Ist die CDU noch eine konservative Partei?

11 Antworten

Man muss das mal so sehen: Die einstmals konservativen Werte gehen heute einfach nicht mehr - und wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit, wie schon Gorbatschow wusste. Merkel hat der CDU nicht gut getan und das Ende der CDU-Regentschaft hängt auch enger mit ihr zusammen, als viele es wahrhaben wollen - gerade ihre letzte GroKo ab 2017 war bürgerfern und inkompetent bis zum Anschlag, aber die CDU hat das zum Teil auch schon erkannt.

Akzeptanz von Abtreibungen

In meiner Heimat gab es eine Bewegung von Abtreibungsgegnern, die durchweg als reaktionär und veraltet angesehen wurde - da gab es auch immer mal wieder hitzige Leserbriefschlachten in der Lokalzeitung und das ist durchaus 30 Jahre her. Einer meiner Lehrer hatte da auch seine eigene Meinung dazu, ich erinnere mich gut. Man muss das mal so sehen: Im Falle eines schwerstbehinderten Kindes, das kein schönes Leben hätte und wo man als Eltern lebenslang die Sorge hätte, was mal sein wird, ist es vielleicht besser, wenn ... den Rest kann sich der denkende Leser ableiten.

Ende des dreigliedrigen Schulsystems

Das war tatsächlich grober Unfug, aber die Politik sieht ja mittlerweile auch, wohin es führte, dass allen Abitur und Studium als einzige Eckpfeiler einer soliden Zukunft ans Herz gelegt wurden - der drohende Fachkräftemangel ist längst auf der Agenda der Spitzenpolitiker angekommen.

Ermöglichung der Homo-Ehe

Finde ich auch nicht direkt gut, aber andererseits bin ich tolerant genug, das so stehen zu lassen - es ist nicht mehr so wie vor 20-30 Jahren, wo noch mit Diskriminierungen und Diffamierungen gegen "175er" gearbeitet wurde.

Ansonsten halte ich die Union immer noch für konservativ, nur angepasst auf die Gegenwart. Wir leben halt nicht mehr in den 70ern und 80ern.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
kali01  12.02.2023, 19:04
Finde ich auch nicht direkt gut

Darf ich fragen warum? Was genau haben dir homosexuelle Menschen getan, dass du ihre rechtliche Gleichstellung nicht gut findest?

Liebe Grüße, eine lesbische Frau die gespannt auf deine Antwort ist.

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rotesand  12.02.2023, 19:08
@kali01

Da gehe ich offen mit um - ich komme aus einem konservativen Umfeld, das teilweise fast reaktionär ist und manches blieb da emotional einfach haften. Ich finde es ja nicht schlecht und bin auch tolerant genug, um das zu akzeptieren - man kann sich aber auch nicht ganz "häuten" und alles über einen Haufen schmeißen, was einem mehr als 20 Jahre lang gepredigt wurde.

Einer meiner Freunde ist übrigens schwul und immer noch der selbe Mensch wie zuvor - er ist wohl erst seit seinem Outing im Frühjahr 2013 richtig glücklich und ich gönne es ihm von Herzen bzw. freue mich sehr mit ihm.

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Drücken wir es mal so aus: die CDU ist wieder auf dem Weg dahin.

Dass die CDU unter Frau Merkel über die Mitte hinaus nach links rückte, ist unbestritten. Das lag aber neben sicher auch taktischen Überlegungen daran, dass die SPD in der Entwicklung keine Volkspartei wie unter Schmidt oder Brandt war und somit auch die soziale Mitte nicht mehr klassisch von ihr repräsentiert wurde. Als Nebeneffekt dieser "Linkserweiterung" wurde dadurch der Bereich rechts der CDU entsprechend "weich" bzw. frei und die CDU war für einen Teil der CDU-Stammwähler nicht mehr so attraktiv (vom Rest noch weiter rechts außen ganz zu schweigen).

Auf der anderen Seite hat die CDU vom Grundverständnis nach wie vor den Anspruch einer Volkspartei, also möglichst viele Bevölkerungsgruppen und -themen unter einen Hut zu bringen bzw. im Programm zu vereinigen. Durch die gesellschaftliche Entwicklung aber auch den medialen Druck kamen ein paar Deiner genannten Themen oben auch in das Programm. Das ist aber ganz natürlich. Die Parteien sollen und müssen ja eben auch die Gesellschaft - oder bei Parteien mit Primärthemen bestimmte Bevölkerungsgruppen - widerspiegeln.

Zu Deinen teils tendenziös formulierten Punkten:

  • Schulsystem: Da sehe ich eher die Pädagogen und weniger die Partei als solches im Brennpunkt. Zudem ist die "Prügelstrafe" im Unterricht sowieso nicht mehr opportun - wenn man das beispielhaft als als "konservatives Merkmal" nehmen wollte.
  • Mindestlohn: Auch die CDU muss sich um die einkommensschwachen Teile der Bevölkerung kümmern. Dafür hat sie aber in der Opposition aktuell massiv das Bürgergeld als Vorreiter eines BGE "gestutzt".
  • Kernkraft war schlichtweg aufgrund des öffentlichen Drucks nach Fukushima nicht anders vermittelbar. Vorher war ja der Einstieg aus dem rot-grünen Ausstieg beschlossen worden - das Argument ist also falsch. Zudem kam von der CDU seinerzeit die klare Aussage, dass gleichzeitig Kohle und Kernkraft nicht geht und auch jetzt die Forderung nach Laufzeitverlängerungen.
  • Ich bin zwar kein Freund der Quote aber wenn Du einmal die Regelung des CDU-Parteitags anschaust, wirst Du eine praktikable Lösung erkennen - nicht das stumpfe und sinnfreie 50/50 anderer Parteien
  • Die Wehrpflicht wurde ausgesetzt
  • Die Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ist eine gesellschaftliche Entwicklung, der auch die Parteien Rechnung tragen müssen. Selbst die anglikanische Kirche hat diese Woche die Segnung beschlossen.
  • Die Migration ist keine Frage einer konservativen Einstellung sondern der Menschlichkeit, gerade auch für Kriegsflüchtlinge. Wer diese Politik mit Blick auf den eigenen kleinen Geldbeutel / Wohlstand ablehnt, hat m.E. eine asoziale Einstellung.
  • Die Union ist nicht für Abtreibungen sondern hat im Gegenteil immer noch Auflagen und Eingrenzungen dazu im Gesetz und Programm. Das grenzt die CDU eindeutig von anderen Parteien in Mitte und Links ab => Die CDU agiert hier durchaus konservativ.
  • Mit dem Doppelpass kann ich auch nichts anfangen, deswegen bleibe ich da mal neutral. 😉😊
  • "feministische Sprache" => ja wo siehst Du das denn? Ein PRAKTISCHES Beispiel aus einer CDU-internen Mail diese Woche: "Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde, ..." => also Unsinn
  • C steht für Christlich und nicht für "C"lima => die Notwendigkeit, im Bereich Klima etwas zu tun, ist unstrittig. Im Gegensatz zu ideologisch geprägter Politik findet bei der CDU Pragmatismus und auch die Ökonomie ihren Platz in der Klimapolitik.
  • Beim letzten Punkt gingen Dir wohl die Ideen aus?

Insgesamt meine ich zu erkennen, dass Du Dich mit der CDU vor der Einstellung der Frage überhaupt nicht auseinandergesetzt hast bzw. keine wirklich guten Informationen hast (aber dafür darf man die ja hier kommentieren 😊😊😊)

Woher ich das weiß:Hobby – Kommunalpolitik und Themen bis auf Landtagsebene
rockylinux  12.02.2023, 19:47
Die Migration ist keine Frage einer konservativen Einstellung sondern der Menschlichkeit, gerade auch für Kriegsflüchtlinge. Wer diese Politik mit Blick auf den eigenen kleinen Geldbeutel / Wohlstand ablehnt, hat m.E. eine asoziale Einstellung.

Sorry, das ist genau der Punkt, der diese Debatte so oft verzerrt. Eine Vermischung von Asylpolitik und Migrationspolitik. Das sind grundverschiedene Dinge.

Überlege mal, wenn ein Staat für das Wohlergehen von jedweden Migranten wäre. Ein Migrant, ist erstmal in einer Bringschuld, etwas für das Land zu leisten. Er eignet sich die Sprache an, sucht sich einen Job, und dann kann er auch von den Leistungen profitieren.

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oklein  12.02.2023, 21:21
@rockylinux

Genau lesen: ich differenziere sehr wohl u.a. im Bereich der Kriegsflüchtlinge. Zudem müssen auch Wirtschaftsflüchtlinge erst einmal ins Land kommen, um die Sprache zu lernen und etwas für das aufnehmende Land zu leisten.

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rockylinux  12.02.2023, 21:34
@oklein

In meinen Augen geht das aus folgendem Satz

Die Migration ist keine Frage einer konservativen Einstellung sondern der Menschlichkeit, gerade auch für Kriegsflüchtlinge.

nicht heraus.

Zudem müssen auch Wirtschaftsflüchtlinge erst einmal ins Land kommen, um die Sprache zu lernen und etwas für das aufnehmende Land zu leisten.

Ja, aber für deren Wohlergehen ist man nicht humanitär verantwortlich. Wenn diese Menschen hier keinen Job finden, wurde das Auswandern bzw. das Einwandern nicht genügend durchdacht.

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Das die CDU in den Merkel-Jahren so viel liberaler geworden ist zeigt ja nur das "christlich-konservative" Politik im 21. Jahrhundert nicht mehr mehrheitstauglich ist. Der CDU stehen schwere Zeiten gegenüber. Es ist sogar möglich, dass die Partei irgendwann aufgelöst werden wird. Wenn sie überleben will muss sie meiner Meinung nach irgendwann mit der AfD kooperieren (da die SPD lieber mit Bündnis 90/Die Grüne koaliert). Alleine kriegt sie keine Mehrheiten in den Parlamenten mehr. Die CDU ist eine christlich-konservative Volkspartei aus der alten Bundesrepublik (Bonner Republik). Die Werte der heutigen Zeit (regressive Moderne, Berliner Republik) sind einfach immer weniger "christlich-konservativ". Klar gibt es immer natürliche Wähler der CDU (Superreiche, Adlige, konservative Christen...), aber das ist nur eine kleine Minderheit unter der Bevölkerung. Diese privilegierte Minderheit reicht nicht mehr aus um der CDU langfristig noch Wahlerfolge zu bescheren.

Anders als viele denken oder ihn framen, ist der Konservatismus nicht grundsätzlich gegen Veränderung und Neues. Man will nur bisher Erreichtes behalten, wie zB eine günstige sichere Energieversorgung. Gut für Verbraucher, Unternehmen, den Wirtschaftsstandort, Arbeitnehmer - im Endeffekt für jeden.

Und hier der Knackpunkt: Das man bestehendes gutes opfert, auch wenn der Ersatz / eine Alternative noch nicht als funktional etabliert ist, ist etwas was konservativen Denken wiederspricht. Ähnlich wie ein Update. Du versuchst kein Update von WinServer 2012 auf 2022 ohne getestet zu haben, ob es funktioniert. Am Ende funktioniert dein ganzes System nicht mehr.

Viele Punkte, die du ansprichst unterschreibe ich aber nicht als Zeichen dafür, dass die CDU nicht mehr konservativ ist - auch wenn ich die Aussage befürworte.

Homo-Ehe, Ende der Wehrpflicht, Akzeptanz von Abtreibungen zB. das sind für mich Dinge, wo Leute die etwas konservativer und Leute, die weniger konservativ sind, trotzdem zusammenkommen können. Sprich, kann sich immer noch aus dem Meinungsspektrum einer konservativen Partei heraus bilden.

Wo es halt wirklich losgeht, sind Sachen wie der Doppelpass. Migration außerhalb von Asylanten und Flüchtlingen, ist eine bewusste Entscheidung. In ein Land zu gehen, ein Teil dieses Landes zu werden, die Sprache zu sprechen etc. - Dass man diese Indentitätsentscheidung aufhebt hilft niemanden. Grade hier merkt man halt, wie weit weg die Politiker von dem Problemen des Multikulturalismus leben.

Ist die CDU noch eine konservative Partei?

Kurz gesagt, war die die CDU unter Merkel nach links gerückt, aber derzeit sehe ich wieder Tendenzen, dass sie bürgerlich-konservativ wird unter Merz.

Der Ist-Zustand ist schwer zu beschreiben, da sie im Übergang begriffen ist.

Nicht alles, was du oben aufzählst, spricht gegen modernen Konservatismus. Da summierst du viel einfach so auf, ohne Details zu betrachten.