. Fertiggerichte gab es kaum und so kochen hat morgens schon angefangen ;)

Internet und Handy gab es sowieso nicht, Taschengeld kaum... Undenkbar das man so teureren Kram den den Kinder gekauft hätte.

Verprügle wurde ich jedoch nie..

Wir haben nie was angestellt oder sonstiges sondern einfach "Normal" würde ich heute sagen. Nie Assi und immer Aufgeschlossen zu unseren Türkischen & Jugoslawischen Nachbarn damals und so sind dicke Freundschaften entstanden bis heute.

HolgieXX  13.09.2023, 22:36
damals gab es keinen Wiederspruch oder Diskussionen mit den Eltern und Großeltern so so wie heute

Doch, gab es damals auch schon. Nur nicht in jedem Elternhaus. Ich glaube das hing damals wie heute stark von der Bildung des Elternhauses ab.

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Tasha  14.09.2023, 22:11

Komisch. Ich kenne es eher so, dass von mehr Freiheit als heute berichtet wird, also Zeit nach der Schule war mehr, man war mehr unbeaufsichtigt draußen, die Eltern wussten nicht, was man den ganzen Nachmittag machte. Möglich, dass das bei dir im Garten ablief. Ich kenne eher Berichte wie "wir spielten nach der Schule auf der Straße und keiner wusste, wo wir waren". Ersetze Straße je nach Wohngegend mit Wald, Feldweg, Wiese etc.

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Achwasweissich  14.09.2023, 22:36

Schon meine Oma (*24) wurde zuhause nicht geschlagen, ihre Eltern waren der Ansicht das Gewalt die Lösung derer sei, die zu dumm zum Reden sind.
Schon da haben die 3 Schwestern (die 2 Jungs waren zu klein) über die Stränge geschlagen, bis in die Puppen zu Jazz und Swing getanzt.
Bei der Feldarbeit trugen sie gern kurze Strandanzüge und sie sind mit kurzen Röcken in die Kirche gegangen, UND Seidenstrümpfen, das war ein echter Skandal damals^^

Auch mein Vater war nicht so wirklich ein Engelchen, das Auto seines meistgehassten Lehrers (was nennt er Vattern auch vor versammelter Klasse immerzu einen Bastard?) liegt vermutlich noch immer in Einzelteilen in einem stillgelegten Schacht. Der VW wurde bei Nacht und Nebel mit 5 Leuten demontiert und per Schubkarre "entsorgt" :D
Die "Gang" war eigentlich nur neugierig und etwas gelangweilt, so haben sie halt ne Raubgrabung gestartet (Funde sind aber ans Heimatmuseum gegangen, anonym) und sind in Höhlen rumgekrabbelt bis sie den Bierkeller der örtlichen Kneipe erreicht hatten. Da war dann erstmal Plünderparty...

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Da damals die Diziplin eher eingeprügelt als eingeredet wurde, war sie damals schon anders würde ich sagen. (zumindest laut meiner Oma und Mutter)

Die Zeiten waren da aber anders. Heutzutage gibt es zu viele schlechte Einflüsse auf einmal.